Auf einmal war das „Maps“ weg. Wer unlängst nach einer Örtlichkeit gegoogelt hat, um sich auf der virtuellen Landkarte Orientierung zu verschaffen, wird bemerkt haben, dass die Anwendung fehlt. Google zeigt zwar einen Bildausschnitt, doch der führt nicht mehr zu Google Maps. Auch unter dem Suchfeld ist der Link verschwunden.
Die gute Nachricht: Mit Ihrem Computer ist alles in Ordnung. Die schlechte: Auf die praktische Abkürzung zur virtuellen Landkarte wird man bis auf Weiteres verzichten müssen. Das ist eine direkte Auswirkung des Digital Markets Acts, einer EU-Verordnung, die die Marktbeherrschung einiger großer Dienstleister wie Google oder Apple beschränken soll. Beschlossen wurde sie bereits im November 2022, erst diesen März mussten die Tech-Giganten Anpassungen vornehmen. So verschwand „Maps“ von der Google-Oberfläche.
Ein Stakkato der Regulierungen
In den vergangenen Jahren hat sich die EU generell zum großen Regulator im digitalen Bereich aufgeschwungen. Neben dem Markets Act wurde in den vergangenen zwei Jahren auch der Digital Services Act, der Data Governance Act, diesen Jänner der Data Act und im März der Artificial Intelligence Act beschlossen. Eine weitere Verordnung zur Standardisierung und zum Austausch von Gesundheitsdaten wird in den kommenden Wochen finalisiert.
Unabhängig von ihrer inhaltlichen Substanz stellt dieses Stakkato der europäischen Rechtsnormen auch die Regierungen und Verwaltungen der Mitgliedstaaten vor erhebliche Herausforderungen. Nationale Gesetze müssen angepasst, Behörden definiert und Informationen für Unternehmen und Konsumenten aufbereitet werden. Unter anderem. Der auf Technologierecht spezialisierte Jurist Nikolaus Forgó von der Universität Wien sieht Österreich dahingehend „nicht gut aufgestellt“, wie er sagt.
„Wir haben eine heterogene Struktur der Behörden und sie agieren unabgestimmt“, sagt Forgó. Bei jeder EU-Verordnung müssen die nationalen Zuständigkeiten neu verhandelt werden. Beim Digital Services Act wurde die KommAustria als Behörde bestimmt, die Telekom-Control-Kommission monierte sogleich, dass einzelne Bestimmungen bei ihr besser aufgehoben wären. Mitunter liegt es aber auch in der Natur der sich ständig verändernden Digital-Materie, dass klare Trennlinien oft schwer zu ziehen sind.
Allerdings herrscht in Österreich generell eine Kakophonie. Allein in dieser Legislaturperiode sind die Digitalagenden innerhalb der Regierung mehrfach gewandert. Zuerst lagen sie im Wirtschaftsressort, übersiedelten dann zur Finanz mit einem eigenen Staatssekretär, nach dem Abgang von Florian Tursky zog die Digitalisierung weiter ins Bundeskanzeramt zu Jugend-Staatssekretärin Claudia Plakolm – aber auch nur teilweise. Forgó formuliert es so: „Die Hardware ist im Finanzministerium geblieben, die Software nun im Kanzleramt“.
Chaotische Ministerien
Nicht anders sieht es in den Ministerien selbst aus. Zwar muss seit 2018 jedes Haus einen Chief Digital Officer benennen, doch das ist einmal eine Sektionschefin, anderswo ein Gruppenleiter. Das Justizministerium hat die Position wegen Personalmangels an eine externe Firma ausgelagert – obwohl diese Digitalkoordinatoren Abstimmungen zwischen den Ministerien vornehmen sollen. Erst unlängst hat der Rechnungshof das Klimaschutzministerium dafür kritisiert, dass es 71 Webseiten betreut, die auf fünf Sektionen verteilt waren, 36 externe Dienstleister beteiligt waren und ein Gesamtüberblick und Betreuung und Aufwand fehlte.
Ob die nächste Regierung ein eigenes Ministerium für Digitalisierung einrichten sollte? Forgó ist skeptisch. „Das wurde immer wieder versucht, aber es ist eine Querschnittmaterie“, sagt der Jurist, der sich auch in der Initiative Bessere Verwaltung engagiert. Sinnvoller wäre es, so Forgó, eine koordinierende Stabstelle einzurichten, etwa im Kanzleramt: „Das ist alternativlos“. Wunderdinge sollte man sich davon aber auch nicht erwarten, so Forgó, da jedes Ministerium zu sehr ein eigenes Machtzentrum sei.
Das wirkungslose Gesetz
Wohin eine administrative Überforderung führt, hat Österreich unter anderem bei der Datenschutzgrundverordnung zu spüren bekommen. Deren Um- und Durchsetzung wurde noch weitgehend in die Hände der Mitgliedstaaten gelegt. Daraus hat die EU-Kommission gelernt und sich bei den jüngsten Regulierungen viel stärker selbst in die Behördenrolle begeben. Die Schlagkraft der EU im Rechtsstreit mit Google, Meta und Co. dürfte auch größer sein als jene einzelner Mitgliedstaaten.
Dabei hatte es die Republik sogar versucht. Mit dem Kommunikationsplattformen-Gesetz wollte Türkis-Grün dem Digital Services Act der EU vorgreifen und die digitalen Giganten einem nationalen Regelwerk unterstellen. Bei einigen Verstößen waren sogar Millionenstrafen vorgesehen. Gezahlt hat niemand, sondern nur gegen das Gesetz vor dem EU-Gerichtshof geklagt. Mit Erfolg. Am 16. Februar ist es still und leise außer Kraft gesetzt worden, ohne je gewirkt zu haben. Nun gilt ohnehin die EU-Verordnung.