Wenn die Politik über Gesundheitsdaten verhandelt, hantiert sie damit wie im Hochsicherheitslabor. Es handelt sich um potenziell toxische Debattensubstanz. Zumindest in Österreich ist das der Fall, im skandinavischen Raum ist die Bevölkerung entspannter. Darum ist es Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grünen) besonders wichtig darauf hinzuweisen, „mit Rufzeichen“, wie er sagt, dass es beim geplanten Europäischen Gesundheitsdatenraum eine Opt-out-Möglichkeit geben wird. Man wird die eigenen Daten also sperren lassen können. „Das haben wir hineinverhandelt“, sagt Rauch.
Noch in dieser Periode könnten auf EU-Ebene die Verhandlungen zu diesem gemeinsamen Datenraum abgeschlossen werden. Dahinter steckt der Plan einer Harmonisierung der Erhebung und Nutzung von Gesundheitsdaten, die auch zwischen den Mitgliedstaaten ausgetauscht werden können. „Es wird keine Datenkrake. Im Mittelpunkt steht der Nutzen der Patientinnen und Patienten“, so Rauch. Ein Europa der offenen Grenzen bedeute, dass man manchmal auf die Gesundheitsversorgung in anderen Ländern angewiesen ist.
Österreich bereits gut gerüstet
Was den Nutzen für die Menschen betrifft, nennt der Gesundheitsminister den Bezug rezeptpflichtiger Medikamente in Apotheken in einem anderen EU-Land. Oder, dass die Hausärztin Einsicht in den Röntgenbefund erhält, der beim Skiurlaub in Frankreich leider notwendig wurde. Oder die Kurzinformation darüber, ob Allergien und Medikamenten-Unverträglichkeiten vorliegen, wenn ein medizinischer Notfall in einem anderen Land eintritt. Ein indirekter Nutzen besteht darin, dass der EU-Datenraum der Wissenschaft ganz andere Möglichkeiten bietet, speziell bei seltenen Erkrankungen, bei denen die Fallzahlen in einzelnen Ländern zu gering sind, um seriöse Forschung zu betreiben.
Dafür wird in Europa derzeit ein Regelwerk verhandelt, für dessen Umsetzung Österreich mit der elektronischen Gesundheitsakte Elga technisch schon gut gerüstet sei, etliche andere Mitgliedstaaten noch nicht. Das Gesundheitsressort nennt drei zentrale Regulierungsbereiche: die Primärnutzung der Daten. Dabei geht es etwa um die Speicherung von E-Rezepten, Laborbefunden und Entlassungsbriefen aus dem Spital. Der zweite Bereich betrifft, vereinfacht gesagt, die Kommunikation zwischen einzelnen Systemen und Datenbanken. Drittens muss auch die Sekundärnutzung durch Wissenschaft und Pharmaforschung reguliert werden.
In den ersten beiden Bereichen sei Österreich bereits jetzt gut aufgestellt und die Umsetzung vergleichsweise einfach. Bei der Sekundärnutzung müssen hingegen sowohl die technischen Voraussetzungen geschaffen als auch die Prozesse und Zugänge festgelegt werden. Hier dürfte es in den Verhandlungen auf EU-Ebene noch viel Gesprächsbedarf geben. Auch die genaue Opt-out-Regelung sei noch offen, sagt Rauch. Dass sie aber kommt, sei fix. „Das wäre sonst eine Einflugschneise für jene Blase, die meint, dass eine Weltverschwörung im Gang sei.“