Satte zwölf Prozent waren es in Summe, um die Österreichs Treibhausgasausstoß in den vergangenen beiden Jahren abgesackt ist. Ein ungewöhnlicher Vorgang für ein Land, das es in den drei Jahrzehnten zuvor im Gegensatz zu den meisten übrigen europäischen Staaten nicht geschafft hatte, seinen Emissionsrucksack substanziell zu verkleinern. Verantwortlich für die Trendwende seit 2022 machen Wirtschafts- und Klimaforscher nicht nur die Wirtschaftsflaute und die etwas milderen Winter. Der Löwenanteil des Erfolgs gehe auf den politisch geförderten und durch teures Öl und Gas noch lukrativeren Ausbau der Erneuerbaren Energien zurück, sagt Klimaökonom Karl Steininger. Heizungstauschprogramme und eine stärkere Öffi-Nutzung schlagen ebenfalls zu Buche, zudem ging laut Umweltbundesamt der Tanktourismus aus dem benachbarten Ausland stark zurück.
Dass die Entwicklung allerdings so weitergeht, erwartet Steininger nicht. Für das heurige Jahr liegen noch nicht genügend Daten für eine genaue Analyse vor, der Forscher am Wegener Center der Uni Graz geht in Summe von einem nur noch geringeren weiteren Rückgang des Treibhausgasausstoßes aus. Ähnlich schätzt man das beim Umweltbundesamt ein, wo für heuer ein Emissionsrückgang von immerhin noch einmal 3,7 Prozent erwartet wird. Diese Zahlen sind allerdings noch sehr unsicher. „Die Preissteigerung für die Fossilenergie schlägt nicht mehr durch und auch beim Kraftstoffexport ist das Potenzial bereits verbraucht“, sagt Steininger. „Österreichs Klimaziel für 2030 ist nur erreichbar, wenn es zusätzliche starke Maßnahmen gibt, um eine ähnliche Entwicklung anzustoßen wie in den letzten beiden Jahren.“
Milliardenkosten drohen
Geschieht das nicht, droht dem Land laut den Fachleuten des Umweltbundesamts ein Scheitern am Klimaziel um mehr als zehn Prozentpunkte. Kommt es so, dürften die Folgen für Österreich richtig teuer werden. „Für jede Tonne CO₂, um die Österreich das Klimaziel verfehlt, muss bei einem anderen Staat ein Zertifikat gekauft werden“, sagt Steininger. Der Rechnungshof ging bereits 2021 von drohenden Kompensationszahlungen von mehr als 9 Milliarden Euro für Österreich aus. „Nachdem die EU die Klimaziele inzwischen noch nachgeschärft hat, wäre wohl mit noch höheren Kosten zu rechnen“, warnt Steininger.
Was also tun? Der 350-seitige Nationale Energie- und Klimaplan (NEKP), den Österreich im Sommer nach schweren innenpolitischen Querelen in Brüssel vorgelegt hat, verspricht Maßnahmen, um die drohende Klima-Lücke zu schließen, bleibt in vielen konkreten Punkten allerdings vage. So ist zwar von einem Abbau umweltschädlicher Subventionen die Rede, der in Summe zwei Millionen Tonnen CO₂ einsparen soll. In der ÖVP hat man aber bereits klargestellt, weder an der Pendlerpauschale noch am Dieselprivileg schrauben zu wollen. „Ohne Ökologisierung der Pendlerunterstützung und Abschaffung der Dieselbegünstigung ist diese Einsparung aber kaum erreichbar“, sagt Steininger, der den Verkehrssektor weiterhin als großes Klima-Sorgenkind sieht.
CO₂-Preis und Klimaschutzgesetz als Fixpunkte
Reformen müssen also her, zumindest dann, wenn Klimakrise und internationale Vereinbarungen weiter ernst genommen werden. Die 2022 eingeführte CO₂-Bepreisung ist für Steininger unbedingt beizubehalten, zudem brauche die Industrie klarere Rahmenbedingungen, die ein Klimaschutzgesetz mit fixen Sektorzielen bieten könne. Für den Experten ebenfalls auf der Liste vordringlicher Maßnahmen: die bisher nicht auf Schiene gebrachten Reformen des Elektrizitätswirtschaftsgesetzes und des beschleunigten Erneuerbaren-Ausbaus, das Transparentmachen von Lieferketten im nationalen Recht und auch bessere Anreize für Vermieter zum Ausstieg aus Öl und Gas. Der Weg ist weit, die Zeit allerdings drängt immer mehr.