Dramatische und lebensbedrohliche Szenen spielten sich am Samstagabend auch in Graz-Mariatrost ab, als die Wassermassen sintflutartig vom Himmel fielen. Das Firmengelände von Christian Gradwohls „Autoclinik“ in der Mariatrosterstraße in Fölling wurde durch die starken Regenfälle völlig überschwemmt. Beim Versuch, den Schaden noch etwas zu begrenzen, geschah es dann: „Meine Frau wäre fast in ein Rohr gezogen worden, die Wassermassen haben eine so starke Sogwirkung entwickelt, dass wir sie nur mit Müh und Not noch herausbekommen haben“, schildert er. Auch am Montag stand die Frau noch unter Schock und musste vom Kriseninterventionsteam betreut werden. „Wir haben ein Wahnsinnsglück gehabt“, sagt Gradwohl – finanziell könnte sein Reparatur- und Servicebetrieb allerdings nun vor dem Aus stehen. „69 Fahrzeuge sind bis zur Hälfte im Wasser gestanden, jedes ein Totalschaden“, sagt Gradwohl. Passiert sei das nicht zum ersten Mal, die Firma sei damit „nahezu tot“. Dass das passieren konnte, darin sieht er ein Versäumnis der Stadt – denn durch den Kanal könne nicht genug Wasser abfließen. Gradwohl fühlt sich im Stich gelassen.

Ein Stück weiter stadteinwärts in Fölling gibt es ein Rückhaltebecken. „Und trotzdem stehen die Grundstücke in Mariatrost unter Wasser“, schäumt Bezirkspolitik-Urgestein Erwin Wurzinger. Dass dessen Kapazität nicht genutzt werde, will er sich nicht gefallen lassen: „Der Basisablauf lässt so viel Wasser raus und überflutet die nachfolgenden Grundstücke total, obwohl das Rückhaltebecken noch genug Kapazitäten gehabt hätte“, schüttelt er den Kopf.

Rückhaltebecken in Weinitzen ging über, zweites Becken gefordert

In Andritz wurde ebenfalls der Ruf nach einem noch besseren Hochwasserschutz laut – nämlich einem zweiten Rückhaltebecken für den Schöcklbach. Aufgrund der gewaltigen Wassermassen, die auf die Straße geschwemmt worden waren, hatte es zunächst Gerüchte gegeben, dass der Damm des Rückhaltebeckens in Weinitzen gebrochen war. „Das stimmt nicht, es ist planmäßig übergegangen“, erklärt Robert Wiener, der Leiter der städtischen Grünraumabteilung. Und damit habe es trotzdem seinen Zweck erfüllt: „Denn das hat uns in Andritz wertvolle Zeit verschafft, die Wassermassen sind hier nur mit Verzögerung eingetroffen.“ Wieners Nachsatz: „Hätten wir das nicht gehabt, hätte es im Bezirk nicht „nur“ wie bei den letzten Hochwasserereignissen 2005 und 2009 (vor dem Bau des Rückhaltebeckens) ausgeschaut, sondern wie jetzt leider in Deutschfeistritz.“ Das beweise, dass Graz mit der Hochwasserstrategie seit 15 Jahren absolut richtig liege. Ein zweites Rückhaltebecken in Weinitzen – beim Steinbruch im Annagraben, wo nun die Mure hinuntergekommen ist, wäre dennoch weiterhin wichtig, aber nicht vor zehn, fünfzehn Jahren realisierbar. Das Geröll, das dort hinuntergekommen ist, soll ab Dienstag von der Firma Tieber weggeräumt werden, weiß Bürgermeister Josef Neuhold. „Die Feuerwehr hat rund um die Uhr gearbeitet, die Firma Tieber hat einen Tiefgang angelegt, alle haben großartige Arbeit geleistet“, will sich der Weinitzer Ortschef bedanken.

Auch in Gösting wird weiterer Ausbau gefordert

Alexis Pascuttini machte sich selbst ein Bild
Alexis Pascuttini machte sich selbst ein Bild © (Korruptions-) Freier Gemeinderatsklub

In Gösting fordert KFG-Klubobmann Alexis Pascuttini, der am Montag mit Stadträtin Schönbacher am Montag einen Termin mit der für Hochwasserschutz zuständigen Vizebürgermeisterin Schwentner hatte, den Linearausbau des Thaler Baches für die Thalstraße und die Schaffung diverser Rückhaltebecken, etwa beim Fuchsloch. „Dass dieses Rückhaltebecken mit geringer Priorität bewertet wird, kann ich nicht akzeptieren. Die drei existierenden Rückhaltebecken sind alle zu weit oberhalb entlang des Baches angesiedelt, um die Thalstraße wirklich zu entlasten.“ Mit seinem Team war er am Samstagabend in der Thalstraße, in der Raach und in Andritz unterwegs, um sich ein Bild von der Situation zu machen. Dabei wurden weitere Zuläufe und reißende Quellen entdeckt, die nun ins Sachprogramm Grazer Bäche aufgenommen werden sollen. Positiv vermerken nach dem Termin mit Schwenter kann er, dass die Schleuse des Thaler Sees jetzt adaptiert werden soll. „Selbst bei minimalsten Überschwemmungen tritt das Wasser über die Schleuse und somit in den Thaler Bach.“ Das Projekt könne im Idealfall bereits ab dem nächsten Jahr umgesetzt werden, „dadurch könnte wahrscheinlich eine große Wassermenge, die vom Thaler See kommen würde, abgehalten werden“, so Pascuttini. Er kündigt an, dass die kommende Gemeinderatsitzung am Donnerstag ganz im Zeichen des Hochwasserschutzes stehen werde.

St. Radegund: Schule bleibt geschlossen, Trinkwasser weiter nicht genießbar

© FF St. Radegund

Schwer betroffen ist auch die Gemeinde St. Radegund, wo die Schule aufgrund einer Hangrutschung behördlich gesperrt ist. „Und das wird noch länger dauern“, sagt Bürgermeister Hannes Kogler. Die nächsten Tage werden die vier Klassen per Home Schooling unterrichtet, die Suche nach geeigneten Räumlichkeiten, etwa in der Pfarre, ist angelaufen. Zudem kann man im Kurort derzeit kein Wasser aus der Leitung trinken: Die starken Niederschläge sorgten für Verunreinigungen. Welche Quelle betroffen ist, konnte man noch nicht eruieren. „Es wird aber auch hier noch ein paar Tage dauern, bis wir wieder sauberes Wasser haben“, so Kogler.

Am Schöckl bleiben der Hexenexpress und die „Schöckl Trail Area“ dazu bis mindestens Freitag geschlossen. Derzeit laufen auf dem Plateau und rund um den Schöckl Aufräumungsarbeiten und Instandhaltungsarbeiten. Die Zufahrt zur Seilbahn ist nach wie vor nur erschwert über Ebersdorf aus Mariatrost kommend möglich. Die Zufahrt über Andritz und Weinitzen ist nicht möglich.

*Hinweis: Durch ein Missverständnis hatten wir eines der Bilder in der Fotoserie falsch beschriftet, die Unfallstelle in Mariatrost wurde nun korrigiert.