Im Grazer Bezirk Andritz sind am Sonntag die Spuren des abendlichen Unwetters deutlich zu sehen. Der Schöcklbach war nach heftigen Regenfällen Samstagabend über die Ufer getreten und hatte die Radegunderstraße in einen reißenden Fluss verwandelt. Am Straßenrand ein großer Müllcontainer, der aussieht, als hätte man ihn zusammengeknüllt. Mit Scheibtruhen werden unbrauchbar gewordene Habseligkeiten aus leergepumpten Kellern weggeführt. Wer nach den Ereignissen der letzten Nacht fragt, erntet Seufzen und Kopfschütteln.
Straße unpassierbar
„Die Leute kommen zu uns, geben ihre Stimme für die EU-Wahl ab und gehen dann wieder heim, um den Keller oder die Einfahrt sauberzumachen“, erzählt der langjährige Andritzer Bezirkschef Johannes Obenaus. Er ist am heutigen Sonntag als Wahlbeisitzer in einem Wahllokal in der Statteggerstraße stationiert. „Es gibt hier heute eigentlich nur ein Gesprächsthema, wenn die Leute vorbeischauen“, so Obenaus. In der Unwetternacht war er selbst im Umfeld der Radegunderstraße unterwegs. „Das war noch bevor die zweite Gewitterfront kam, das Wasser stand da so hoch, dass es über die Motorhaube der Autos reichte“, erzählt er.
Am Sonntag war die Straße ab dem Neustiftweg nur für Anrainer passierbar. Außerhalb der Stadtgrenze, wo die Radegunderstraße zur Rinneggerstraße wird, ist die Straße mit Geröll bedeckt. Eine sechzig Meter breite Mure ist hier abgegangen. Die Strecke zwischen der Haltestelle Neustift bis zur Haltestelle Dürrgrabenweg ist unbefahrbar. Die Holding Graz hat deshalb den Betrieb der Buslinie 41E Andritz - Dürrgrabenweg am Sonntag vorübergehend eingestellt. Ab etwa 19 Uhr verkehren aber Pendelbusse auf einer alternativen Route zwischen Andritz und Neustift.
Spuren der Verwüstung am Sonntag in Andritz:
Rückhaltebecken voll
Was war passiert? Das Rückhaltebecken für den Schöckelbach in Weinitzen, das 215.000 Kubikmeter Wasser fasst, war voll und konnte nach den sintflutartigen Regenfällen kein Wasser mehr aufnehmen. Im Messnetz, das den Meteorologen der Geosphere zur Verfügung steht, wurden beim Rückhaltebecken 119 Liter Regen pro Quadratmeter gemessen. „Das sind gewaltige Mengen, die auch noch in sehr kurzer Zeit gefallen sind“, so der Meteorologe. „Gegen 19.15 Uhr gingen am Samstag die ersten Notrufe ein“, erzählt Einsatzleiter Gernot Ranftl von der Grazer Berufsfeuerwehr. Nachdem der Schöcklbach über die Ufer getreten war, floss das Wasser über die Radegunderstraße ab. Autos wurden weggeschwemmt, wie Augenzeugen berichten. Es kam zu Verklausungen, weil das Wasser mitriss, was sich ihm in den Weg stellte. Und der Bezirk Andritz war nicht der einzige, wo sich das Gewitter austobte. Auch in Mariatrost und Gösting gingen große Wassermengen in kurzer Zeit nieder, während im Grazer Süden nur wenig Regen fiel. Der Leonhardbach wurde zu einem reißenden Gewässer.
Radegunderstraße wird zum Fluss:
Ein Gerücht, das im Bezirk für Gesprächsstoff sorgt, hat sich allerdings als Falschmeldung herausgestellt. Das Rückhaltebecken in Weinitzen ist zwar am Samstag übergelaufen, der 8,5 Meter hohe Damm aber nicht gebrochen. Auch die Berufsfeuerwehr Graz unterstreicht das. „Leider ist das zweite Rückhaltebecken für den Schöckelbach noch in weiter Ferne“, bedauert Obenaus allerdings. Um auch den Bachlauf hochwasserfit zu machen, wurde heuer der dritte Bauabschnitt vom Rotmosweg bis zur Stadtgrenze in Angriff genommen. Das Bachbett wird dabei unter anderem verbreitert und vertieft, um für ein 50-jähriges Hochwasser gerüstet zu sein. Wie notwendig das ist, zeigen die überfluteten Keller in den Siedlungen entlang des Schöcklbachs.
Atempause mit bangem Blick zum Himmel
Die Lage hat sich am Sonntag etwas entspannt. Nach wie vor müssen allerdings in der Radegunderstraße Keller ausgepumpt werden. „Teilweise stand das Wasser dort bis zur Decke“, so Einsatzleiter Gernot Ranftl. Darüberhinaus gab es für die Berufsfeuerwehr auch noch Windschäden aufzuarbeiten. Starke Windböen - die Messstelle bei der Uni Graz hat am Samstag Windgeschwindigkeiten von 94 km/h gemessen - haben am Samstagabend Bäume entwurzelt. Die Spuren des Unwetters waren am Sonntag etwa noch am Hilmteich zu sehen. Umgestürzte Bäume lagen quer über den Gehweg rund um den See. „Es sind auch Bäume auf Dächer gefallen, verletzte Personen gab es Gott sei Dank am Samstag keine“, berichtet Ranftl.
Krisenstab in der Zentralfeuerwache
In regelmäßigen Abständen tagt der Grazer Krisenstab in der Zentralfeuerwache am Lendplatz. Ihm gehören neben der Berufsfeuerwehr auch das Krisenmanagement der Holding Graz, Sicherheitsmanager Gilbert Sandner, Bürgermeisterin Elke Kahr und Magistratsdirektor Martin Haidvogl an. Mit dem Land ist man vernetzt. „Aktuell geht es in erster Linie darum, Verklausungen im Schöcklbach so gut wie möglich zu entfernen, für den Fall, dass es weiter regnet“, erklärt Sandner. Die durch Geröll verlegte Rinneggerstraße hat man ebenfalls im Blick. Für eine mögliche weitere Gewitterfront werden Sandsäcke vorbereitet. Leicht macht es die Wetterlage den Experten nicht, die weitere Wetterlage einzuschätzen. „Die Gewitterzellen entickeln sich sehr kurzfristig. In der Landeswarnzentrale ist aber ein Meteorologe von Geosphere direkt vor Ort, der uns auf dem Laufenden hält“, so Sandner.
Rund um den Hilmteich am Sonntag:
Der Zivilschutzalarm in Andritz, Mariatrost und im Bereich Hilmteich wurde Sonntagfrüh aufgehoben. „Wir müssen allerdings hoffen, dass es nicht so kommt, wie es die Meteorologen voraussagen“, unterstreicht Ranftl. Weitere Regenfällle sind für den heutigen Sonntag angesagt.
Eindrücke von der Unwetternacht am Samstag:
Die Unwetter am Hilmteich: