Der Regierungsbildungsauftrag von Bundespräsident Alexander Van der Bellen an den Zweitplatzierten der Nationalratswahl lässt politisch die Wogen hochgehen. Zu Mittag gab das Staatsoberhaupt bekannt, die ÖVP und den amtierenden Kanzler Karl Nehmanner gebeten zu haben, eine neue Bundesregierung zu bilden. Damit weicht Van der Bellen von der jahrelang gelebten Praxis ab, den Wahlsieger, in diesem Fall FPÖ-Chef Herbert Kickl, mit Koalitionsgesprächen zu betrauen.
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Das sorgt auch in der Steiermark für Kritik – sogar aus der Volkspartei, die unter diesen Umständen wieder den Kanzler stellen könnte: „Es ist eigentlich unverantwortlich, Herbert Kickl so schnell aus der Verantwortung und in die Märtyrer-Rolle und ins Schmollwinkerl zu entlassen“, sagt ÖVP-Landeshauptmann Christopher Drexler. Vor dem Hintergrund der Landtagswahl am 24. November, wo Drexler den ersten Platz der ÖVP verteidigen muss, ist er der Meinung, „dass der Bundespräsident diese Gepflogenheit jetzt nicht hätte brechen sollen“. Es sei die Verantwortung der stimmenstärksten Partei, tragfähige Mehrheiten zu organisieren. „Und erst wenn das nicht gelingt, müssen andere Möglichkeiten ausgelotet werden“, sagt Drexler.
Christopher Drexler in der ZiB2
„Ein Fehler“: Auch SPÖ-Chef kritisiert den Bundespräsidenten
Auch die steirische SPÖ unter Landeshauptmann-Vize Anton Lang sieht den Schritt des Bundespräsidenten mehr als kritisch: „Ich bin grundsätzlich dafür, dass die stimmenstärkste Partei den Auftrag bekommt, eine Regierung zu bilden, weil das auch ganz offensichtlich der Wille der Wählerinnen und Wähler ist“. Deshalb hätte der Bundespräsident diese Verantwortung der FPÖ übertragen sollen, urteilt Lang. Die Vorgehensweise von Van der Bellen sei daher „ein Fehler“. Nicht zuletzt, weil man die FPÖ nicht aus der Verantwortung, Mehrheiten zu finden, entlassen dürfe: „Wenn Herbert Kickl scheitert, kann immer noch die zweitplatzierte Partei den Auftrag bekommen.“ Ob die SPÖ sich an einer Regierung unter einem ÖVP-Kanzler beteiligen soll, hänge vom Koalitionsabkommen ab, so Lang, der eine sozialdemokratische Handschrift einfordert. Für die Steiermark haben weder die SPÖ noch die ÖVP eine Zusammenarbeit mit der FPÖ nach der Wahl ausgeschlossen.
Der Landeshauptmann indes verweist im Zusammenhang mit den aktuellen Entwicklungen im Bund auf die steirischen Gesetze: „Wir haben ganz andere Bestimmungen. Bei uns ist immer der Spitzenkandidat der stärksten Partei mit der Bildung einer Landesregierung beauftragt.“ Damit sei die steirische Landesverfassung „noch eleganter als die Bundesverfassung“.
Steirische FPÖ kämpft um enttäuschte ÖVP-Wähler
Die nur wenige Tage alte Umfrage der Kleinen Zeitung zur Landtagswahl zeigt, dass die Steiermark auf einen Dreikampf zwischen FPÖ, ÖVP und SPÖ zusteuert, wobei die Freiheitlichen noch an erster Stelle stehen. In der Steirischen Volkspartei fürchtet man nun, dass Protestwähler durch das Handeln des Bundespräsidenten die Freiheitlichen noch stärker machen könnten.
Dafür spricht, dass FPÖ-Landeshauptmann-Kandidat Mario Kunasek in einer ersten Reaktion genau in diese Kerbe stößt: „Die aktuellen Entwicklungen zeigen auf erschreckende Weise auf, dass die FPÖ in der Steiermark klar stärkste Kraft werden muss, um eine Ausgrenzung dieser Art gepaart mit einer Stillstands- und Verliererkoalition in unserem Bundesland zu verhindern“. Die Freiheitlichen sprechen mit Blick auf den Bund von einer Missachtung des Wählerwillens und einer von langer Hand vorbereiteten Verliererkoalition. „Wir laden jeden ÖVP-Wähler, der keine Ampel-Landesregierung will, ein, der FPÖ seine Stimme zu geben“, sagt Kunasek in Richtung enttäuschter schwarzer Wähler. Er vermutet via Aussendung gar, dass ÖVP-Landeshauptmann Christopher Drexler angesichts der Ankündigungen des Bundespräsidenten „heute in Jubelstürme ausgebrochen sein dürfte, gilt er doch als Architekt und Fan schwarz-roter Zusammenarbeit auf allen Ebenen.“
Drexler wiederum kontert, Schwarz-Rot habe in den letzten Jahren „sehr gute Arbeit für die Steiermark geleistet“ habe: „Ich hoffe, dass wir am 24. November den konstruktiven Weg der weiß-grünen Zusammenarbeit fortsetzen können und keine Verhältnisse wie in Wien haben“ so der Landeshauptmann.