Wenige Stunden nachdem Bundespräsident Alexander Van der Bellen ÖVP-Chef Karl Nehammer einen Regierungsbildungsauftrag erteilt hat, meldete sich Nehammer zu Wort. „Ich nehme diesen Auftrag in aller Redlichkeit und aller Ernsthaftigkeit an und werde hart daran arbeiten, dass Österreich eine stabile, von einer breiten Mehrheit im Parlament getragene Regierung bekommt“, sagt der Bundeskanzler. Er werde deshalb in den kommenden Wochen mit der SPÖ vertiefende Gespräche und Verhandlungen führen. Im Sinne einer breiten Mehrheit, die es ermöglicht „wichtige Reformen anzupacken“ werde es allerdings einen dritten Partner brauchen. Denn im Nationalrat hätten ÖVP und SPÖ gemeinsam nur eine hauchdünne Mehrheit von einem Mandat.
Als drängende Themen sieht der Bundeskanzler die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft und den Komplex Migration und Integration. Auch brauche es „ein Gesundheits- und Pflegesystem, das tatsächlich für die Menschen da ist“, der Wohlfahrtstaat könne aber nur von „Menschen die Leistung erbringen und arbeiten gehen“, finanziert werden. Ob die Verhandlungen mit der SPÖ und einer weiteren Partei tatsächlich zu einer Regierungsbildung führen werden, könne er allerdings noch nicht versprechen, betont der Bundeskanzler.
Reaktionen
Parteichefs am Montag in der Hofburg
Am frühen Nachmittag hatte Bundespräsident Alexander Van der Bellen der ÖVP einen Regierungsbildungsauftrag erteilt. Die goldene Schnalle der roten Tapetentür in der Wiener Hofburg war in den letzten Tagen besonders oft betätigt worden: Auch gestern empfing Bundespräsident Alexander Van der Bellen die Parteichefs von ÖVP, FPÖ und SPÖ in seinem „Arbeitszimmer“, um sich von den von ihm angeordneten Gesprächen zwischen den drei Parteichefs berichten zu lassen. Große Überraschungen dürfte es bei diesen Terminen nicht gegeben haben, scheinen die Positionen der Gesprächspartner doch weiter unverändert. FPÖ-Chef Herbert Kickl fordert als Wahlsieger den Regierungsbildungsauftrag ein und umgarnt die ÖVP; die will zwar mit seiner Partei, aber nicht mit ihm und dürfte sich in Richtung SPÖ orientieren. Diese zeigt sich gesprächsbereit, unklar ist, ob die Neos (oder die Grünen) als dritter Partner dazugeholt werden könnten. Heute, Dienstag, äußerte sich Van der Bellen zum weiteren Vorgehen.
Kommentar zum Thema
Der Präsident erinnerte daran, dass die zurückliegende Nationalratswahl kein Rennen sei, „bei dem die Partei, die als Erstes durchs Ziel geht, automatisch die Regierung stellt“. Wer dann alleine regieren wolle, „der muss die 50-Prozent-Hürde überspringen“. Da das nicht passiert sei, müsse man sich entsprechende Partner suchen. Mit 10, 20 oder 30 Prozent könne „niemand alleine das ganze Volk für sich beanspruchen“, erklärte Van der Bellen, wohl mit Blick auf die FPÖ. Zwar sei es bisher üblich gewesen, dass die stimmenstärkste Partei mit der Führung von Koalitionsgesprächen beauftragt wird, „diesmal habe ich das aber nicht getan“.
„Kickl findet niemanden, der ihn zum Kanzler machen will“
In den Gesprächen mit den Parteichefs hätten sich die bisherigen Positionen bestätigt, Kickl wolle regieren, aber niemand mit Kickl als Kanzler. „Herbert Kickl findet niemanden, der ihn zum Kanzler machen will.“ Daher beauftrage er Karl Nehammer (ÖVP) „mit der Regierungsbildung“, das habe er ihm auch persönlich mitgeteilt. Der Präsident erhoffe sich nun ein gutes Aufeinanderzugehen und das Finden von Kompromissen. Nun müsse Nehammer klären, ob eine stabile Mehrheit mit der SPÖ möglich ist oder eine dritte Partei eingebunden werden soll. Es brauche nun Reformen, „ich vertraue auf das Augenmaß der ÖVP, der SPÖ und der anderen Parteien, die an den Verhandlungen teilnehmen werden“, erklärte das Staatsoberhaupt, bevor es wieder hinter der roten Tapetentür verschwand.
Die Neos bekräftigten indes im Anschluss an das Statement des Bundespräsidenten erneut ihren Willen zu einer Regierungszusammenarbeit, man stehe für „ernsthafte Sondierungsgespräche“ bereit. Die freiheitlichen Landesparteien reagierten wiederum mit scharfer Kritik in entsprechenden Aussendungen. Dort ist von einer Koalition der „Gescheiterten“ (Salzburgs Landesparteichefin Marlene Svazek) oder der „Verlierer“ (Steiermarks Landesparteichef Mario Kunasek) die Rede. Niederösterreichs Landeshauptfrau-Stellvertreter Udo Landbauer (FPÖ) kritisierte „Hinterzimmer-Packeleien gegen den Willen der Bevölkerung“.