Woke ist man, wenn man moralisch und politisch immerzu hellwach ist und einem keine Diskriminierung auf dieser Welt entgeht, keine faktische und keine angenommene. Ein wokes Bewusstsein schläft nie. Das haben das woke Bewusstsein und das anti-woke gemein. Das anti-woke will alles sein, nur nicht woke. Beide haben was dezent Obsessives. Beide liegen immerzu auf der Lauer. Beide sind daher tendenziell anstrengend wie alles, was eifert. Wer als Erster einnickt und dem Gegenüber auch nur einen Wimpernschlag eigener Unachtsamkeit schenkt, hat schon verloren.

Der anti-woken ÖVP ist das passiert. Sie hat eine woke, kleingedruckte Attacke ihres grünen Juniorpartners verschlafen. Sie hat im bewusstlosen Zustand ein Gleichstellungsgesetz mitbeschlossen, das die Geschlechter nicht biologisch definiert, also binär, sondern individualistisch: Ich bin der, als der ich mich fühle.

Für eine Minderheit hat das Gültigkeit, und das ist okay so. Jeder, schreibt mein Kollege Ernst Sittinger, ein energetischer Liberaler, soll so leben dürfen, wie er oder sie oder das Dazwischen will. Jeder hat das auszuhalten, Toleranzpatent, Rücksichtnahme, name it. Die Frage sei nur, ob das Gebot der Rücksichtnahme nicht auch reziprok, also auch für die Minderheit, die ein jeder in irgendeiner kleinen Nische ist, Gültigkeit habe: dass gesetzliche Normen am Selbstverständnis der überwiegenden Mehrheit Maß nehmen sollten und die Minderheit, ohne Nachteile zu erleiden, das gelassen aushält. Ohne beispielsweise normativ einzufordern, dass schon Kleinkinder, wie in Wiens Kindergärten üblich, beim Ausfüllen und Anmelden in sieben mögliche Geschlechterkategorien untergliedert werden, bis hin zu „unbekannt“.

Über all das lässt sich trefflich und untrefflich streiten. Dann kann man mit guten und schlechten Argumenten woke sein oder anti-woke.