BC 007 ist einer der Hoffnungsträger, wenn es um die Linderung bestimmter Long-Covid-Symptome geht. Das Präparat von Hersteller Berlin Cures soll jene Betroffenen helfen, die unter Erschöpfung (Fatigue) als Folge einer Covid-19-Infektion leiden und im Blut bestimmte Autoantikörper nachweisbar sind. Zwei Zentren in Österreich, die Klinik Favoriten sowie die Klinik Floridsdorf, beteiligen sich an der Phase-II-Studie. „Unsere beiden Zentren sind mit jenen in Deutschland bislang die aktivsten“, sagt Lungenmediziner Arschang Valipour von der Wiener Klinik Floridsdorf über die Rekrutierung.

Insgesamt sollen 114 Probandinnen eingeschlossen werden, mit ersten Ergebnissen sei im Herbst bzw. bis Ende des Jahres zu rechnen, sagt Valipour. „Zahlreiche Patientinnen und Patienten haben schon das Präparat bzw. das Placebo erhalten.“

BC 007 wäre, wenn erfolgreich, eines der ersten Medikamente, das speziell für die Behandlung von Long Covid entwickelt wurde. Bislang gibt es keine kausale Therapie. Die eine Behandlungsmethode, die eine Pille gegen alle Ausprägungen von Long Covid wird es - aufgrund der unterschiedlichen Krankheitsbilder und Symptome - ohnehin kaum geben können. Was es aber unbedingt braucht, sind Anlaufstellen für Betroffene. Schätzungen auf Basis internationaler Studiendaten gehen davon aus, dass rund 60.000 Personen in Österreich betroffen sind. Rund drei Prozent aller Covid-19-Erkrankten unter den Omikronvarianten entwickeln mehr als drei Monate andauernden Beschwerden. Bei den vorhergehenden Virusvarianten betrug der Anteil an Long Covid sogar bis zu zehn Prozent aller Infizierten. Bei einer Vielzahl der Betroffenen sind die Beschwerden auch noch nach einem Jahr vorhanden.

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ME/CFS-Expertise fehlt in Österreich

Das geplante Referenzzentrum für postvirale Erkrankungen wird diesen Bedarf alleine nicht bedienen können. „Es braucht Anlaufstellen im niedergelassenen Bereich, und es braucht im Spitalsbereich multidisziplinäre Ambulanzen“, sagt Valipour. Diese müssten über ganz Österreich, auch regional verteilt werden. „Die noch größere Herausforderung ist aber der Aufbau von Expertise zu Long Covid und vor allem auch ME/CFS, wo es in Österreich ganz wenig Fachwissen gibt. Wir brauchen Leute, die sich auskennen.“ Patienten, die nach einer Infektion am Chronic Fatigue Syndrom leiden, haben in Österreich keine institutionelle Anlaufstelle, und es gibt auch nur eine Handvoll von Fachleuten, die sich mit dieser Erkrankung gut auskennen.

Bei jenen Long-Covid-Betroffenen, die Valipour und sein Team an der Klinik Floridsdorf in der klinischen Routine – außerhalb der Studie mit BC 007 – behandeln, steht meist eine Lungenerkrankung im Vordergrund, etwa Asthma oder COPD. „Diese Patienten erfahren in den Monaten nach einer Covid-Infektion nicht nur eine Verschlechterung ihrer Lungenerkrankung, wir sehen auch eine erhöhte Infektanfälligkeit.“ Das zeigt sich auch in der Gesamtbevölkerung, abzulesen an den massiv gestiegenen Krankenständen der letzten Monate. „Das ist mit hoher Wahrscheinlichkeit Covid geschuldet, weil das Immunsystem in den Monaten danach ziemlich lahmgelegt wird“, sagt Valipour. Mehrfach-Infektionen stärken das Immunsystem also nicht. Hinzu kommt, dass jede Covid-19-Infektion zu Long Covid führen kann, auch ein sogenannter milder Verlauf. Auch gibt es Hinweise dafür, dass eine Covid-Infektion das Risiko für Autoimmunerkrankungen, etwa Diabetes oder Multiple Sklerose, erhöhen kann.

Das Post-Vac-Syndrom

Häufig wird vor allem in Sozialen Medien diskutiert, dass nicht eine Infektion mit Sars-CoV-2, sondern die Covid-Impfung für die erhöhte Zahl der Krankheitsfälle verantwortlich zeichnet. „Ja, es gibt das Post-Vac-Syndrom, es gibt Betroffene, die nach einer Impfung, Long-Covid-ähnliche Beschwerden haben“, sagt Valipour. „Die Häufigkeit von gemeldeten Fällen ist aber unvergleichbar geringer als jene nach einer Infektion.“

Arschang Valipour ist Vorstand der Abteilung für Innere Medizin und Pneumologie, an der Klinik Floridsdorf
Arschang Valipour ist Vorstand der Abteilung für Innere Medizin und Pneumologie, an der Klinik Floridsdorf © Gesundheitsverbund Wien

Risikofaktoren identifiziert

Abschließend hat die Wissenschaft den Auslöser bzw. die Auslöser noch nicht geklärt. Mehrere Hypothesen werden international diskutiert. Etwa dass Virenreste das Immunsystem auch nach der akuten Infektion beschäftigen, oder dass durch das Coronavirus andere Viren wieder reaktiviert werden, zum Beispiel Herpesviren. „Am Ende wird es wahrscheinlich ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren sein“, sagt Valipour. Gewisse Risikofaktoren sind mittlerweile identifiziert: Frauen sind stärker betroffen, selbes gilt für die Altersgruppe zwischen 30 und 50 Jahren. „Personen mit vorher bestehenden Autoimmunerkrankungen oder Allergien dürften auch eher betroffen sein“, sagt der Experte.

Weil man eine Long-Covid-Erkrankung nicht vorhersagen kann, rät Valipour, Mehrfachinfektionen so gut wie möglich zu vermeiden. Zum einen kann man sich mithilfe der Covid-Impfung schützen, für einige Wochen nach der Verabreichung senkt diese das Risiko sich zu infizieren. Zum anderen kann man sich durch das Tragen von Masken in kritischen Situationen schützen. Ebenso helfen Lüften bzw. Luftfilter das Infektionsrisiko zu senken.