An hitzigen Sommertagen sehnen sich alle nach einer Abkühlung. Aber minus 110 Grad ist vielleicht doch ein bisschen viel. Das ist die Temperatur in der sogenannten Kältekammer des Humanomed-Zentrums in Althofen. „Darin werden wir sie jetzt einfrieren“, scherzt Verwaltungsleiter Markus Terkl. Er hat diese neue Art der Therapie vor zwei Jahren nach Althofen gebracht. „Sie kann von den Patienten im Humanomed, aber auch von externen Kundinnen und Kunden genutzt werden.“

Aus dem Scherz wird nun ernst: Ich werde die einzige Kältekammer im Bezirk St. Veit testen. Drei Minuten bei minus 110 Grad – das soll für die Gesundheit förderlich sein: rheumatische Erkrankungen, Hauterkrankungen, Migräne, Schlafstörungen, Verspannungen und Menopausen-Beschwerden können neben einer generellen Stärkung des Immunsystems und Anregung des Kreislaufes mit der Kältetherapie beseitigt oder gelindert werden. Auch bei der Gewichtsreduktion unterstützt die Kältekammer: Rund 700 Kalorien werden in den drei Minuten verbrannt.

Anspannung vor dem Betreten der Kältekammer, Theresa Horvath legt mir Kopfhörer und Maske an
Anspannung vor dem Betreten der Kältekammer, Theresa Horvath legt mir Kopfhörer und Maske an © Markus Traussnig

Mir all diese positiven Auswirkungen ins Gedächtnis zu rufen, hilft dabei, die Nervosität vor der ersten Sitzung zu senken. Ich streife mir meinen Bikini über und betrachte die blau beleuchtete Kabine. „Sie werden sich danach unglaublich gut und erholt fühlen“, macht mir Theresa Horvath Mut. Der kleine Bildschirm ihres Pulsmessgeräts zeigt einen normalen, wenn auch leicht erhöhten, Herzschlag. Meine ärztliche Bestätigung habe ich der Therapeutin bereits ausgehändigt, denn ohne diese darf niemand die Kältetherapie durchführen.

Betreten der Kältekammer

Jetzt heißt es, einen kühlen Kopf bewahren. Das sollte angesichts der Temperaturen ja kein Problem sein. Horvath setzt mir Kopfhörer auf und legt mir eine Maske an. „Damit das Atmen leichter fällt“, erklärt sie. Der Körper schaltet bei minus 110 Grad sehr schnell in den Notbetrieb. Die Gliedmaßen werden weniger durchblutet, um wichtige Organe zu schützen. Aus diesem Grund trage ich zudem zwei Paar Handschuhe und Schuhe um meine Körperextremitäten.

Handschuhe und Schuhe schützen die äußersten Glieder
Handschuhe und Schuhe schützen die äußersten Glieder © Markus Traussnig

In der Vorkammer herrschen bereits kühle Temperaturen von minus 28 Grad. Über den Kopfhörer bekomme ich schließlich die Anweisung, die Kältekammer zu betreten. Eisiger Nebel weht mir beim Öffnen der Türe entgegen. Ich atme nochmals tief durch. Gedanklich spreche ich mir selbst gut zu. Der Kälte entgegenzugehen, kostet nämlich Überwindung. Ich überschreite die Türschwelle und schließe die Türe hinter mir. Ich bin drin, in einem Gefrierschrank mit minus 110 Grad.

Durchhalten

Der erste Gedanke: Wow! Das ist im wahrsten Sinne des Wortes „cool“. Horvath beobachtet mich durch die Glasscheibe der Kältekammer und zeigt mir zwei Daumen. Sie will wissen, ob es mir gut geht. Ich hebe meine Daumen ebenfalls, zeige also an: „Ja, es geht mir gut.“

Theresa Horvath stellt sicher, dass alles passt
Theresa Horvath stellt sicher, dass alles passt © Markus Traussnig

Plötzlich beginnen meine Beine und meine Arme zu kribbeln. Wie an einem kalten Wintertag „beißt“ die Kälte auf der Haut. Der Timer zeigt erst eineinhalb Minuten. Soll ich abbrechen und die Kältekammer verlassen? Wenn ein solcher Gedanke kommt, muss man den Schalter umlegen. Stichwort „kühler Kopf“. Ich vergesse alles rund um mich und verfalle in eine Art Trance. Ich höre die Musik im Kopfhörer nicht mehr, und denke nur an eines: „Atmen! Langsam und ruhig atmen.“

Es wirkt fast, als hätte mein Hirn meinen Körper verlassen. Der Blick richtet sich auf die Uhr. Noch eine Minute. „Das schaffst du“, sage ich mir selbst und spüre kaum, was mit meinem Körper passiert. Horvath wird es mir später erklären.

„Beep, beep, beep.“ Der Timer klingelt, in der Kabine blinkt ein grünes Licht. Drei Minuten. Schnell öffne ich die Türe und schwindle mich durch einen Spalt in die Vorkammer. Geschafft!

Sobald man aus der Kältekammer steigt, fühlt man sich „erfrischend“ neu - als wären die Batterien wieder aufgeladen
Sobald man aus der Kältekammer steigt, fühlt man sich „erfrischend“ neu - als wären die Batterien wieder aufgeladen © Markus Traussnig

Das Gefühl danach

Nach weiteren fünf Sekunden zur Akklimatisation an die gewohnte Temperatur darf ich raus. Da überkommt mich ein großes Lächeln. „Das sind die Endorphine. Die Glückshormone, die nach der Kälteanwendung ausgeschüttet werden“, sagt Horvath, als sie mich über das ganze Gesicht strahlen sieht. Horvath findet die passenden Worte für das Gefühl danach: „Man kann es sich vorstellen, wie bei einem Computer, den man mal herunterfährt, um dann wieder neu zu starten.“

Die Therapeutin ist selbst jeden Tag in der Kältekammer: „Es hat Suchtfaktor, weil es sich auf die Psyche eben so positiv auswirkt.“ Auch Spitzensportler nutzen die kalte Kabine zur Regeneration. Horvath erklärt den Vorgang im Körper: „Es kommt mehr Sauerstoff in die Zellen. Die Organe werden vermehrt durchblutet.“

Kältetherapie – noch nicht ganz etabliert

Trotz der vielen positiven Auswirkungen wird die Kältekammer Patientinnen und Patienten nicht allzu oft verschrieben. Das Problem: es gibt keine Studien dazu, denn für eine Kontrollgruppe kann man Kälte nicht simulieren. Außerdem reagiert jeder Körper individuell auf den Kälteschock. „Man muss es einfach ausprobieren“, findet Markus Terkl. Im Humanomed-Zentrum kostet eine Anwendung 30 Euro. „Gleich gegenüber gibt es übrigens die Wärmetherapie, bei welcher man sich dann aufwärmen kann“, lacht Terkl. Man entspannt sich dabei auf heißem Quarzsand liegend.

Humanomed-Zentrum als Vorreiter

Das Humanomed-Zentrum in Althofen sei ein Vorreiter im Bereich „Kur und Rehabilitation“. Diesen Status möchte man nicht verlieren, sagt Terkl: „Wir entwickeln uns jedes Jahr weiter. Unser Gründer und Eigentümer hat einmal gesagt: Stillstand ist immer Rückschritt.“

Markus Terkl
Markus Terkl © Markus Traussnig

So gibt es sogar ein eigenes IT-Unternehmen innerhalb der Humanomed-Gruppe. Das Krankenhausinformationssystem sowie Apps mit digitalen Therapieplänen wurden selbst entwickelt. „Derzeit arbeiten wir gerade an VR-Brillen. Mit diesen sieht man dann den Therapeuten vor sich, während man die Übungen mitmacht“, blickt Terkl in die Zukunft.

Kärntner Firma steckt hinter Kältekammer

Die Kältekammer werde gut angenommen. Im Jänner 2023 ging sie erstmals in Betrieb, 2100 Anwendungen wurden im Vorjahr durchgeführt. „25 Prozent davon waren externe Kunden.“ Gekauft wurde die Anlage übrigens von der Kärntner Firma „Panacool“. Die Kosten belaufen sich im Normalfall auf 200.000 Euro.

Um die Temperatur konstant auf minus 110 Grad zu halten, braucht es allerdings eine starke Stromleistung. „Circa 625 Kilowattstunden pro Woche“, beziffert Terkl den Verbrauch im Humanomed-Zentrum Althofen.

Während der Laufzeit ist sie meistens voll ausgebucht. Vor allem im Sommer ist die erfrischende Abkühlung im Kurzentrum beliebt. Sich drei Minuten lange „einfrieren zu lassen“, ist auf jeden Fall eine einzigartige Erfahrung mit angenehmen Auswirkungen auf den Körper. Die Batterien sind nach dem Gang in die Kältekammer für die nächsten Tage wieder aufgeladen.