Christof Aichholzer spaziert in Goritschach über sein Grundstück. Die über 1,5 Hektar große Fläche mit Wald und Haus hat er vor rund einem Jahr gekauft. „Hier war einmal die Bodenplatte der Küche“, zeigt Aichholzer. Selbst mit enormer Vorstellungskraft ist davon nichts mehr zu erkennen. Von Wohn-, Schlaf- und Badezimmer fehlt ebenfalls jede Spur. Das Grundstück gleicht einem Trümmerfeld.
Verantwortlich dafür war ein Hangrutsch am 7. August des vergangenen Jahres. Die starken Regenfälle lockerten den Erdboden, mehrere Tausend Kubikmeter an Erdmasse, Gestein und Geröll lösten sich. Ein riesiger Fels kam erst in Aichholzers Haus zum Stehen. Wenige Stunden zuvor wurden die Familien vorgewarnt, wodurch die Häuser rechtzeitig verlassen wurden. Aichholzer musste nun das halbe Gebäude abreißen. „Diesen Bereich hätten wir hergerichtet und meiner Tochter gegeben“, erzählt der Familienvater.
Familie wurde krank
Fast sechs Monate danach machen sich Verzweiflung, Wut und Enttäuschung breit. Während seit Ende Dezember drei benachbarte Häuser in der Gemeinde Ebenthal offiziell wieder bewohnt werden dürfen, sieht die Lage bei ihm und Nachbar Silvio Ambrosch anders aus. Beide Familien bleiben weiterhin evakuiert, dürfen ihre Grundstücke nur eingeschränkt betreten. Aichholzer wohnt mit seiner Familie in Ferlach, Ambrosch im Haus der Eltern im Nachbarort Rotschitzen. Seine Oma erlitt wenige Tage nach dem Rutsch einen Schlaganfall, sein Sohn trug psychische Probleme davon. „Mittlerweile geht es beiden wieder soweit gut. Der Kleine fragt ständig, wann wir wieder rauf dürfen“, erzählt Ambrosch, während er über die sichernden Panzersperren des Bundesheers hinweg auf sein Haus blickt.
Eine Frage, auf die es keine Antwort gibt. Aichholzers Haus liegt am Hangfuß der Rutschmasse, bei Ambroschs Zuhause „ist die Vorwarnzeit zu kurz, um eine Evakuierung aufzuheben“, heißt es aus dem Büro von Katastrophenschutzreferent Daniel Fellner (SPÖ). Die Rutschung ist derzeit „unauffällig“, für die freigegebenen Häuser ist die Evakuierung trotzdem nur ausgesetzt. Sollte sich die Masse wieder bewegen, müssten die Familien ihre Häuser wieder verlassen.
Arbeiten selbstständig durchgeführt
Bewegen wird sich momentan aber nichts. Steinhart präsentieren sich die gefrorenen Geröllmassen, über die Aichholzer und Ambrosch empor wandern und sich einen Überblick verschaffen. Gut sichtbar von hier wird eine Straße, die aus dem Westen zum Schauplatz führt. „Die habe ich selbst gemacht, um den Bauschutt wegfahren zu können“, sagt Aichholzer. Den Abriss der beschädigten Haushälfte sowie den Abtransport übernahm er auf eigene Faust. „Wir haben keine Unterstützung bekommen. Nur die Gemeinde ist bemüht, die hat aber auch nur begrenzte Möglichkeiten“, erzählt der Vater kopfschüttelnd. Rote Markierungen stecken alle paar Meter in der Erde, einzelne Bäume wurden gefällt. Mehr hat sich zu seinem Ärger in den vergangenen Monaten nicht getan.
Warum haben die Aufräumarbeiten noch nicht begonnen? „Die Sicherheitsbeurteilung durch die Geologen wegen möglicher Nachrutschungen und Steinschläge hat dies nicht zugelassen“, erklärt Hannes Burger von der Wildbach- und Lawinenverbauung. Aktuell beobachtet man mittels Monitoringsystem jede Hangbewegung. „Bei den Niederschlägen im November konnten von den Geologen deutliche Nachsetzungen der Rutschmasse festgestellt werden“, sagt Burger. Gleichzeitig prüft man mehrere Varianten zum Schutz der fünf Häuser im Gebiet. 100.000 Euro kostet das Vorprojekt, das den Bau eines Schutzdamms zur Folge haben soll. „Nicht ins eigene Heim zu dürfen, ist unglaublich belastend und kaum zumutbar, das ist uns mehr als bewusst. Deshalb wird so rasch gearbeitet wie nur irgendwie möglich. Wir bitten hier um etwas Geduld“, sagt Landesrat Fellner.
Aichholzers und Ambroschs Geduldsfäden sind aber bereits gerissen. Die Unwissenheit, wann was passiert, plagt die Männer. Und ob das, was von Aichholzers Haus noch steht, überhaupt zu retten ist, steht ebenfalls in den Sternen. Mit einem Hammer reißt er vier Nägel aus einer Pressspanplatte, die als Eingangstür dient. In den verlassenen Wohnräumen angekommen, offenbaren sich schwarz-weiße Wände, die von Schimmel befallen sind. „Thema wird jetzt werden, wer das hier zahlen wird. Meine Versicherung wird sich sicher querstellen“, ist sich der Rosentaler sicher. Wie viel Geld er bereits investierte und auf wie viel er womöglich sitzenbleiben wird, weiß er nicht oder möchte er nicht sagen. Auch hier quält ihn die Ungewissheit, mit der er noch länger über sein Grundstück spazieren wird.