Verzweifelt blickt Silvio Ambrosch auf das Haus seiner Großeltern. In der Weihnachtszeit hätte der Familienvater mit seiner Frau, seiner vierjährigen Tochter und seinem sechsjährigen Sohn hier einziehen sollen. Monatelang arbeitete er am Zubau, damit für alle genug Platz ist. Ob seine Familie und die Großeltern jemals wieder ins Haus in der Ortschaft Goritschach einziehen werden, ist seit dem 7. August aber völlig unklar. In jener Nacht rutschte durch die starken Regenfälle ein riesiger Fels auf das Nachbargebäude. Ein Teil des Hauses, das erst kürzlich eine Familie kaufte, ist zerstört. Diese zwei sowie drei weitere Häuser gelten noch immer als evakuiert.

Ein Monat nach dem Unwetter hört man in Ambroschs Stimme noch immer die Fassungslosigkeit, wenn er vor den Panzersperren steht, die sein Haus umzäunen, und von den letzten Wochen erzählt. Er wuchs hier auf, sein Elternhaus liegt im Nachbarort Rottenstein. Alle kommen jetzt nach den Ereignissen dort unter. "Meine Oma hat das nicht gut verarbeitet", erzählt der Elektriker. Nur wenige Tage nach der Evakuierung erlitt sie einen Schlaganfall. Sie liegt noch im Krankenhaus.

Gesundheitliche Folgen bei Oma und Sohn

Stark belastet die Situation auch seinen Sohn. Der Sechsjährige leidet seit dem Unwetter an Angstzuständen und befindet sich in Therapie. Ambrosch selbst quält die Ungewissheit. Noch immer knackst es im Wald, Steine purzeln regelmäßig vor die Häuser. Ob die Familien jemals wieder zurückkehren können, ist fraglich. Der 36-Jährige hofft. "Aber wenn man sich das anschaut, weiß ich es nicht. Es ist schwer einzuschätzen. Ich realisiere erst jetzt, dass man vielleicht alles aufgeben muss."

Allzu optimistisch klingt auch Christian Orasch (SPÖ), Bürgermeister der Gemeinde Ebenthal, nicht. Nächste Woche soll klar sein, ob eine Rückkehr irgendwie möglich sein wird. "Überlegt wird die Umsetzung eines Schutzwalls", sagt Orasch. Planung und Bau würden knapp ein Jahr dauern. Gleichzeitig prüft er, ob eine frühere Rückkehr mit Eigenverantwortung rechtlich möglich ist. Ob jemand dieses Risiko eingehen würde? Ambrosch zumindest nicht. Die Angst, dass etwas passiert, ist zu groß.

Guntschach siedelt um

Temporär umziehen muss auch Claudia Dreschl. Die Guntschacherin siedelt mit ihrer Familie in eine Wohnung in Maria Rain. Insgesamt suchten rund 30 Personen aus der Ortschaft Ersatzquartiere. Nach einem Felssturz im Dezember musste ein Notweg in den Ort gebaut werden. Die Unwetter zerstörten diesen jedoch auch endgültig. Mit dem Pkw kommt niemand rein oder raus.

Die Situation ist nervenaufreibend, erzählt Dreschl. Sie und viele andere fühlen sich im Stich gelassen. "Jeder Tag ist anders und man weiß nicht, was passiert. Viele sind psychisch angeschlagen", erzählt Dreschl.

Die Fähre des Bundesheers ist in Guntschach vorerst Geschichte
Die Fähre des Bundesheers ist in Guntschach vorerst Geschichte © APA/BUNDESHEER/ARNO PUSCA

15 Personen bleiben in der Ortschaft. Diese ist nur über einen Waldweg zu Fuß erreichbar. Das Bundesheer beendete seinen Assistenzeinsatz und somit auch den Fährbetrieb über die Drau. Bürgermeister Franz Ragger (SPÖ) hofft, dass die Valentinsfähre, betrieben von einem Verein, den Wasserweg irgendwie aufrechterhalten kann.

Der Tag der Erlösung soll mit 15. Dezember kommen. Dann soll die blockierte Straße wieder befahrbar sein. So richtig glauben möchten das aber die wenigsten. Die Zelte für immer abzubrechen, kommt für Dreschl nicht infrage: "Die Häuser gehören schon lange den Familien. Das ist keine Option."

25.000 Euro für Aufräumarbeiten

In ihr Haus zurückgekehrt ist dafür Martina Greger. Eine Mure erwischte am 4. August ihr Grundstück in Waidisch. Bis zu einem Meter hoch waren die Erdmassen, die sich in zwei der drei Häuser festsetzten. Nach drei Tagen in einem Ersatzquartier sitzt sie heute auf den Geröllmassen in ihrem Garten und den Kosten für die Entfernung. Ein erstes Angebot lag bei 25.000 Euro. Undenkbar für die behinderte Frühpensionistin.

"Man muss sich um alles selbst kümmern", ärgert sich Greger. Vor acht Jahren suchte und fand die Klagenfurterin "Ruhe und Idylle" im Ferlacher Ort. Jetzt muss ihr 200 Jahre altes Bauernhaus komplett saniert werden. "Keine Bank würde mir einen Kredit geben", sagt die 56-Jährige, die nun auf Spenden hofft. Mit einem Schlag wurde aus einer Idylle – wie für viele weitere Unwetteropfer – nur Verzweiflung.