Der Wind weht sanft über die saftig grüne Wiese und verbreitet den Duft von frischer Melisse, Pfefferminz, Thymian und Salbei rund um den Garten des bekannten Doms zu Gurk. Die Heimat von Kärntens Schutzpatronin, der heiligen Hemma von Gurk, zieht nicht nur religiöse Pilger oder Geschichtsbegeisterte an - viele Touristen kommen auch hierher, um sich auf die Spuren des Gurktalers zu begeben. „Dieser Schnaps ist für uns Gold“, sagen drei Schweizer, die heute auf ihrer Österreichtour einen Zwischenstopp eingelegt haben. „Um den Gurktaler zu kaufen.“
Wie konnte dieser Alpenlikör, der in Gurk in kleinstem Rahmen hergestellt wird, so große Bekanntheit erlangen? Mehr als eine Million Flaschen pro Jahr werden jährlich in Handarbeit hergestellt, 45 Prozent davon landen übrigens in Deutschland.
Herstellung im Domkeller in Gurk
Das Team für Produktion und Vermarktung besteht nur aus fünf Personen. Es ist eine beschauliche Gruppe innerhalb eines großen Unternehmens, das sich die Verbreitung des Gurktaler Alpenlikörs zur Aufgabe gemacht hat. „Fast alle Kräuterliköre sind aus getrockneten Kräutern. Aber bei uns wird alles vor Ort, frisch in der Probstei zubereitet. Das ist einzigartig“, unterstreicht Markenführerin Andrea Burger.
Geheime Rezeptur
Alles beginnt im Kräutergarten, wo Familie Ruhdorfer verschiedenste Kräuter anpflanzt, pflegt und schließlich erntet. Zum Hauptbestandteil des Likörs zählen Pfefferminze, Zitronenmelisse, Salbei, Origano und Thymian. Die Rezeptur und die restlichen Kräuter sind streng geheim. Nur so viel sei verraten: „Es ist von Ernte zu Ernte unterschiedlich, wie viel von welchen Kräutern in den Gurktaler kommt.“
Kräutermeister Johann „Hans“ Grames probiert in seinem Keller viel aus, bevor er die perfekte Mischung findet: „Nur kleine Nuancen machen den Unterschied aus“, sagt er. So hat beispielsweise das Wetter einen großen Einfluss auf die Anpassung der Rezeptur. Sind die Kräuter saftig, werden sie über kürzere Zeit angesetzt. Man passt sich an die Witterung an, denn die Herstellung ist vollkommen biologisch. „Das ist uns sehr wichtig, es wird nichts gespritzt.“ Dafür nimmt man Ausfälle in Kauf: „Heuer mussten wir beim Thymian komplett nachsetzen, wegen des Frostes im April.“
Aus Kräutern wird Alkohol
Nach der Ernte im Kräutergarten werden die einzelnen Pflanzen frisch und separat verarbeitet. Begonnen wird damit Mitte Juni mit Pfefferminze und Melisse. „In der Früh sind die Kräuter am frischesten“, erklärt Grames, während er ein Metallfass im Keller nach unten schraubt. In diesen Fässern werden die Kräuter mazeriert - also in Alkohol eingerührt. Sie ruhen drei bis fünf Tage und geben dabei ihre Inhaltsstoffe ab.
Der Geruch aus den Mazerationsbehälter ist sehr intensiv. Die ätherischen Öle, die freigesetzt werden, sind so stark, dass ein Gefäß aus Kunststoff von dem Gemisch zerfressen und zerstört werden würde. 78 Prozent beträgt der Alkoholgehalt des mazerierten Salbei, der nur bei vorsichtiger Berührung bereits auf der Zunge brennt.
Die einzelnen Flüssigkeiten werden schließlich destilliert und „nach geheimer Rezeptur mit Feinabstimmung“ zu einem Kräutercocktail vermischt. Dann endet der Herstellungsprozess in Gurk. Bei Bestellung geht der Kräutercocktail nämlich nach Salzburg, in die Mozartdestillerie, wo er mit Zucker schmackhaft gemacht, und abgefüllt wird. Das Endprodukt - der Gurktaler - hat einen 27-prozentigen Anteil an Alkohol. Er wird aber nicht nur wegen des kräftigen Geschmacks, sondern auch aus gesundheitlichen Gründen getrunken, vor allem zu Beginn seiner Existenz.
Erfunden wurde das Getränk 1956 von Richard Bittner. Bis 2006 wurde der Gurktaler in Weitensfeld hergestellt, dann kaufte die Underberg-Gruppe das Unternehmen und verlegte den Sitz in die Mauern des heiligen Doms zu Gurk.
Seither wächst die Bekanntheit des österreichischen Kräuterlikörs immer weiter. „Wir haben einen Online-Shop eingerichtet, der auch schöne Geschenkartikel wie Gläser und Liegestühle beinhaltet“, sagt Markenbotschafter Thomas Stranner. Er war vorher Leiter des JUFA-Hotels in Gurk. „Wir profitieren von der Bekanntheit des Gurktalers“, bemerkt seine Nachfolgerin und jetzige Leiterin des Hotels Karin Mena Liriano. So gibt es einen kleinen Verkaufsshop im JUFA-Gebäude.
Neuer Gurktaler-Spritzer
Dort werden auch die neuesten Produkte verkauft. „Wir haben einen Alpen-Aperitif entwickelt, der 2022 auf den Markt gekommen ist. Das Getränk aus Gurktaler und Sanddorn kommt sehr gut an“, erzählt Berger. Aus diesem Grund gibt es seit diesem Jahr noch eine Neuheit: den Sanddorn-Gurktaler als Spritzer in der Dose. „Die Zeit ist gekommen, um den Aperol Spritzer abzulösen“, lacht die Markenleiterin: „Unser Alpen-Aperitif eignet sich zur Herstellung von verschiedenen Cocktails.“
Alpenkräuterdorf Gurk
Der orangefarbene Alkohol wird bereits vielerorts angeboten. Im Schlosshotel Velden, bei der Veranstaltung „Wenn die Musi spielt“, oder in Kärntner Skihütten beispielsweise. Markenbotschafter Thomas Stranner und Gurktaler-Markenführerin Andrea Berger haben noch viel vor: „Wir wollen Gurk zum Alpenkräuterdorf machen. Aber das ist noch Zukunftsmusik.“
„Ausgezeichneter“ Kräuterlikör
Passend dazu fand im Vorjahr erstmals ein Kräuterkirchtag in Gurk statt. Dabei lud man nach der traditionellen Kräuterweihe zu einem großen Fest im Innenhof des Stifts. Gefeiert wurde zudem die Auszeichnung als „Kräuterlikör des Jahres“ beim International Spirits Award.
Dass die alkoholische Kräutermischung aus den Gurktaler Alpen auch bei der Fachjury gut ankommt, ist für das kleine Team ein großer Erfolg. Im Domstiftsgarten ist die Idylle davon nicht gestört. Die Kräuter sprießen hier seit Jahrzehnten in Einklang mit der Natur vor sich hin. Unverdrossen und in aller Ruhe.