Das Konzept ist so simpel, man möchte kaum glauben, dass es Jahrzehnte nach der Erstveröffentlichung noch nicht langweilig geworden ist. Bunte Blöcke und Figuren fallen vom Himmel und der Spieler, der vor dem Bildschirm sitzt, muss versuchen, sie geordnet am Boden landen zu lassen. Keine Luft soll zwischen den Blöcken entstehen. Sonst stapeln sich die Tetris-Steinchen zu einem unüberwindbaren Turm, der irgendwann keinen Platz mehr auf dem Bildschirm hat. Game Over. Für den Spieler, aber nicht für das Spiel. Denn Tetris kann seit Jahrzehnten die Videospiel-Fans der Welt überzeugen und feiert am 6. Juni 2024 sein 40-jähriges Jubiläum.
Das puzzleartige Videospiel wurde in der Geschichte über 520 Millionen Mal verkauft und gehört zu den erfolgreichsten Videospielen der Geschichte. Tetris, dessen Name sich aus dem griechischen Wort „Tetra“ (übersetzt für vier, da jede Figur in Tetris aus vier kleinen Würfeln besteht) und der Lieblingssportart (Tennis) des Entwicklers, zusammensetzt, ist nicht nur ein Videospiel, sondern auch ein Zeitzeuge des Kalten Krieges.
Großer Lizenzstreit
Der sowjetische IT-Experte Alexei Paschitnow veröffentlichte am 6. Juni 1984 die erste Tetris-Version für seinen Computer. Das Spiel bereitete nicht nur Paschitnow Freude, sondern fand auch bei seinen Kollegen bzw. in der ganzen Sowjetunion Anklang. Das Spiel verbreitete sich im Laufe der Zeit im ganzen Ostblock, erste Raubkopien schafften es auch über den Eisernen Vorhang. Paschitnow hatte in der Zwischenzeit seine Rechte am Spiel an die Sowjetunion abgetreten, die sich im Lizenz-Streit mit den großen Spielefirmen Atari, Maxwell und Nintendo befand, die das Spiel im Westen unter die Leute bringen wollten. Das Spiel war heiß begehrt, die Lizenzen hart umkämpft. Schlussendlich setzte sich das japanische Spieleunternehmen Nintendo durch und fuhr mit dem Spiel einen Riesenerfolg ein.
Die Gründe für den Erfolg
Dass Tetris zu so einem großen Erfolg geworden ist, sei aufgrund der gegebenen Umstände erstaunlich, sagt Videospiel-Forscher und Studienprogrammleiter des Masterprogramms „Game Studies and Engineering“ an der Universität Klagenfurt, Felix Schniz: „In der Mitte der 1980er Jahren waren Videospiele vor allem in den USA auf dem absteigenden Ast. Trotzdem hat es Tetris geschafft, in dieser Phase eine enorme Popularität zu entwickeln. Die Geschichte von Tetris und seine Rolle als Meilenstein der Videospielgeschichte haben zahlreiche Bücher gefüllt.“ Laut Schniz gibt es einige Erfolgsfaktoren für den nachhaltigen Erfolg des Videospiels.
Einerseits beruht das Spielprinzip auf dem Grundsatz „einfach zu lernen, schwierig zu meistern“. Das bedeutet, dass die Steuerung und die Grundidee des Spiels einfach zu verstehen sind, aber die sich immer steigernde Geschwindigkeit, in der die Blöcke gen Boden fallen, das Spiel schwieriger machen. „Mit diesem Grundsatz schafft man so zum Beispiel auch Zugänglichkeit für verschiedene Alters- und Expertengruppen. Tetris verbindet auch Generationen“, sagt Schniz.
Das zeigt auch die Geschichte von Willis Gibson. Obwohl Tetris schon seit 34 Jahren auf der Konsole Nintendo Entertainment System (NES) gespielt werden konnte, war der 13-jährige US-Amerikaner der erste, der das Spiel Anfang des Jahres 2024 durchspielen konnte. „Durchspielen“ bedeutete in diesem Fall, dass der Bildschirm des Spiels bei der ultimativen Höchstpunktezahl eingefroren ist.
Andererseits sei die Verankerung in der Popkultur ein weiterer Erfolgsgarant gewesen. Die eingängige Melodie des Spiels ist vermutlich auch Leuten ein Begriff, die recht wenig mit dem Spiel zu tun haben. „Das ‚Tetris-Lied‘ wurde in der Sketch-Comedy oder in Filmen verwendet, wenn zum Beispiel Logik-Puzzles dargestellt werden sollen“, so Schniz und fügt hinzu, dass Tetris, neben Ego-Shootern, immer dann in Film-Produktionen verwendet worden sei, wenn man klischeehaft ein Videospiel darstellen wollte. „Wenn man diesen Status erreicht hat, ist man auch nach 40 Jahren noch ein erfolgreiches Spiel“, sagt der Videospiel-Experte.
Game Boy als Rutsche
Zusätzlich spielte die Veröffentlichung des „Game Boys“ dem Spiel auch in die Karten, da Tetris dem „Game Boy“ in Europa als Spiel beigelegt wurde. Die handliche und tragbare Konsole des Spieleherstellers Nintendo wurde zum Verkaufsschlager und Tetris kam unter die Massen.
Nachhaltig setzte sich auch das Spielkonzept durch und wurde zum Wegbereiter für andere Spiele. Die weltberühmte „Candy Crush Saga“ oder das Handyspiel „Royal Match“ sind nur ein paar Beispiele, die das Tetris-Konzept neu interpretieren. In der Videospielwelt vertrauen große Studios oft auf vertraute Mechaniken. Folgeproduktionen orientieren sich oftmals an Spielen, die gut vom Publikum angenommen werden. Zugleich dürfen sie nicht zu ähnlich sein. „Man muss neue Elemente einbringen, die den Reizfaktor und die Popularität erhöhen. Ich sage in Lehrveranstaltungen immer: ‚Das Vertraute ist gut, die gekonnte Variation ist noch besser.‘ Wenn du den Leuten etwas gibst, was sie kennen, werden sie glücklich damit - aber nur, wenn du die erfolgreichen Kernkonzepte beibehältst und es stetig um neue innovative Komponenten ergänzt“, so Schniz. So lebt auch in anderen Spielen der Tetris-Gedanke weiter und nährt weiterhin den Erfolg des Kultspiels.
Wer nun Lust auf eine Runde Tetris bekommen hat: Hier kann man auf der offiziellen Seite des Spielklassikers eine Runde Tetris spielen.