Nicht nur juristische Personen, sondern vermehrt auch natürliche Personen, die kein Unternehmen betreiben, haben mit den Auswirkungen der Finanzmarktkrise zu kämpfen. Strengere Kriterien bei der Vergabe von Wohnkrediten (Stichwort KIM-Verordnung), die allgemeine Teuerung sowie gestiegene Energiekosten und Rohstoffpreise sind nur ein paar Gründe, die zu finanziellen Schwierigkeiten führen können.

Die Rechtsanwältin Randa Mikhaeil von der Grazer Kanzlei hba-Rechtsanwälte hat unter anderem Kika-Leiner 2023 beim Insolvenzverfahren begleitet. Sie sagt: „Die meisten verbinden mit einer Insolvenz im klassischen Sinne vor allem das Scheitern und die Zerschlagung eines Betriebes. „In der öffentlichen Wahrnehmung ist der Begriff negativ behaftet.“ Dabei ist die gleichmäßige Befriedigung der Insolvenzgläubiger nur ein – wenn auch bedeutsamer – Zweck des Insolvenzverfahrens. „Ein weiteres, in der jüngeren Rechtsentwicklung zunehmend in den Vordergrund gerücktes Verfahrensziel, ist die Sanierung des Schuldners bzw. des schuldnerischen Unternehmens. Mit den insolvenzrechtlichen Bestimmungen sind aber nur wenige vertraut, die Begriffe werden ständig verwechselt.“

So fängt es an

In der Regel ist eine Zahlungsschwierigkeit das erste Indiz einer drohenden Insolvenz. In der Praxis sind es häufig die Forderungen von Abgabenbehörden oder Körperschaften des öffentlichen Rechts (etwa ÖGK), die nicht oder nur teilweise bedient werden können; häufig geht damit die Hoffnung einher, später nachzahlen zu können. „Dabei sieht die Rechtsordnung gerade zugunsten dieser öffentlichen Stellen zahlreiche Maßnahmen zur Erleichterung der Durchsetzung von Forderungen bei Zahlungsverzug vor und wird davon auch regelmäßig Gebrauch gemacht, wenn man nicht rechtzeitig eine Ratenzahlung oder Stundung vereinbart hat“, wie Mikhaeil betont.

Was viele nicht wissen: „Auch im Stadium früher Zahlungsschwierigkeit kann bereits eine Insolvenzantragspflicht gegeben sein – selbst im Falle einer unverschuldeten finanziellen Notlage. Die rechtzeitige Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist ein wichtiges Anliegen sämtlicher Verfahrensbeteiligter“ Die Konsequenzen einer Missachtung wären nicht nur zivilrechtlicher Natur – Stichwort Insolvenzverschleppung –, sondern auch strafrechtlicher: Denkbar wäre eine Strafbarkeit wegen betrügerischer Krida oder grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen.

Deshalb der Rat, schon frühzeitig eine Rechtsberatung einzuholen – auch um abzuklären, ob eine außergerichtliche Einigung mit den Gläubigern noch möglich und aussichtsreich ist oder ob ohnehin schon die Zeit für die Einleitung eines gerichtlichen Insolvenzverfahrens gekommen ist. Mikhaeil: „Nach den Vorschriften der österreichischen Insolvenzordnung ist der Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber 60 Tage nach dem Eintritt des Insolvenzgrundes zu stellen.“ Wann genau ein Insolvenzgrund, konkret Zahlungsunfähigkeit und oder insolvenzrechtlich relevante Überschuldung, eingetreten ist, kann, so Mikhaeils Erfahrung, freilich meistens nur ein Buchsachverständiger beurteilen.

Sanierung oder Konkurs

Abhängig von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eines Unternehmens gibt es verschiedene Möglichkeiten an Insolvenzverfahren: Restrukturierungsverfahren, Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung, Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung und Konkursverfahren. „Insolvenzverfahren“ ist jedenfalls der Überbegriff. Worst Case ist, wie Mikhaeil betont, das Konkursverfahren. Hier wird ein Masseverwalter bestellt, der das Unternehmen liquidiert. Einfach gesagt: Er sieht sich an, welche Vermögenswerte da sind, und „versilbert“ sie. Was hereinkommt, wird als Quote gleichmäßig an alle Gläubiger ausgeschüttet.

Das Sanierungsverfahren hingegen hat für Schuldner den Vorteil einer Restschuldbefreiung, wenn der vorgeschlagene Sanierungsplan des Schuldners von den Gläubigern angenommen und der Plan nach den gesetzlichen Vorgaben auch erfüllt wird. „Das macht einen Neustart des Unternehmens möglich, egal, ob es sich um ein großes oder um ein kleines Unternehmen handelt.“

In der Praxis werden die meisten Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung durchgeführt – also durch einen Insolvenzverwalter. „Das hat den Vorteil, dass der Schuldner eine Mindestsanierungsquote von nur 20 Prozent anbieten muss, zahlbar binnen zwei Jahren,“ sagt Mikhaeil. Strebt ein Unternehmer eine Sanierung mit Eigenverwaltung an, sind mindestens 30 Prozent als Sanierungsquote anzubieten, was bei Verbindlichkeiten in Millionenhöhe einen deutlichen Unterschied ausmacht.  

„Privatkonkurs“

Darüber hinaus gibt es Sonderbestimmungen für natürliche Personen, die kein Unternehmen betreiben. Wenn ein solcher Schuldner betroffen ist, trägt das Verfahren die Bezeichnung „Schuldenregulierungsverfahren“ – umgangssprachlich ist von Privatkonkurs die Rede. Mikhaeil: „Das wohl praktisch bedeutsamste Instrumentarium zur Entschuldung in dem Zusammenhang ist aus meiner Sicht der Zahlungsplan. Der Zahlungsplan ist eine speziell auf die Bedürfnisse natürlicher Personen zugeschnittene Form des Sanierungsplans.

Im Gegensatz zum Sanierungsplan ist für den Zahlungsplan aber keine zahlenmäßig fixierte Mindestquote vorgeschrieben.“ Diese Quote kann – abhängig von der Einkommenslage des Schuldners innerhalb eines bestimmten Zeitraumes - durchaus auch im einstelligen Bereich liegen. Man sieht sich an, was jemand in einem bestimmten Zeitraum verdienen kann, und berechnet auf dieser Basis die Höhe der sogenannten relativen Mindestquote. Mikhaeil: „Viele unserer Klienten bieten freiwillig höhere Zahlungen an, um den jeweiligen Zahlungsplan durchzubringen. Wir haben auch schon Schuldenregulierungsverfahren begleitet, in denen die Gläubiger einer rund 6-Prozent-Quote zugestimmt haben.“   

Kommt kein Zahlungsplan zustande, weil überhaupt kein pfändbares Einkommen da ist, oder der Plan nicht angenommen wird, gibt es als letzten Ausweg die Möglichkeit, einen Abschöpfungsplan oder Tilgungsplan einzuleiten. Der Grundgedanke des Abschöpfungsverfahren ist laut Mikhaeil folgender: Ein „kooperativer“ Schuldner, der bereit ist, für einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren jede ihm zumutbare Beschäftigung auszuüben und sein pfändbares Einkommen den Gläubigern zu überlassen, soll sich auch dann entschulden können, wenn seine Gläubiger einem angemessenen Zahlungsplan die Zustimmung verweigern oder der Zahlungsplan eben aus anderen Gründen nicht zustande kommen kann. Vereinfacht gesagt: Der Schuldner lebt eine Zeit lang vom Existenzminimum, ist danach im Optimalfall aber von allen Altverbindlichkeiten befreit. Dabei spricht man von Restschuldbefreiung.