Noch ist nichts fix, aber das Modell hätte aus Sicht von AT&S-Chef Andreas Gerstenmayer „Charme“: Mit einem Einstieg der Staatsholding Öbag bekäme der an der Börse notierte Leiterplattenhersteller eine deutliche Aufbesserung der Eigenkapitalbasis, was eine Voraussetzung für weitere Großinvestitionen ist.
Die Gespräche sind bereits vor einigen Wochen angelaufen, Ziel ist eine Öbag-Beteiligung von 25 Prozent plus eine Aktie. Noch soll es aber keine vertiefenden Verhandlungen auf Basis einer detaillierten Konzernbewertung geben. Insofern ist noch einigermaßen offen, wie viel Geld die Öbag in die Hand nehmen müsste. AT&S-Großaktionär Hannes Androsch und Gerstenmayer betonen, dass im Moment auch noch andere Möglichkeiten sondiert würden.
„Wir sind in einer Phase großer Investitionen, die nächstes Jahr in Operation kommen“, so Androsch im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. „Wir bereiten uns aber darüber hinaus mit Blick auf 2030 auf den nächsten Schritt vor und loten alle Möglichkeiten diesbezüglich aus“, sagt er.
Öbag wäre stabiler dritter Kernaktionär
Der Plan mit der Öbag ist zwar neu, was jedoch schon länger bekannt ist, ist, dass AT&S eine deutlich größere Rolle als bisher im weltweiten Milliardenbusiness der Mikroelektronik spielen will. Für eine klassische Publikumskapitalerhöhung ist aber einerseits das Umfeld derzeit schlecht, andererseits dürften die Hauptaktionäre Hannes Androsch und Willi Dörflinger nicht riskieren wollen, dass die AT&S über die Börse von einem anderen Konzern übernommen wird. Gerstenmayer: „Wir bekämen einen stabilen dritten Kernaktionär, der die gesamte Aktionärsstruktur unterstützt und festigt.“ Kulturell passe eine Öbag-Beteiligung gut. „Für die Öbag hätte es Charme, weil das standortpolitisch attraktiv ist“, so der AT&S-Chef.
Aktuell arbeitet AT&S intensiv am Hochfahren ihrer ersten Fabrik in Kulim in Malaysia. 1,2 Milliarden Euro wurden hier gerade investiert, in gut zwei Jahren soll die Produktion für den US-Konzern AMD der AT&S eine Umsatzverdoppelung ermöglichen. Für das parallel gebaute zweite Werk in Kulim, das zwar baulich fertig, aber noch nicht mit Maschinen ausgestattet ist, steht AT&S jetzt sozusagen Gewehr bei Fuß. „Wir wollen vorbereitet sein, sobald der Markt zurückkommt“, so Gerstenmayer. Die Maschinenbestückung würde deutlich weniger kosten als die Erstinvestition. Angesichts der früher genannten Gesamtinvestition dürfte es dabei um weniger als 500 Millionen Euro handeln. Androsch spricht sogar von einer völlig neuen Technologiegeneration, will dazu aber ebenso wenig Details nennen wie Gerstenmayer.
Aktuell ist der Markt schwierig für den Leobener Leiterplattenhersteller, der weltweit 14.000 Mitarbeiter beschäftigt, darunter in großen Werken in Schanghai und Chongqing in China. Die schwache Nachfrage nach Smartphones oder Tablets drückt gerade massiv auf die Ergebnisse. AT&S veröffentlichte kürzlich ihre Halbjahreszahlen, der Betriebsgewinn war um rund die Hälfte auf 82 Millionen Euro eingebrochen. Erst im zweiten Halbjahr 2024 erwartet Gerstenmayer eine spürbare Markterholung. Bei dem Pressegespräch betonte er, dass die AT&S über 1,35 Milliarden Euro Cash beziehungsweise Äquivalente verfüge. Die Eigenkapitalquote betrug zuletzt 25,7 Prozent, 30 Prozent ist das untere Konzernziel.
Aktienkurs rutschte deutlich ab
An der Börse wurde die Neuigkeit wenig begeistert aufgenommen, die Aktien knickten zeitweise um 15 Prozent ein. Immerhin würden die langjährigen Hauptaktionäre Willi Dörflinger und Hannes Androsch – beide sind über Stiftungen mit 18,1 und 17,6 Prozent beteiligt – in Bezug auf ihre Anteile in die zweite Reihe wechseln. Die Öbag bekäme sogar die Sperrminorität an AT&S. Was im Klartext bedeutet, dass keine wichtige Entscheidung ohne die Zustimmung der Öbag fallen kann. Ob die Öbag auf Dauer in der AT&S bleiben soll, ist derzeit unklar. Die großen Staatsbeteiligungen sind allesamt Langzeit-Engagements.
Die Öbag ist für einen Einstieg jedenfalls gerüstet. Öbag-Chefin Edith Hlawati hatte die Staatsholding in einem Kleine-Zeitung-Interview bereits in die Auslage gestellt und erklärt, dass man rund eine Milliarde Euro für Beteiligungen zur Verfügung habe. Von sich aus kann die Öbag allerdings nicht auf Unternehmen zugehen, sie sieht sich aber klar als zentrale Anlaufstelle bei Kapitalbedarf, wenn es darum geht, wichtige Unternehmen in österreichischer Hand zu behalten. „Für uns passt die AT&S perfekt in unsere neue Strategie“, erklärt Öbag-Sprecher Michael Mauritz. Bei der AT&S-Technologie handle es sich um kritische Infrastruktur für Österreich und Europa mit Tausenden dazugehörenden Jobs. Für die Öbag wäre es die erste Beteiligung für dieses neue Portfolio.