Diese Betrugsmasche macht in Italien die Runde: Beim Spiegeltrick versuchen dreiste Betrüger einen Sachschadenunfall vorzutäuschen. Auf die Opfer üben sie Druck aus, damit der vermeintliche Schaden noch an der Unfallstelle beglichen wird. Dass man diesen Banden aber auch ein Schnippchen schlagen kann, haben ein Weststeirer (68) und seine Gattin (59) aus Voitsberg bewiesen. Sie gingen auf der Heimfahrt vom Urlaub am Gardasee Spiegeltrick-Betrügern ins Netz.

Zehn Tage lang hatten die Weststeirer eine willkommene Auszeit am See in Oberitalien genossen. Dabei gab es schon auf der Hinfahrt einen kurzen Schreckmoment. „In Kärnten hatten wir einen Defekt an den Bremsen, aber der ÖAMTC hat das zur besten Zufriedenheit repariert“, erzählt der Weststeirer, der das Wohnmobil lenkte.

Kollision vorgetäuscht

Am 16. November machte sich das Paar wieder auf den Heimweg. Auf der Autobahn E55/E70 zwischen Venedig und Jesolo fuhr der 68-Jährige gegen 9 Uhr mit dem Wohnmobil auf der zweiten von drei Spuren. „Plötzlich hörten wir ein komisches Geräusch und neben uns tauchte ein silberner Alfa Romeo mit drei Insassen auf. Die Beifahrerin kurbelte das Fenster herunter, zeigte auf den Seitenspiegel und deutete uns mit der Hand an, in die nächste Pannenbucht zu fahren.“

Dort stiegen der Weststeirer und der Lenker des zweiten Fahrzeuges aus. „Er hat in gebrochenem Deutsch etwas wie ,Seitenspiegel kaputt‘ gesagt“, schildert der 68-Jährige. Währenddessen war auch die Beifahrerin – auf den ersten Blick hochschwanger – ausgestiegen, um das Voitsberger Ehepaar abzulenken. Mit dem angeblichen Geburtstermin in naher Zukunft bauten die Unbekannten emotionalen Druck auf.

Mit Kreide dürften die Betrüger Striche, die auf den ersten Blick wie Kratzer aussehen, auf das Wohnmobil gemalt haben
Mit Kreide dürften die Betrüger Striche, die auf den ersten Blick wie Kratzer aussehen, auf das Wohnmobil gemalt haben © Privat

Erst Neupreis, dann „Online-Schnäppchen“

Daraufhin zückte der Italiener sein Handy und zeigte den Neupreis des Rückspiegels: 600 Euro. Nachdem die Urlauber nicht darauf einstiegen, gab das vermeintliche Unfallopfer vor, auf Verkaufsplattformen im Internet nach günstigeren Alternativen zu suchen – und tatsächlich gab es den Rückspiegel dort schon um 330 Euro. Um seine Forderung zu untermauern, zeigte der Italiener auf die sichtbaren Spuren der mutmaßlichen Kollision – ein längerer, wellenförmiger, schwarzer Strich an der Seite des Wohnmobils. „Da ist man natürlich eingeschüchtert, diesen Überraschungsmoment wollen sie ausnutzen“, analysiert der Pensionist. Mit dem Finger fuhr er am vermeintlichen Kratzer entlang. „Beschädigung gab es am Wohnmobil keine, stattdessen waren meine Finger ganz schwarz – der Strich wurde offensichtlich mit Kreide aufgemalt.“

Typisch: Für den Vorfall werden besonders markante Seitenspiegel – wie hier mit einem speziellen Aufkleber – benutzt, die noch teurer sein sollen
Typisch: Für den Vorfall werden besonders markante Seitenspiegel – wie hier mit einem speziellen Aufkleber – benutzt, die noch teurer sein sollen © Privat

Als man mit der Polizei drohte, wurde der Italiener plötzlich nervös und sagte, das würde nichts bringen. Stattdessen erhöhten die Betrüger den Druck. „Als ich einen Unfallbericht holen wollte, ist der Lenker erst richtig narrisch geworden. Dass unsere Mädels – so nennen wir unsere beiden Hunde – im Wohnwagen gebellt haben, hat sie nervös gemacht“, schildert die 59-Jährige. „Besonders komisch war, dass sich der dritte Insasse auf der Rückbank immer versteckt und sich die Kapuze ins Gesicht gezogen hat, wenn wir zu ihm hingesehen haben.“

Die beiden Hunde der Weststeirer – sie nennen sie liebevoll „unsere Mädels“ – haben die Betrüger mit ihrem Bellen nervös gemacht
Die beiden Hunde der Weststeirer – sie nennen sie liebevoll „unsere Mädels“ – haben die Betrüger mit ihrem Bellen nervös gemacht © Privat

Als sie den ÖAMTC – die Nummer hatten sie noch von der Panne auf der Hinfahrt parat – und den Versicherungsmakler in der Heimat anriefen, wurde der Betrugsversuch nach knapp zehn Minuten endgültig vereitelt. „Unser Versicherungsagent hat noch gehört, wie sie geflüchtet sind“, erzählt die Voitsbergerin lachend. „Später hat er erzählt, dass er selbst drei solcher Fälle kennt, einmal sei sogar ein Polizist betroffen gewesen.“

Polizei zeigte kein Interesse

Nachdem man sich von den Geschehnissen erholt hatte, wollte das Paar bei einer Polizeistation melden. „Dort hat uns eine Polizistin gesagt, man sei nicht zuständig, weil es eine eigene Autobahnpolizei gibt. Und man hat uns freundlich, aber bestimmt mitgeteilt, es sei sowieso aussichtslos. Dabei hatten wir sogar die Kennzeichen fotografiert“, so die 59-Jährige.

Wieder zuhause angekommen wollen die Weststeirer potenzielle Opfer vor den Machenschaften warnen: „Gerade jetzt außerhalb der Saison sind viele ältere Menschen unterwegs. Man darf sich auf nichts einlassen und sollte sofort die Polizei oder andere Helfer rufen.“