Es sind Bilder der Verwüstung, die sich am Sonntag in vielen oststeirischen Orten zeigen: Innerhalb weniger Minuten waren Samstagabend gegen 18 Uhr Schäffern, Unterlungitz und Rohr überflutet. Wieder hatten Starkregenfälle die Region heimgesucht. Im Minutentakt gingen Notrufe bei den Feuerwehren ein. „So etwas habe ich noch nicht erlebt“, berichtet etwa Einsatzleiter Harald Goger aus Neudau.
Aktuell gehen im Bezirk wiederum schwere Gewitter inklusive Hagelschlag nieder: Für Vorau, Schäffern, Neudau, Burgau, Rohr und St. Johann in der Haide hat die Landeswarnzentrale Sonntagabend Zivilschutzalarm ausgerufen. Die Feuerwehren der Region sind in Alarmbereitschaft.
Gestern Samstag bahnte sich das Unwetter schnell seinen Weg nach Süden: Neudau und Burgau wurden regelrecht von einer Flutwelle überrascht. Gebäude und Straßen wurden überschwemmt, Brücken in Kleinlungitz, Vorau und Schäffern weggerissen. Menschen wurden in Autos eingeschlossen und mussten von den Feuerwehren befreit werden. Für den Bezirk musste der Katastrophenalarm ausgerufen werden. Ein Brennpunkt ist die Gemeinde Neudau, sehen Sie dort Einsatzleiter Harald Goger im Video:
Hunderte Einsätze
„Es ist schlimm, wir haben auch ganz massive Hangrutschungen“, berichtete Bezirkshauptfrau Kerstin Raith-Schweighofer in einer ersten Stellungnahme Sonntagfrüh. Ein Krisenstab wurde bei der Behörde eingerichtet. Es gebe Hunderte Einsatzlagen für die Feuerwehren, in Neudau etwa müsse das Pflegeheim evakuiert werden.
Erreicht hatte das Unwetter den Bezirk Sonntagabend im Norden. In den Orten Schäffern, Götzendorf, Sparbaregg, Pinggau, Zöbern, Schlag und Aspang mussten unzählige Einsätze abgearbeitet werden. Nicht überall kamen die Helfer gleich voran. Die Strasse zwischen Schäffern und Laglmühle, beziehungsweise Laglmühle bis Elsenau und Schäffernsteg war an zahlreichen Orten vermurt. Der Bach trat sturzflutartig über die Ufer.
Bei Schäffernsteg (Kreuzung B63 mit der L146) machten Wassermassen, Geröll und Schlamm eine Durchfahrt unmöglich. Autos wurden von den Wassermassen mitgerissen und weggeschwemmt. Die betroffenen Autolenker sind offenbar wohlauf.
Kindergarten überflutet
Hunderte Keller mussten im ganzen Bezirk ausgepumpt werden. In Pinggau wurde der Kindergarten überflutet. Die örtlichen Einsatzkräfte werden von Kollegen in Niederösterreich unterstützt. Wie groß der angerichtete Schaden ist, wird wohl erst Anfang der neuen Woche klar werden.
Großflächige Überflutungen gab es auch im Raum Bad Blumau. „Das Wasser, das von Norden aus Hartberg kommt, macht uns Probleme“, sagte Martin Jeindl, Sprecher des Feuerwehrbereiches Fürstenfeld. Erschwerend kam hinzu, dass nach einem Dammbruch 1000 Kubikmeter Wasser aus einem Rückhaltebecken in Bad Waltersdorf ausrannen und sich auf den Weg nach Süden machten. Rund um Bad Blumau waren Sonntagmittag 200 Feuerwehrleute von 20 Wehren im Einsatz.
Das Ausmaß der Überflutungen in diesem Bereich zeigt ein Drohnen-Video von Leserreporter Johannes Paar:
Entlang der Lafnitz
Vom Wechselland zog das Unwetter nach Süden durch den Bezirk Hartberg-Fürstenfeld eine Spur der Verwüstung. In Sebersdorf, Rohrbach, Eichberg und Vorau rutschten Hänge ab, die Kläranlagen von St. Johann in der Haide und Sebersdorf wurden überflutet. In Schäffern fiel der Strom aus.
Gesperrt werden musste etwa die L 401 im Bereich der Autobahnanschlussstelle Bad Waltersdorf sowie weiter südlich zwischen Bierbaum und Bad Blumau oder die L 455 in Buch bei Hartberg. In der Nacht war zwischendurch auch die B54 im Bereich Mitterdombach unpassierbar. Dazu sind zahlreiche Gemeindestraßen dicht. „Ich mache seit 30 Jahren Dienst, aber solche Flutwellen habe ich noch nie erlebt“, meinte ein Polizist der Dienststelle Hartberg am Telefon.
Besonders stark traf es den Streifen entlang der Lafnitz, wo Zubringerbäche über die Ufer traten. Mehrere Menschen wurden von den Wassermassen in ihren Autos eingeschlossen und mussten von der Feuerwehr befreit werden, so etwa auch weiter westlich in Ebersdorf, erzählt Matthias Novacek, Sprecher des Feuerwehrbereiches Hartberg.
Von massiven Schäden berichtet der Neudauer Bürgermeister Wolfgang Dolesch. Die meisten Straßen im Gemeindegebiet seien gesperrt, das Wasser habe bis zu 50 Zentimeter tiefe Krater ausgeschwemmt. Die Kinderkrippe stehe unter Wasser, ebenso das an der Lafnitz gelegene Freibad dazu zahlreiche Wohnhäuser. Die Brücke über den Angerbach sei teils weggerissen worden. „Es ist zum Verzweifeln. Alle sind auf den Beinen, Freiwillige helfen den Feuerwehren und Gemeindearbeitern wo sie nur können.“ Das Freibad werden man heuer wohl nicht mehr in Betrieb nehmen können.
Am Vormittag begannen die Einsatzkräfte auch mit der Evakuierung der rund 40 Bewohnerinnen und Bewohnern des Volkshilfe-Pflegeheimes in Neudau. Die dort ansässigen Pensionistinnen und Pensionisten wurden in umliegende Pflegeheime und Krankenhäuser – von Vorau bis Fürstenfeld – verlegt und werden in den nächsten Tagen dort wohl bleiben müssen. Zahlreiche freiwillige Nachbarn helfen, das Pflegeheim von den Schlammmassen zu befreien, etwa Claudia Ifkowitsch:
Alle 46 Wehren des Bereiches Hartberg standen in der Nacht auf Sonntag mit rund 1200 Feuerwehrleuten im Einsatz, entsprechend erschöpft sind die Kräfte mittlerweile. Über Verstärkung aus der Süd- und Obersteiermark hatten sich die oststeirischen Einsatzkräfte am Nachmittag gefreut– mit etwas Bauchweh, denn für Sonntagnachmittag sind weitere Gewitter vorhergesagt, entsprechend angespannt ist die Lage. „Wenn das bei uns wirklich so kommt – dann gute Nacht“, seufzt Dolesch.
Emotional zeigte sich Bezirkskammerobmann Herbert Lebitsch bei einer vom Land einberufenen Pressekonferenz mit Landeshauptmann Christopher Drexler und Landeshauptmann-Stellvertreter Anton Lang in Hartberg: „Den Menschen da draußen tut es so gut, dass Sie gekommen sind. Alle, die arbeiten, alle, die um ihr Hab und Gut bangen“, so Lebitsch unter Tränen. Drexler und Lang bedankten sich für die „beispiellose Hilfsbereitschaft im gesamten Land.“ Es tue gut zu sehen, dass in einer solchen Situation wirklich alle zusammenhalten.
Die Landesspitze versuchte zu beruhigen: „Wir tun alles, um jetzt die Hilfen des Landes in die Gänge zu bringen und dadurch das materielle Leid etwas lindern zu können“, verspricht Anton Lang. Bezirkshauptfrau Kerstin Raith-Schweighofer sorgte abschließend auch für einen traurigen Lagebericht aus der Landwirtschaft: 7000 Puten verendeten in Unterlungitz und Rohr. Binnen weniger Minuten standen dort die Ställe unter Wasser. Die toten Tiere wurden teils abgeschwemmt und verteilen sich auf einer Länge von mehreren Kilometern.
Sonntagnachmittag waren noch mehrere Straßen gesperrt: Die L 455 (Weinbergstraße), die L 401 (Hartbergerstraße), die L 402 (Burgauerstraße), die L 441 (Neudorferstraße), die L 422 (Friedbergerstraße), die L 423 (Elsenauerstraße) und die L 429 (Eichbergstraße). Am späteren Nachmittag begann die Bezirksfeuerwehr und die Bezirkshauptmannschaft mit den Planungen weiterer Vorgehensweisen. „Aktuell ist etwa ein Drittel der Einsatzkräfte wieder eingerückt. Wir bleiben ob der Wettervorhersagen aber in Alarmbereitschaft“, so Feuerwehrsprecher Matthias Novacek. Das Österreichische Bundesheer soll am Montag mit 35 Mann in den Bezirk Hartberg-Fürstenfeld anrücken.