Man kennt die Betrugsmaschen bereits. Oder doch nicht? Bei Telefonanrufen von unbekannten Nummern sollte man vorsichtig sein, welche Daten man herausgibt, bei merkwürdigen E-Mails mit Rechtschreibfehlern oder SMS, die den vermeintlichen Status einer Paketlieferung zeigen, wenn man auf einen Link klickt, ebenso. Aber wussten Sie auch, dass mittlerweile Stimmen von Familienmitgliedern täuschend echt geklont werden können und Sie auch unter einer Ihnen vertrauten Nummer angerufen werden können? Zudem können Websites, Mails und SMS mittlerweile täuschend echt gefälscht sein, ohne optischen oder orthografischen Makel. Der digitale Fortschritt, durch künstliche Intelligenz unterstützt, schreitet unaufhaltbar voran und arbeitet auch für Kriminelle.

83 Prozent der Befragte haben Betrugsversuche erlebt

Eine Befragung der Plattform „Watchlist Internet“ sowie des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (KFV) - welches sich neben der Arbeit im Straßenverkehr auch für die Sicherheit in der Freizeit und im digitalen Leben einsetzt - mit 1.033 Teilnehmenden im Alter zwischen 14 und 75 Jahren ergab, dass 83 Prozent der Befragten in den vergangenen 12 Monaten Betrugsversuche bemerkt haben. Dabei handelt es sich nur um die Spitze des Eisberges, denn viele Betrugsversuche bleiben unbemerkt. Daher geht man im KFV sogar so weit, dass der Leiter des Fachbereichs Eigentumsschutz, Armin Kaltenegger sagt: „Es ist davon auszugehen, dass nahezu jede Internetnutzerin und jeder -nutzer irgendwann einem Betrugsversuch ausgesetzt ist.“

Armin Kaltenegger, Leiter des Bereichs Eigentumsschutz im KFV | Armin Kaltenegger, Leiter des Bereichs Eigentumsschutz im KFV
Armin Kaltenegger, Leiter des Bereichs Eigentumsschutz im KFV
| Armin Kaltenegger, Leiter des Bereichs Eigentumsschutz im KFV © Sonstiges

Selbst Experten nicht immer am neuesten Stand

Dabei schätzten zwei Drittel der Befragten ihr Wissen über Betrugsmaschen eigentlich als sehr gut oder zumindest eher gut ein. Dennoch waren 20 Prozent bereits selbst Opfer von Online-Betrug. „Die Menschen haben bei diesem Thema tendenziell den Hang zur Selbstüberschätzung. Die Techniken werden immer ausgeklügelter, es geht oft so schnell voran, dass selbst Experten nicht immer das Neueste wissen“, analysiert Kaltenegger.

„Wir beobachten aktuell eine starke Professionalisierung. Durch Phishing-Attacken und Fake-Shops werden Daten gesammelt. So können Kriminelle ihre Opfer viel persönlicher ansprechen und Vertrauen aufbauen, das dann dazu missbraucht wird, um deutlich höhere Beträge zu ergaunern“, erklärt Thorsten Behrens, Projektleiter Watchlist Internet. Die Gruppen, die oftmals im Ausland agieren, sind wie Unternehmen aufgebaut, Sprachprobleme sind durch KI passé.

Stimmklone von Familienmitgliedern

Mittels Sprachsynthese-Techniken können bereits Voice Clonings, also Stimmklone von Familienmitgliedern angefertigt werden, die mittels KI auch in Gesprächen dynamisch agieren und auf Fragen adäquat antworten können. Dabei reicht es aus, seine Stimme einmal auf den sozialen Medien präsentiert zu haben. Aber auch Anrufe können Stimmtrainer sein. So werden Familienmitglieder von Opfern bewusst in Gespräche verwickelt, die nach wenigen Sätzen wieder beendet werden - doch das reicht schon aus, um die KI die Stimme lernen zu lassen - wobei sich die Maschine vorerst mit Hochdeutsch leichter tut als mit breitem Dialekt.

Polizeisprecher Markus Lamb | Polizeisprecher Markus Lamb
Polizeisprecher Markus Lamb
| Polizeisprecher Markus Lamb © LPD

Internetbetrug verfünffacht

In der steirischen Polizeidirektion ist man sich der Gefahren bewusst. Der langjährige Vergleich zeigt: Gab es in der Steiermark 2014 noch 810 Fälle von Internetbetrug, waren es 2023 bereits 4483. Die Zahl der gesamten Internetdelikte stieg von 1048 (im Jahr 2014) auf 7546 im Vorjahr, auch die Hackerangriffe verzehnfachten sich fast von 2014 mit 158 auf 2024 mit 1599. „Das ist kein kurzfristiger Trend. Wir sehen einen kontinuierlichen Anstieg, der mit dem technischen Fortschritt erklärbar ist“, erklärt Polizeisprecher Markus Lamb. Daher wird es auch strukturelle Umwälzungen geben.

Neben neuen Erfassungsmöglichkeiten, die im Frühjahr erstmals präsentiert werden, wird der Kriminaldienst reformiert: Auf Landesebene werden Cyber-Crime-Training-Center installiert, in allen Bezirken Kriminalassistenzdienststellen implementiert, die sich besonders mit elektronischen Straftaten auseinandersetzen. Doch auch jeder Einzelne kann etwas tun: „Es ist wichtig, sich laufend darüber zu informieren, denn je mehr man weiß, je mehr Möglichkeit hat man, das zu erkennen“, empfiehlt Lamb und verweist auf die Plattform www.saferinternet.at.

KI-Oma gibt Kontra

In Großbritannien holt man nun zur Gegenoffensive aus. Der Telekommunikationsanbieter O2 hat die KI-Oma „Daisy“ entwickelt, die den Betrügern das Leben schwer machen soll. Diese gibt unechte Bankdaten bereitwillig heraus, plaudert ohne Ende und unterhält die Betrüger so lange, bis diese genervt auflegen und die Ermittler Informationen zum Standort der Betrüger herausfinden können. Netter Nebeneffekt: In dieser Zeit kann kein anderer betrogen werden. Eine charmante Idee finden das Kaltenegger und Lamb.