Lange, bedrückte Gesichter gab es kurz nach 16 Uhr in der ÖVP-Landesparteizentrale am Grazer Karmeliterplatz. Die jahrelange Landeshauptmann-Fraktion wurde von Ex-Verteidigungsminister Mario Kunasek und seiner FPÖ vom Siegertreppchen gestoßen. Und das nicht knapp, sondern mehr als eindeutig. Die 941.509 steirischen Wählerinnen und Wähler haben ein Machtwort gesprochen – gegen jene Partei, die seit Ende Dezember 1945 mit nur einer zehnjährigen sozialdemokratischen Pause von 2005 bis 2015 unter Franz Voves quasi durchgehend an der Macht war. Christopher Drexler und sein Team müssen sich laut erster Hochrechnung von APA und ORF mit 26,7 Prozent zufriedengeben, ein Minus von 9,4 Prozentpunkten. Es ist das historisch schlechteste Ergebnis der Volkspartei in der Steiermark. Drexler will daher am Montag in den Parteigremien die Vertrauensfrage stellen.

Szenenwechsel in die Conrad-von-Hötzendorfstraße, wo die Freiheitlichen bei der ersten Hochrechnung minutenlang ihren Erdrutschsieg umjubelten. Es ist das beste Ergebnis, das die FPÖ in der Steiermark je erzielen konnte: 35,1 Prozentpunkte (plus 17,6 Prozentpunkte). Gegenüber den 26,8 Prozent von 2015 hat man noch einmal neun Prozentpunkte dazugewonnen. Die Stimmung war hier schon vor dem Einzug gut – nicht zuletzt, weil man über erste obersteirische Ergebnisse munkelte, die man bei der FPÖ durchaus positiv inspirierte.

Die SPÖ wiederum sah sich im Vorfeld der Wahl als Teil eines Dreikampfs um den Sieg, auch wenn die Umfragen das so nicht hergegeben haben. Trotzdem: Anton Lang konnte seine Stimmen nicht halten und landete am schlechtesten Ergebnis seit 1945. Die erste Hochrechnung zeigt von 21,4 Prozent, ein Minus von 1,6 Prozentpunkten. Die Sozialdemokraten jubelten bei Bekanntwerden der Daten, für die man sich im „Gösser Bräu“ in der Grazer Neutorgasse versammelt hat. Der Spitzenkandidat war da noch in seinem Büro in der Burg.

Neos und Grüne bleiben im Landtag, KPÖ offen

Der Kampf um Platz 1 zwischen ÖVP, SPÖ und FPÖ sorgte bei den kleineren Fraktionen für Kopfzerbrechen. Bis zuletzt zitterten sie um den Wiedereinzug in den Landtag. Die Neos mit 5,9 Prozent (plus 0,5 Prozentpunkte) und Grünen mit 6,1 Prozent (minus 5,9 Prozentpunkte) werden den Einzug ausgehend von der ersten Hochrechnung schaffen. Die KPÖ hofft auf ein gutes Graz Ergebnis – mit 4,4 Prozent (minus 1,6 Prozentpunkte) könnte man den Einzug ins Landesparlament jedoch schaffen. Jedenfalls nicht vertreten sein werden KFG, MFG und DNA, die nur in Graz und Graz-Umgebung am Stimmzettel standen.

Apropos Graz: Hier ist bisher die Hälfte der Stimmen ausgezählt – die FPÖ liegt dabei vorne. Möglich wäre in der Landeshauptstadt aber auch noch ein Sieg von SPÖ und ÖVP.

Spannend: Eine Mehrheit für ÖVP und SPÖ, so wie in den letzten Jahrzehnten, wird es im steirischen Landtag nicht mehr geben. Damit führt an der FPÖ als Wahlsieger in Sachen Koalitionsbildung kaum ein Weg vorbei. Außer in einer Dreierkoalition. Laut steirischer Landesverfassung startet aber der Wahlsieger mit Regierungsbildungsgesprächen – ein wesentlicher Unterschied zum Bund. Den deutlichen Sieg der Freiheitlichen werden Türkis und Blau aber nicht ignorieren können. Zumal sich beide Spitzenkandidaten, Christopher Drexler und Anton Lang im Bund für eine Koalitionsbildung durch Wahlsieger Herbert Kickl ausgesprochen haben. Dieses Mantra in der Steiermark zu ändern, wäre unglaubwürdig. Außerdem hat Neos-Chef Niko Swatek bereits am Wahlabend klargemacht, dass er nicht bei einer Koalition gegen die FPÖ mitmachen werde.

Das Ergebnis samt Zulauf zu den Freiheitlichen darf mit Blick auf eine Umfrage von Foresight für den ORF wenig verwundern: Nur 18 Prozent sahen eine positive Entwicklung der Steiermark, ganze 38 Prozent hingegen eine negative. Nur zehn Prozent gaben an, mit der Leistung der bisherigen türkis-roten Landesregierung zufrieden zu sein. Hinzu kommt: Regierungen werden weltweit abgestraft, in Österreich sind viele Wählerinnen und Wähler mit den Entscheidungen in Wien unzufrieden. Etwa damit, dass der Nationalratswahlsieger Herbert Kickl von Bundespräsident Alexander Van der Bellen nicht mit der Bildung einer Bundesregierung beauftragt wurde. Nicht zuletzt deshalb haben ÖVP und SPÖ ihre Bundesparteichefs Karl Nehammer und Andreas Babler aus dem Wahlkampf zuletzt bewusst herausgehalten.

Für Politiloge Peter Filzmaier ist die Wahl von Kunasek „keine Persönlichkeitswahl, sondern eine Wahl der Themen“. Die Freiheitlichen konnten demnach wenig überraschend mit der Migratiion punkten.

Wie hoch die Wahlbeteiligung diesmal ist, bleibt bis zum vorläufigen Endergebnis bis 19 Uhr offen. Nicht zuletzt, weil die Daten aus Graz noch fehlen, wo bis 16 Uhr gewählt werden konnte. Expertinnen und Experten gehen aber davon aus, dass man die niedrigste Wahlbeteiligung aller österreichischen Landtagswahlen mit 63 Prozent aus dem Jahr 2019 übertreffen wird können.