Angefacht durch die Diskussion über die Mindestsicherung für eine neunköpfige, syrische Familie in Wien, der monatlich 4600 Euro zur Verfügung stehen, hatte sich Ende der Vorwoche Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) zu Wort gemeldet. Er forderte eine bundesweit einheitliche Lösung, dotiert mit so viel Geld, die die Grundbedürfnisse der Menschen tatsächlich abdecke.
Landeshauptmann Christopher Drexler spricht sich am Montag via ORF-Radio klar gegen diese Idee aus: „Dann drohen überall Wiener Verhältnisse“, so der ÖVP-Landesparteichef, der sich am 24. November in der Landtagswahl behaupten will. „Ich halte es für durchaus klug, dass in den einzelnen Ländern unterschiedliche Vorschriften entwickelt werden können.“ Es müssten individuell Anreize geschaffen werden, dass die betroffenen Menschen „nicht in der Mindestsicherung verharren, sondern sich wieder für den Arbeitsmarkt fit machen müssen“.
Einheitliche Mindestsicherung für Drexler gescheitert
Ähnlich argumentierte es am Freitag bereits die steirische Soziallandesrätin Doris Kampus (SPÖ): „Es ist eine Frage der Gerechtigkeit und Verhältnismäßigkeit, dass Menschen, die arbeiten gehen, auch entsprechend gut entlohnt werden müssen.“ Ihr Sozialressort rechnete vor, dass der eingangs erwähnten, syrischen Familie in der Steiermark 3280 Euro ausbezahlt werden würden – um 1320 Euro weniger als in Wien.
Dass sich eine bundesweite Mindestsicherung an den strengeren Modellen der Bundesländer orientiert, glaubt Drexler jedenfalls nicht: „Der letzte Versuch ist bekanntlich gescheitert“. Der Landeshauptmann könne „sehr gut damit leben, dass wir für unsere Verhältnisse unsere Vorschriften gestalten können“. Obwohl laut ORF selbst das Wiener Mindestsicherungsmodell Beträge vorsieht, die teilweise immer noch unter der Armutsgrenze sind, lässt das Drexler auf Ö 1 so nicht gelten: „Diese Berechnungen der Armutsgrenze sind manchmal zu hinterfragen.“
Drexler ortet „Schieflage“ bei Mindestsicherung
In einer Aussendung legt er am Nachmittag nach: „Wir sollten zügig unter den Bundesländern einen Wettbewerb um die bessere Lösung starten.“ Denn niemand verstehe, dass „gerade Zuwanderer, die kaum noch ins System eingezahlt haben, so viel herausbekommen. Das ist eine inakzeptable Schieflage, die dringend abgestellt werden muss. Weil da greift sich jeder, der fleißig arbeiten geht, an den Kopf“.
Im anlaufenden Wahlkampf, dem Drexler erstmals als Spitzenkandidat der Volkspartei vorsteht, schlägt er zunehmend kritischere Töne gegenüber Asylwerbern an. Mitte Juni forderte der Landesparteichef beispielsweise strengere Regeln beim Staatsbürgerschaftsrecht sowie einen restriktiveren Familiennachzug, „um das Bildungs- und in weiterer Folge eventuell das Gesundheits- und Sozialsystem nicht zu überfordern“. Es sei es für ihn ein „absolut legitimer Anlass, alle Grundrechts- und Menschenrechtsregeln gegeneinander abzuwiegen“, so Drexler. Ein zu lascher Familiennachzug könne das Bildungssystem überlasten: „Das würde im Endergebnis bedeuten, dass wir ganz Afghanistan bei uns ausbilden. Das kann nicht sein.“
Drexler will mehr Anreize für Arbeit statt Mindestsicherung
In Sachen Sozialleistungen bleibt Drexler bei diesem Kurs: „Dass in Österreich in einigen Fällen dermaßen hohe Sozialleistungen ausgezahlt werden, ohne dass man dafür Leistung erbringen muss, versteht doch wirklich niemand mehr.“ Es brauche daher mehr Anreiz für Arbeit – trotz steigender Arbeitslosigkeit waren Ende Juni rund 24.500 Stellen in der Steiermark offen.
Gegenüber der nun geführten Debatte rund um eine bundesweite Mindestsicherung zeigen sich andere Bundesländer jedenfalls offener: Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) will das Thema beim nächsten Treffen der Landeshauptleute debattieren – und bringt das Modell seines Bundeslandes ins Treffen. Die neunköpfige Familie würde demnach rund 2200 Euro erhalten, also weniger als die Hälfte wie in Wien. Denn: „Es kommt sich doch jeder, der täglich arbeitet, gefrotzelt vor, wenn man am Ende des Monats viel weniger bekommt, als eine Familie, die von der Sozialhilfe lebt.“ Ähnlich argumentiert das schwarz-blau geführte Niederösterreich, das einfordert, eine etwaige bundesweite Lösung an den Regeln jener Bundesländer zu orientieren, die die Zuwanderung „unterbinden und nicht fördern“.
Sozialunterstützung schon jetzt bundesweit einheitlich
Im roten Kärnten verweist man hinsichtlich einer Änderung des Sozialhilfegrundsatzgesetzes auf den Bund. Dieser müsse Änderungen beschließen. Eine Zurückhaltung, die die Debatte ein wenig auf den Boden der Tatsachen zurückholt. Denn tatsächlich ist das Gesetz, das die Mindestsicherung durch die Sozialhilfe ersetzt hat, seit März 2019 beschlossen und in ganz Österreich einheitlich. Zuschüsse für Kinder oder Wohnen können von den Bundesländern unterschiedlich geregelt werden. Gemeinden und Städte dürfen ihrerseits wiederum eigene Sozialleistungen gewähren.
Die Sozialunterstützung steht österreichischen Staatsbürgern und Asylberechtigten sowie Fremden nach fünf Jahren Aufenthalt im Bundesgebiet zu. Nicht bezugsberechtigt sind dem Bundesgesetz zufolge Asylwerber, ausreisepflichtige Fremde, Personen ohne Aufenthaltserlaubnis und während einer Haft auch jene, die zu mindestens sechs Monaten unbedingter Freiheitsstrafe verurteilt wurden. Ein Vergleich: 2018 bezogen in der Steiermark 1,3 Prozent der Menschen Mindestsicherung, das Land hat dafür rund 0,8 Prozent des Landesbudgets aufgewendet.
Mindestsicherung: FPÖ kritisiert Vorstoß von Drexler
Die steirische FPÖ zeigte sich von vor der Ausstrahlung im Ö1-Mittagsjournal erbost vom Vorstoß des Landeshauptmannes. Dessen ÖVP Partei habe gemeinsam mit der SPÖ die derzeitigen Regeln im Landtag beschlossen. „Die Erhöhung der Sozialhilfe-Höchstsätze wurde proaktiv vorangetrieben. Jede von der FPÖ geforderte Verschärfung wurde von der schwarz-roten Koalition abgewehrt“, kritisiert der freiheitliche Klubobamnn Mario Kunasek. Er tritt weiterhin für eine Unterscheidung bei den Unterstützungen zwischen Steirinnen und Steiern sowie Asylberechtigten ein. Dazu brauch es einen Erhebungsdienst, „der alle vom Land ausgeschütteten Leistungen streng überprüfen“ solle. „Darüber hinaus sollte die Beherrschung der deutschen Sprache Voraussetzung für den Bezug der Sozialhilfe sein. Auch die Erhöhung der Höchstsätze für Minderjährige sollte endlich zurückgenommen werden, um die massive Überförderung abzustellen“, so Kunasek. Er sei außerdem für ein Herkunftslandprinzip für EU-Bürger. Demzufolge sollen Nichtstaatsbürger in Österreich nur jene Sozialleistungen erhalten, die sie in ihrem Heimatland auch bekämen, sagt der FPÖ-Spitzenkandidat. Drexler habe das bisher immer abgelehnt.
Die Neos wiederum nehmen die Aussage des Landeshauptmannes, wonach sich Arbeit lohnen müsse, zum Anlass eine mehrere Monate alte Forderung wieder ins Treffen zu führen – die Abschaffung der Landesabgabe im Zuge der ORF-Gebühr: „Drexler könnte alle Steirerinnen und Steirer sofort entlasten“, sagt Klubobmann Niko Swatek. Er verweist darauf, dass diese Abgabe die Steuerzahler jedes Jahr weit mehr als 30 Millionen koste und in anderen Bundesländern nicht mehr eingehoben werde. Nachsatz: „Ich frage mich aber, warum der Landeshauptmann den arbeitenden Menschen dann selbst unnötig Geld aus der Tasche zieht?“ Der pinke Landeschef fordert in diesem Zusammenhang eine Reform der Mindestsicherung und stärke Anreize für die arbeitende Bevölkerung, etwa eine Entlastung in Sachen Steuerquote.