Es war eine außergewöhnlich große Energiemenge, die sich am Samstagabend nördlich von Graz explosionsartig entladen hat. „Die Gewitterzelle konnte die feuchte Luft aus einem sehr großen Raum aufsaugen und hat sie dann lokal abregnen lassen“, beschreibt es Georg Pistotnik, Unwetter-Experte bei Geosphere Austria. Für eine solche Konstellation müssen viele Faktoren zusammenspielen, doch für den Klimaforscher ist der Hintergrund klar: „Bei diesen Ereignissen steckt sehr viel vom Klimawandel drin.“
So hat sich der südösterreichische Raum in den vergangenen Jahrzehnten überdurchschnittlich stark aufgeheizt. Die hochauflösenden Messungen, die das Wegener Center der Uni Graz in der Südoststeiermark durchführt, zeigen, dass die mittleren Sommertemperaturen in der Region seit 1970 um 3 Grad nach oben geklettert sind – mehr als doppelt so stark wie im weltweiten Schnitt. „Pro Grad Erwärmung kann die Luft rund sieben Prozent mehr Feuchtigkeit aufnehmen, was die Niederschläge intensiver macht“, erläutert Pistotnik. Dazu kommt, dass die Kondensation von Wasserdampf große Energiemengen freisetzt, die den Auftrieb in den Gewitterwolken verstärken. „Es gibt Hinweise, dass die Aufwinde in den Gewitterzellen um 10 bis 15 Prozent zugenommen haben“, sagt Pistotnik.
Mehr Starkniederschläge
Die Forscher am Wegener Center gehen für die Steiermark davon aus, dass kleinräumige Starkniederschläge, grob gesagt, pro Grad Erwärmung um zehn Prozent intensiver fallen. Bereits heute liegt das Gewitterpotenzial in Österreich um ein Fünftel höher als noch um das Jahr 2000, zeigte vor zwei Jahren eine europaweite Erhebung unter Beteiligung von Geosphere.
Doch der Klimawandel beeinflusst nicht nur die lokalen Gewitterzellen. „Die Wetterlagen über Europa werden durch die Erwärmung generell weniger mobil, Hochs und Tiefs wechseln sich nicht mehr so rasch ab wie früher“, sagt Pistotnik. Wozu das führen kann, lässt sich derzeit in der Steiermark beobachten: Seit vielen Tagen folgt ein Tag mit Schwüle auf den nächsten, nachmittags und abends folgen fast immer Gewitter. Diese schaukeln sich mit der Zeit immer weiter hoch, weil die Böden durch die ständigen Niederschläge feuchter werden und mehr Wasserdampf abgeben. „Wenn dann Böden und Flüsse sowieso schon gesättigt sind, kann ein neuerliches Unwetter schnell zu massiven Überschwemmungen führen, wie es am Samstagabend auch im Raum Hartberg-Fürstenfeld und Oberwart zu beobachten war, wo mehrere Gewitterzellen über das Gebiet gezogen sind“, sagt Pistotnik.
Gewittersaison wird länger
Das Zusammenspiel aus Hitze und mehr Feuchtigkeit dehnt die Gewittersaison auch zeitlich aus. Laut den Aufzeichnungen von Geosphere hat sich die Zahl der Hitzetage mit Spitzen von mehr als 30 Grad in den vergangenen 20 Jahren nicht nur verfünffacht, der erste „30er“ des Jahres fällt auch zunehmend früher. Heuer wurden die 30 Grad in Bruck an der Mur bekanntlich bereits am 7. April erreicht, was starke Gewitter schon im Frühjahr begünstigt.
Anpassungen an die neuen Wetterbedingungen wären für Pistotnik dringend gefordert. „Unsere Landnutzung ist für Wassermengen ausgelegt, wie es sie vor Jahrzehnten gegeben hat. Jetzt müssten wir den Flüssen mehr Raum geben und Infrastrukturen umgestalten und renaturieren“, sagt der Klimaexperte.