Genau sechs Monate vor dem ersten Spiel bei der Fußball-Europameisterschaft gegen Frankreich hat Österreich einen schweren Rückschlag hinnehmen müssen. Denn David Alaba hat sich im Trikot von Real Madrid im Meisterschaftsspiel gegen Villarreal einen Riss des vorderen Kreuzbandes im linken Knie zugezogen. Die Aktion passierte bei einem Zweikampf ohne Fremdeinwirkung, bei dem der Wiener unglücklich im Rasen hängen geblieben war.
Der renommierte Kniechirurg Christian Fink, der in Tirol schon unzählige Sportstars aus den Bereichen Ski, Fußball und einigen mehr operiert hat, beziffert die Ausfalldauer von Alaba zwischen sechs und zwölf Monaten. „Es gibt keine Wunderheilung. Es hängt vom genauen Verletzungsbild und der Reha ab. Aber jeder Monat mehr verringert das Risiko einer neuerlichen Verletzung“, sagt Fink.
Der einzige Weltklasse-Fußballer
Bei aller Spekulation muss berücksichtigt werden: Selbst wenn es Alaba bis zum ersten EM-Spiel schaffen würde, fit zu werden, hätte er noch immer keine Spielpraxis. Wenn jedoch einer damit umgehen kann, dann wohl der 31-Jährige. Alaba ist der einzige Akteur im ÖFB-Nationalteam, der jahrelang auf Weltklasse-Niveau agiert. Er ist Abwehrchef bei Real Madrid und hinterließ nach seinem Abgang bei Bayern München ein bis jetzt nicht zu füllendes Vakuum.
Eine Statistik, die Kritiker immer gerne präsentieren, ist jene, wonach das ÖFB-Team mit Alaba nur 1,54 Punkte pro Spiel holt, ohne ihn aber 1,88. Dabei muss aber berücksichtigt werden, dass es hierbei nicht selten um unbedeutende bzw. Freundschaftsspiele ging. Fakt ist: Österreich ist in der aktuellen Verfassung vom 105-fachen Teamspieler abhängig. Österreichs dreifacher Sportler des Jahres ist vielleicht nicht der beste Verteidiger des Landes, aber seine Führungsstärke, seine Passqualität im Aufbauspiel und seine Gabe, eine Mannschaft mit seinem nicht zu bändigen Sieger-Gen bei jedem Training und in jedem Spiel unaufhaltsam nach vorne zu treiben, machen den zweifachen Vater zu einem Unikat. Kein anderer Spieler im Team hat (bis jetzt) die Fähigkeiten, die Mannschaft auf dem Feld ernst zu nehmend zu dirigieren.
Ausfälle nicht zu kompensieren
Als Ausrede darf der Ausfall eines Akteurs niemals gelten – vor allem dann nicht, wenn man wie Teamchef Ralf Rangnick ständig nach Höherem strebt und sich mit dem Istzustand nicht zufriedengeben will. Die rot-weiß-rote Equipe profitierte ja in der EM-Qualifikation auch zum Beispiel gegen die Belgier, bei denen mit Thibaut Courtois und Kevin de Bruyne die beiden besten Spieler nicht mitwirken konnten.
Mit Philipp Lienhart und Kevin Danso, die in der Europa League mit Freiburg bzw. Lens aufeinandertreffen, verfügt Österreich über zwei international tätige Innenverteidiger. Wie aber auch schon Rangnick eingesehen hat, kann sich das Nationalteam nicht viele Ausfälle leisten, um den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden. So bleibt es zu hoffen, dass Alaba noch rechtzeitig fit wird für die EM. Wenn nicht, sollte ihn im Idealfall als einzigen Österreicher das EM-Aus betreffen. Denn sonst schwinden Österreichs Chancen in Deutschland rapide.