Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) hat in der ORF-„Pressestunde“ am Sonntag Umweltministerin Leonore Gewessler vorgeworfen, mit ihrem Ja zum Renaturierungsgesetz im EU-Ministerrat Verfassungsbruch begangen zu haben. Er verteidigte die Entscheidung seiner Partei, die Koalition nicht aufzukündigen, sagte aber auch: „Normalerweise würde es um eine Entlassung gehen.“ Man habe aber Chaos verhindern wollen.
Die Strafanzeige gegen Gewessler begründete Sobotka mit der knapp bevorstehenden Nationalratswahl. „Wie reagieren Sie auf einen Verfassungsbruch?“ Die Vorgehensweise mit der Strafanzeige sei der Zeit geschuldet gewesen. „Wenn das früher passiert wäre, wäre es anders gewesen.“ Auf die Frage, ob es eine neue Koalition mit den Grünen nach der Wahl geben könne, verwies er auf die Aussagen von Kanzler Karl Nehammer (ÖVP). Am 29. September (Tag der Wahl, Anm.) würden die Karten bzw. die Gewichte neu verteilt. Dann müsse man schauen, wo wieder Kompromisse möglich seien. Die Verhaltensweise Gewesslers schließe sie als Person aber aus.
Nehammer hat Sobotka Mandat angeboten
Gleiches gilt für Sobotka nach wie vor für FPÖ-Chef Herbert Kickl – sowohl als Minister in einer Koalition als auch als künftiger Nationalratspräsident. Er selbst sei dann aber nicht mehr im Nationalrat, erinnerte Sobotka. Zwar habe ihm Nehammer ein Mandat angeboten. Mit Rücksicht auf seine Familie habe er aber nun nach 42 Jahren in der Politik beschlossen, nicht mehr zu kandidieren. „Ein politisches Amt zieht eine öffentliche Konfrontation nach sich. Das ist für die Familie nicht immer angenehm.“ Im Herbst wechselt Sobotka als Präsident in die ÖVP-Parteiakademie - ein Antreten bei der nächsten Bundespräsidentenwahl schloss er aus.
Erneut sprach sich Sobotka gegen ein „freies Spiel der Kräfte“ im Parlament kurz vor der Nationalratswahl aus. „Am Ende einer Legislaturperiode ist das nie ein Vorteil für eine Republik gewesen, sondern ein unkontrolliertes Geldausgeben, um Wahlzuckerl zu verteilen.“ Anders sei es, wenn man bei Gewissensentscheidungen Abstimmungen freigebe. Eine Lanze brach er dagegen für den Kompromiss in der Politik als Mittel zur Stärkung der Demokratie. „In der Politik wird der Kompromiss immer als negativ bezeichnet.“ Das Aufeinander-Zugehen sei aber für sich ein Wert. „Man sollte nicht immer nur den kleinsten gemeinsamen Nenner darin sehen.“
Untersuchungsausschüsse im Nationalrat bezeichnete Sobotka als „Instrumente der Aufklärung wie auch der Agitation“. Dabei kann er sich durchaus Reformen für künftige Ausschüsse vorstellen - etwa eine Rotation in der Vorsitzführung. Außerdem müsse man über die Zulassung der Öffentlichkeit diskutieren sowie über die Definition des Gegenstands von Ausschüssen.