Leonore Gewesslers Zustimmung für das EU-Renaturierungsgesetz gegen den Willen der ÖVP bestimmte auch am Dienstag das innenpolitische Geschehen in Österreich. Bundeskanzler Karl Nehammer warf der Grünen Umweltministerin daraufhin einen Verfassungsbruch vor. Ob dem tatsächlich so ist, muss erst geklärt werden. Fest steht, dass zwischen den Koalitionspartnern nun endgültig Eiszeit herrscht.
Doch warum polarisiert das geplante EU-Gesetz, das Teil des Klimaschutzpakets „Green Deal“ ist, überhaupt so? Aus Sicht von Georg Strasser, Präsident des österreichischen Bauernbunds, läge das Problem vor allem in der „Rechtsunsicherheit und der Sorge vor Zwangsmaßnahmen“ für Länder, Städte und Gemeinden, wie er Dienstagabend in der ZiB 2 im „ORF“ erklärte. Ein Begriff, der in diesem Zusammenhang immer wieder fällt, ist jener der Zwangsenteignung.
Seine Diskussionspartnerin Ursula Bittner, Wirtschaftsexpertin von Greenpeace Österreich, konterte darauf Folgendes: „In den letzten Wochen und Monaten gab es viel Desinformation.“ Dass es zu Enteignungen komme und die Bauern allein gelassen werden, stimme nicht. „Es wird geschaut, welche Finanzierungsmöglichkeiten gibt es. Auch die Europäische Union hat verschiedene Finanzierungsprogramme.“
Sorge um Lebensmittel und Forstwirtschaft
Für Bittner sei das EU-Renaturierungsgesetz in dieser Form alternativlos. „80 Prozent der geschützten Flächen in der EU sind in einem schlechten Zustand“, erläuterte sie. Dagegen müsse etwas unternommen werden, auch um die Ernährungssicherheit in Zukunft zu gewährleisten. Strasser strich in diesem Zusammenhang die Sorge der österreichischen Lebensmittelproduzenten hervor. Müssten 20 Prozent, wie im Renaturierungsgesetz vorgesehen, in eine andere Bewirtschaftungsart umgewandelt werden, hätte das nach Meinung des Bauernbundes großen Einfluss auf die Kosten der Lebensmittel und die Qualität – Stichwort Import aus dem Ausland.
Bittner erwiderte, dass fehlende Bestäubung durch Insekten, Überschwemmungen und Dürren ebenso große und sogar noch weitreichendere Folgen auf die Lebensmittelproduktion in Österreich hätten. Dagegen würde mit der Renaturierung etwas unternommen werden.
Auch beim Thema Forstwirtschaft gingen die Meinungen weit auseinander. „Wenn in einem Wald in einem Natura-2000-Gebiet Einschränkungen oder Stilllegungen geplant sind, schneidet man eine Einkommenssäule in diesem Betrieb weg“, betonte Strasser. Das würde Wirtschaftskraft und Arbeitsplätze kosten. Außerdem würde nur ein bewirtschafteter Wald ein wirklich klimaschonender Wald sein.
Bittner stellte die Gegenfrage: „Was schädigt mehr? Jetzt wirtschaftliche Einbußen, aber dafür einen naturnahen, nachhaltigen Wald, oder wieder eine Situation, wie es sie zum Beispiel mit den Borkenkäfern schon gab, als man überhaupt nichts mehr unter Kontrolle hatte, weil der Wald nicht nachhaltig bewirtschaftet wurde?“