Wer sich im Innsbrucker Wahlkampf umfassend über das politische Angebot informieren wollte, brauchte Zeit. Dank erbitterter Grabenkämpfe und zahlreichen Abspaltungen warben gleich 13 Listen in den letzten Wochen um Zuspruch, die Straßen der von hohen Bergen umzingelten Stadt sind vollgepflastert mit den Gesichtern der antretenden Kandidatinnen und Kandidaten. Heute entscheiden die rund 100.000 Wahlberechtigten, wem davon sie am ehesten die Führung Innsbrucks zutrauen.
Der amtierende Bürgermeister Georg Willi, der als erster grüner Chef einer Landeshauptstadt vor sechs Jahren seiner frisch aus dem Parlament geflogenen Partei eine kleine Sensation bescherte und seither auch im Bund eine gewichtige Stimme hat, galt bei seinem Amtsantritt als hemdsärmeliger Anpacker ohne Berührungsängste zu konservativ Eingestellten. Eine Handvoll Skandale, Intrigen, vereitelte Projekte, kurzzeitige Korruptionsermittlungen und eine gesprengte Koalition später ist das Image des Amtsinhabers angekratzt, seine Wiederwahl wackelt.
Ex-Staatssekretär Tursky soll‘s für die ÖVP richten
Ein Umstand, den die in Tirol traditionell starke ÖVP diesmal nutzen will, um sich ihre Landeshauptstadt zurückzuholen. Ihre Ausgangssituation ist jedoch denkbar schlecht. Um die in der Stadt heillos zerstrittenen Bürgerlichen zu einen, wurde Nachwuchshoffnung Florian Tursky, der in Wien als Digitalisierungsstaatssekretär seine Sporen verdienen sollte, zurück nach Innsbruck beordert.
Tursky, der seit seiner Jugend in der Partei aktiv ist und auch dank seinem politischen Ziehvater und Förderer Günther Platter stets loyal agiert, gab sich als Frontmann für „Das neue Innsbruck“ her, unter dessen Dach ÖVP, Seniorenbund und die „Liste für Innsbruck“ ins Rennen gehen. Hätte er gewusst, dass Vizebürgermeister Johannes Anzengruber nach dessen Parteiausschluss nicht nur nicht eingefangen wird, sondern mit eigener Liste kandidiert, Tursky hätte sich die Rückkehr wohl noch einmal überlegt.
Einige Umfragen sehen Anzengruber in der wahrscheinlichen Stichwahl in zwei Wochen, andere Tursky gar auf Platz vier. Eine Schmach, die den langfristigen Karriereplänen der ÖVP für den 35-Jährigen in Richtung Landeshauptmann einen gewaltigen Dämpfer verpassen würde. Ihn dürfte es dann wohl eher in ein Tech-Unternehmen in der Schweiz oder Liechtenstein ziehen. Anzengruber wird Handschlagqualität und Einsatz nachgesagt, aber auch große Versprechen, die nach einer Wahl nur schwer zu halten wären.
FPÖ-Mann als Willis Wunschgegner
Das gespaltene Lager der Konservativen könnte neben Willi aber auch FPÖ-Spitzenkanidat Markus Lassenberger nützen. Gerade die Freiheitlichen blieben von größeren Streitereien verschont und profitierten vom freien Spiel der Kräfte, das in den letzten Jahren in der Innsbrucker Stadtpolitik herrschte. Einige (wenig valide) Umfragen räumten Lassenberger gar Chancen auf Platz eins ein, Willi hat ihn indes zu seinem Wunschgegner für eine Stichwahl auserkoren, was Willis Wiederwahl wohl wahrscheinlicher machen würde.
Entscheidend wird am heutigen Wahlsonntag aber vor allem eines sein: die Motivation der Innsbrucker, auch tatsächlich zu den Urnen zu gehen. Noch vor sechs Jahren lag die Wahlbeteiligung lediglich unter 50 Prozent. So oder so dürfte die Lage im Gemeinderat nach dieser Wahl deutlich übersichtlicher werden. Denn erstmals müssen die antretenden Listen eine Vierprozenthürde für einen Einzug überwinden.