„Komplett daneben“ und eine „blaue Verhöhnung der Bevölkerung“ waren nur zwei der verärgerten Wortmeldungen, die am ersten Tag des von der ÖVP eingesetzten Untersuchungsausschusses zu „rot-blauem Machtmissbrauch“ im Wiener Parlament fielen. Der ehemalige Generalsekretär von FPÖ-Chef Herbert Kickl in dessen Zeit als Innenminister, Peter Goldgruber, hatte die Gemüter der Abgeordneten entsprechend erhitzt. Der als Auskunftsperson Geladene verweigerte – in Form eines 20-minütigen, juristischen Statements – jede Antwort auf die ihm gestellten Fragen. Ihm drohen nun zwei Beugestrafen. Deutlich auskunftsfreudiger gab sich Wolfgang Peschorn, der Leiter der Finanzprokuratur, der unter anderem berichtete, warum er Kickls Pferdepolizei abgedreht hatte.

Der Ausschusstag zum Nachlesen

Fix ist, dass zum Auftakt ein Ausschuss-Profi befragt wird. Wie schon beim Cofag-Ausschuss findet sich Wolfgang Peschorn, der Leiter der Finanzprokuratur, als Auskunftsperson im Parlament ein. Übrigens: Der viel diskutierte Paravent ist auch heute wieder im Saal. Die Debatte dazu können Sie hier nachlesen.

Zuvor melden sich die Fraktionsführer mit ihren Anfangsstatements zu Wort. Und siehe da: ÖVP-Fraktionschef Andreas Hanger verkündet die Absage des morgigen zweiten Ausschusstages, es konnten keine Zeugen gefunden werden. Fünf Absagen kamen aus dem Umfeld der FPÖ. Grünen-Fraktionsführerin Meri Disoski kündigt dennoch ein Aufarbeiten des „Kuschelkurses“ der FPÖ mit Russland an. Neos-Fraktionsführer Yannick Shetty wolle sich „die unsägliche Inseratenkorruption“ ansehen, die die Großparteien vorantreiben würden. FPÖ-Fraktionschef Christian Hafenecker sieht einen „verzweifelten Versuch der ÖVP“, einen Kanzler Kickl zu verhindern. „Das wird spektakulär scheitern.“ Er will mit einer Ladung von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) kontern. Und SPÖ-Fraktionschefin Eva-Maria Holzleitner will übermäßigen Ausgaben in Kickls Zeit als Innenminister nachgehen.

Finanzprokuratur-Präsident Wolfgang Peschorn  | Finanzprokuratur-Präsident Wolfgang Peschorn
Finanzprokuratur-Präsident Wolfgang Peschorn
| Finanzprokuratur-Präsident Wolfgang Peschorn © APA / Roland Schlager

Peschorns Nein zu Kickls Pferdepolizei

Mit Verspätung beginnt der U-Ausschuss mit Peschorn – und einer Neuerung: Der umstrittene Paravent ist weg. Peschorn beginnt mit einleitenden Worten über seine kurze Zeit als Innenminister, er stehe dem Ausschuss nun bereits zum 12. Mal aus Auskunftsperson zur Verfügung – auch, wenn es Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieses Ausschusses gebe. Die Verfahrensrichterin will wissen, warum er als Innenminister die Inseratenvergabe im Haus gestoppt habe. Das Problem mit Inseraten und Studien sei schon vor strafrechtlichen Ermittlungen bekannt gewesen, er habe den Sinn dahinter nicht gesehen und habe so Geld sparen können, „was immer gut ist“.

Er habe damals auch entschieden, dass die von Kickl vorangetriebene „berittene Polizei“ nicht kommt. Zudem seien die Pferde hoch gewesen und die auszubildenden Reiterinnen und Reiter hätten über einen „kleineren Körperwuchs“ verfügt. Sei die damals laut Shetty 2,3 Millionen Euro Steuergeld teure Anschaffung ein Verlustgeschäft gewesen, will dieser wissen? Peschorn kann sich nicht mehr an den Erlös des Verkaufes der Tiere erinnern. Von den bekannt gewordenen „Goldkulis“ von Kickl (mehr dazu hier) im Innenministerium habe Peschorn nichts gewusst. Ob Akten von der FPÖ geschreddert wurden, könne er nicht sagen.

Teuimaz statt Bimaz

Laut ÖVP-Fragesteller Klaus Fürlinger habe Kickl großzügig Posten vergeben und Inserate geschaltet – „mehr als andere“. Dieser habe sich als bester Innenminister aller Zeiten gesehen, also kurz als „BIMAZ“. Vielleicht sei er doch eher der teuerste Innenminister aller Zeiten gewesen – also eher „TEUIMAZ“. Kurze Geschäftsordnungsdebatte und Unmut in der freiheitlichen Fraktion. Als die Fragezeit aufgebraucht ist, zieht Peschorn von dannen.

Der Vorsitzende in Vertretung, Wolfgang Gerstl | Der Vorsitzende in Vertretung, Wolfgang Gerstl
Der Vorsitzende in Vertretung, Wolfgang Gerstl
| Der Vorsitzende in Vertretung, Wolfgang Gerstl © APA / Roland Schlager

Jetzt ist Herr N. an der Reihe, der Leiter der Innenrevision im Innenministerium und der beginnt mit etwas Positivem. Dass das Innenministerium die Medienkooperation nicht mehr selbst macht, habe zu einer Verbesserung geführt und auch die Begründung des Bedarfs erfolge inzwischen deutlich besser. Fehlende Zeiterfassung der Ministeriumsmitarbeiter im Kabinett sei mit Sicherheitsbedenken begründet worden. Die FPÖ will keine Fragen stellen. Viele Fragen quittierte N. mit „dazu habe ich keine Wahrnehmungen“, unter anderem zu angeblich hohen Gehältern im ehemaligen Kickl-Kabinett. Dann darf N. gehen.

Kickls Ex-Generalsekretär Goldgruber verweigert Anworten

Nach einer Verschnaufpause ist die dritte Auskunftsperson am Wort – Peter Goldgruber, Kickls einstiger Generalsekretär. „Lassen Sie sich überraschen“, teilte er den wartenden Medienvertretern mit. Eine einführende Stellungnahme will er nicht abgeben. Die Verfahrensrichterin will von Goldgruber wissen, warum er eine „relativ hohe Anzahl“ an Mitarbeitern hatte, obwohl auch Kickls Kabinett recht umfangreich ausgestattet war. Und dann ein Paukenschlag: „Ich verweigere die Aussage“, führt Goldgruber aus, er werde heute keine Fragen im Ausschuss beanworten, weil die Verfassungsmäßigkeit des Ausschusses nicht gegeben sei. Auch wegen möglicher strafrechtlicher Verfolgung wolle er nicht aussagen. Er führt seine Gründe, die er abliest, umfassend und mit Verweis auf juristische Klauseln aus, er spricht schon seit sicher 20 Minuten. Zudem sei der Untersuchungsgegenstand zu unbestimmt.

Die Verfahrensrichterin beruft eine Stehung ein, es seien „so viele juristische Punkte aufgeworfen“ worden. ÖVP-Fraktionsführer Hanger weist Goldgruber jedoch darauf hin, dass es nicht seine Aufgabe sei, die Verfassungskonformität des Ausschusses festzustellen. Nach einer Beratung betont die Verfassungsrichterin erneut, dass eine Nicht-Verfassungskonformität nicht festgestellt worden sei und im Ausschuss kein generelles Entschlagungsrecht gelte. Er müsse also bei jeder Frage erklären, warum er nicht antworte. Die Abgeordneten sehen eine „Missachtung des Parlaments“ der FPÖ, weil Auskunftspersonen nicht kommen oder die Aussage verweigern würden. Dies habe System und sei „rotzfrech“. FPÖ-Chef Hafenecker kontert, die Kritik sei nicht zulässig.

Beugestrafe beantragt

Die Verfassungsrichterin versucht es erneut mit ihrer Frage nach Goldgrubers vielen Mitarbeitern. Goldgruber verweigert erneut „wegen Unzulässigkeit der Frage“ und verweist auch erneut auf strafrechtliche Verfolgungen. Wieder Beratungen. Dann erklärt die Verfahrensrichterin erneut, dass Goldgruber keine ausreichenden Gründe glaubhaft gemacht habe, sich zu entschlagen. Die Aussageverweigerung sei „nicht zulässig“ in Anspruch genommen. So sieht das auch der Vorsitzende und droht mit einer Beugestrafe von bis zu 1.000 Euro beim Bundesverwaltungsgericht. Er werde diese somit beantragen. Dann stellt die Verfahrensrichterin die nächste Frage, wieder Debatten, wieder Beratungen, dann gibt sie ihre Befragungszeit auf.

Hafenecker wolle „die Persönlichkeitsrechte“ der Auskunftsperson nicht beschränken, deshalb stelle er vorerst keine Frage. Anders Grünen-Fraktionschefin Disoski, die ihre erste Frage dennoch stellt. Goldgruber verweigert und liest erneut seine mehrseitige Begründung von zuvor vor. Die Verfahrensrichterin sieht die Frage erneut für zulässig, es wird erneut debattiert und erneut eine Beugestrafe beantragt. Scharfe Kritik über die Verweigerung kommt von den Grünen, die von einer „Verhöhnung des Parlaments“ sprechen. Laut Neos sei das Schweigen „komplett daneben“. Laut ÖVP richte sich das Verhalten der Auskunftsperson selbst, es sei „bedrücklich“, dass dies von einem ehemaligen Spitzenbeamten im Innenministerium komme.

Zeugenschwund

Bereits vor Ausschussstart klagte die ÖVP über einen veritablen Zeugenschwund. Zahlreiche Auskunftspersonen hatten abgesagt, die frühere Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein sorgte mit einem angeblich erst nach ihrer Ladung erstandenen Zugticket für den Termin für besonderen Unmut. Dass der frühere Kickl-Kabinettschef und heutige FPÖ-Klubobmann in Niederösterreich, Reinhard Teufel, nicht zum Auftakt erscheint, liegt auch an der ÖVP, die ihn zwischenzeitlich wieder ausgeladen hatte und dieser für eine erneute Ladung nicht mehr erreichbar sei. Damit fällt der Donnerstag wohl als zweiter Ausschusstag ins Wasser, ÖVP und Grüne drohen Teufel und Hartinger-Klein mit Beugestrafen.