Der ORF und die seit heuer geltende Haushaltsabgabe hat am Mittwoch gleich mehrfach den Nationalrat beschäftigt. Erst stellte die FPÖ die „Aktuelle Stunde“ unter dieses Thema, am Nachmittag wurde ein Volksbegehren zur Abschaffung der Abgabe diskutiert – im Zuge dessen die Grünen-Abgeordnete Eva Blimlinger sogar eine Erhöhung der Haushaltsabgabe in den Raum stellte.
Während die Freiheitlichen über den ganzen Plenartag verteilt immer wieder gegen den Öffentlich-Rechtlichen wetterten, auch als andere Themen in der Debatte standen, verteidigten ÖVP, SPÖ, Neos und Grünen den ORF. Allerdings wurde die Haushaltsabgabe, die heuer die GIS-Gebühr abgelöst hatte, sowohl von der SPÖ als auch von den Neos kritisiert. Die Roten forderten eine Befreiung für alle unter 25 Jahren, die Neos Reformen zur Entpolitisierung der Gremien. Der ORF sei „meilenweit von Unabhängigkeit“ entfernt, sagte Henrike Brandstötter von den Neos.
Blimlinger: Abgabe „offenischtlich keine besondere Belastung“
Für Aufhorchen sorgte die grüne Mediensprecherin, Eva Blimlinger, bei ihrem Redebeitrag. Zunächst verwies sie darauf, dass die 15,30 Euro weniger sei als die GIS-Gebühr bisher. Einer sozialen Staffelung, wie von der SPÖ gefordert, seien die Grünen zwar nicht abgeneigt, allerdings könne man derzeit in Österreich kein Haushaltseinkommen ermitteln. Das sei auch bei Hilfszahlungen ein Problem gewesen.
Blimlinger sagte auch: „Wenn Sie sich anschauen, wie die Zahlungen für Netflix und andere Pay-TV-Dienste steigen, muss ich mich schon manchmal fragen, ob die 15,30 Euro zu niedrig sind. Wenn es dem privaten Sektor gelingt, mit seinen Abo-Angeboten ihre Gewinne zu steigern, sind die 15,30 Euro offensichtlich keine besondere Belastung.“ Die Äußerung führte zu wütenden Reaktionen von FPÖ und Neos.
FPÖ-TV als „Propaganda“
Die FPÖ hatte auch das Thema ihrer „Aktuellen Stunde“ dem ORF gewidmet und bereits Wahlkampftöne angeschlagen. Allein ein freiheitlicher Regierungschef werde die Haushaltsabgabe abschaffen, empfahl sich FPÖ-Chef Herbert Kickl selbst. Später ergänzte Dagmar Belakowitsch, blaue Sozialsprecherin: „Sollte es nach der nächsten Wahl einen Volkskanzler Kickl geben, dann wird diese Haushaltsabgabe ersatzlos gestrichen.“
Die politische Konkurrenz warf Kickl vor, mit dem eigenen Kanal FPÖ TV „Propaganda“ zu verbreiten und sich an die illiberale Demokratie des ungarischen Premiers Viktor Orbán annähern zu wollen. Mit der Haushaltsabgabe würden „teuerungsgeplagte“ Bürger abkassiert, außerdem handle es sich um eine „Massengeldstrafe“ für Jugendliche, die den ORF nicht nutzten, meinte Kickl während der Debatte unter dem Titel „Objektivität und Information statt ORF-Steuer, ORF-Bonzengehälter und Indoktrination“. Auch warf er dem ORF fehlende Objektivität und Unabhängigkeit sowie Propaganda gegen seine Partei vor.
Anschließend ritt Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) zum Gegenangriff aus. Kickl habe nicht nur kein Interesse am öffentlich-rechtlichen Rundfunk, sondern auch nicht an privaten Medien, habe die FPÖ doch ihre eigenen Kanäle aufgebaut. Die Freiheitlichen würden sich einen Mainstream wünschen, der durch ihre eigene Meinung bestimmt ist. Journalisten seien nicht dafür da, Politiker glücklich zu machen, meinte SPÖ-Klubchef Philip Kucher, der unter Applaus unkritische Fragen an FPÖ-Politiker aus FPÖ TV vorlas. („Die Angst vor Herbert Kickl muss groß sein, oder?“)
Regierung verteidigte ORF-Reform
Das Vorbild der FPÖ sei Orbán, der den öffentlichen-rechtlichen Rundfunk zum Staatsfunk umgebaut habe, meinte auch die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer. Mit dem neuen, am 1. Jänner in Kraft getretenen ORF-Gesetz müssen die Österreicher nun weniger für den ORF zahlen, wies Raab darauf hin, dass viele Bundesländer keine Landesabgaben mehr einheben. Auch habe man den ORF transparenter gemacht und es ihm etwa ermöglicht, Inhalte „online first“ zu produzieren. Es sei eine „demokratische Pflicht“, die Unabhängigkeit der freien Medien zu stärken, so Maurer. Sie sprach sich gegen eine von der FPÖ gewünschte Budgetfinanzierung des ORF aus. Damit würde die FPÖ, so sie in einer Regierung sei, diesen von ihrem Gutdünken abhängig machen wollen.
Für Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger leidet der ORF immer noch unter zu viel Einfluss der Parteien. Sie verwies auf Freundeskreise der Parteien im Stiftungsrat und Sideletter über Personalbesetzungen. Dass sich „ausgerechnet die FPÖ“ zum „Garant der unabhängigen, ehrlichen Information“ aufschwinge, wollte sie ebenfalls mit Blick auf FPÖ TV aber nicht gelten lassen.
Am Nachmittag wird das Ende des Amtsgeheimnisses vom Nationalrat besiegelt. Auch über Neuwahl-Anträge der Opposition wird abgestimmt. Sie dürften keine Chance auf eine Mehrheit haben.