Der mittlerweile fünfte Verhandlungstag im Prozess gegen den früheren Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wegen Falschaussage im Ibiza-Untersuchungsausschuss hatte eine mit Spannung erwartete Zeugenbefragung zu bieten. Der ehemalige ÖBAG-Chef und Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, gab in seiner Befragung darüber Auskunft, wie eng das Verhältnis zum Ex-Kanzler während dessen Regierungszeit war und ob Postenbesetzungen in der Staatsholding ÖBAG abgesprochen wurden. Wie der ehemalige Intimus von Kurz diesem nun grobe, juristische Probleme eingebracht hatte, lesen Sie hier.
Kommentar von Christina Traar
Der fünfte Prozesstag zum Nachlesen
Richter Michael Radasztics hat die Verhandlung eröffnet, es geht los. Die beiden Angeklagten haben Platz genommen, nach zwei Anträgen von Kurz-Verteidiger Otto Dietrich wird Schmid in den Saal gerufen. Er setzt sich vor den Richter, am Weg zum Sitzplatz würdigt er Kurz und Bonelli keines Blickes. Er nickt, als ihn der Richter an seine Wahrheitspflicht erinnert, und bestätigt, dass gegen ihn in Sachen ÖBAG-Bestellung nicht ermittelt wird. Schmid beginnt mit Ausführungen zu seinem Werdegang.
„Den Herrn Kurz“ habe er im Außenministerium kennengelernt, um die Zeit, als Kurz Staatssekretär wurde. Aus diesem Kennenlernen „hat sich eine gute Beziehung aufgebaut zueinander“, man habe sehr gut zusammengearbeitet „und bei Themen geholfen“. Eine Freundschaft, will der Richter wissen? Damit sei es so eine Sache im politischen Umfeld, sagt Schmid. „Es war schon auch ein sehr gutes, freundschaftliches Verhältnis“.
Video: Wer ist Thomas Schmid?
Wiedersehen vor Gericht
„Ich habe heute mit diesen Leuten nichts mehr zu tun“
Man habe sehr offen gesprochen. „Heute habe ich mit dem Herrn Kurz nichts mehr zu tun, mir ist das wichtig zu betonen.“ Wenig später wiederholt er, dass er „mit diesen Leuten nichts mehr zu tun“ habe. Auch mit Bonelli habe er heute keinen Kontakt mehr, damals habe er aber auch mit ihm eng zusammengearbeitet.
Nun geht es um die Aufstellung der ÖBAG. Die Staatsholding, die damals noch ÖBIB geheißen hatte, sei schlecht aufgestellt gewesen. Das Team dort sei klein gewesen, deshalb sei dazu ständig im Ministerium nachgefragt worden, was ihm „salopp gesagt auf die Nerven gegangen“ sei. Kurz habe ihm gesagt, dass er sich das einmal anschauen sollte. Er habe sich dann „sehr stark eingebracht, mehr als in andere Projekte“. Er habe sich dann mit der FPÖ recht früh dazu abgestimmt, sein Gegenüber war damals Ex-ÖBB-Vorstand Arnold Schiefer. Der wurde beim letzten Prozesstag als Zeuge befragt. Schiefer sei ein guter Ansprechpartner gewesen.
„Ich war ein enger Vertrauter von Kurz“
Es sei damals jedenfalls „denkunmöglich“ gewesen, einen Aufsichtsrat zu bestellen, der nicht mit Kurz‘ Leuten abgestimmt wurde, sagt Schmid. Es habe ein „laufendes Abstimmen“ gegeben, über die Aufsichtsräte. Das Abstimmen sei unter Kurz „einem Vetorecht gleichgekommen“. Der heutige Ex-Kanzler verfolgt die Ausführungen von Schmid aufmerksam, macht sich immer wieder Notizen. Er habe sich damals intensiv eingebracht, sagt Schmid, „mir hat das auch Freude bereitet“. Kurz habe ihn damals „in der ÖBAG gesehen“, „ich war ein enger Vertrauter von Kurz“, weshalb er sich klar als seinen Kandidaten gesehen habe. Sollte es damit nicht klappen, sei ein Job bei der „Signa“ von René Benko „Plan B“ gewesen.
In den Verhandlungen mit der FPÖ sei über die Anzahl der Vorstände und die Besetzung der Aufsichtsräte gesprochen worden. „Ich wollte schon auch Alleinvorstand werden“, gibt Schmid zu. Aus seiner Sicht sei das ausreichend gewesen. Er sei dann aber ins Bundeskanzleramt zitiert worden, weil für Kurz der damalige Entwurf für die Einigung nicht in Ordnung gewesen sei. Man habe diesen „Palawatsch“ dann auf politischer Ebene gelöst.
„Schlitten fahren“ mit Sigi Wolf
Warum wurde der Industrielle Siegfried Wolf nicht Aufsichtsratschef, wenn ihn Kurz doch wollte, will der Richter wissen. Das habe mit den „Russland-Sanktionen“ gegen Wolf zu tun gehabt, sagt Schmid. Kurz hatte vor Gericht angegeben, dass Schmid Wolf verhindern wollte, denn dieser wäre mit ihm „Schlitten gefahren“. Darauf vom Richter angesprochen, sagt Schmid: „Das kann schon sein, dass der mit mir Schlitten gefahren wäre. Die Frage ist auch, wohin er mit mir gefahren wäre.“ Kurzes Gelächter im Saal. Er habe Wolf kennengelernt, dieser wäre nicht sonderlich angenehm als Chef gewesen, sagt Schmid. Ex-Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) habe sich einen anderen ÖBAG-Chef gewünscht, den habe Kurz jedoch verhindert. Kurz und Bonelli wollten jedenfalls bei der Bestellung „nicht nur informiert werden, sondern mitreden“.
Es sei ihm „auf die Nerven gegangen“, dass die Entscheidung damals so lange gedauert habe. Dies sei für alle „sehr, sehr schwierig“ gewesen. Nach einer kurzen Pause geht der Richter mit Schmid Chats zwischen ihn und Kurz durch, in denen er von einem „coolen Deal für die ÖVP“ in Sachen ÖBAG spricht. Zu Ex-Finanzminister Blümel (ÖVP) habe er damals das engste Verhältnis gehabt. Er sei damals „Koordinierer“ gewesen, auch privat habe man sich gut verstanden. Aber auch zu ihm habe er heute keinen Kontakt mehr.
„Angeschnittene Eier“ - Schmid: „Haben eine raue Sprache gepflegt“
„Wir haben eine sehr raue Sprache gepflegt“, sagt Schmid, als ihm der Richter Chats mit Blümel vorhält, in denen sie sich über die Neuaufstellung der ÖBAG unterhalten. Darin ist unter anderem von „angeschnittenen Eiern“ und einem „Schaß“ zu lesen. „Ich stürze mich in die Donau und du bist schuld“ wurde ebenfalls von Schmid geschickt. Auch über Schiefer habe er sich in Nachrichten aufgeregt, mit dem habe er sich immer wieder „gefetzt“. Kurz sei hingegen ein guter Chef gewesen, habe immer wieder gelobt, wie die Sache bearbeitet werde. Er habe Kurz‘ Nachrichten wie „Du Aufsichtsratssammler“ als positiv und unterstützend wahrgenommen.
Kurz, der ruhig zugehört hatte, gestikuliert nun sichtbar aufgebracht zu Bonelli und seinen Verteidiger und schüttelt den Kopf. Er selbst hatte in seiner Befragung vor Gericht eine andere Interpretation geliefert, wonach er Schmid mit seinen Nachrichten einbremsen habe wollen.
„Ich hatte immer das Backing von Kurz“
Nach der Mittagspause geht es weiter, Schmid hat den Saal erneut betreten und Platz genommen. Der Richter will die Nachricht an Kurz besprechen, in der er sich für dessen Unterstützung bedankt - „Dass du mir diese Chance gibst, ist echt grenzgenial“. Er habe sich vom ehemaligen Kanzler immer unterstützt gefühlt, sagt der Zeuge. Ohne dessen Hilfe hätte er die ÖBAG-Führungsposition nicht bekommen. „Ich hatte immer das Backing von Kurz.“ Als es um eine Chatnachricht mit dem Wort „Unmöglich“ von Kurz auf einen Vorschlag Schmids für den Vorstand geht, betont dieser: „Wenn du vom Kanzler so eine Antwort bekommst, heißt das: nein.“ Wenig später fügt er hinzu: „Bei all diesen Fragen hatte am Ende das letzte Wort das Bundeskanzleramt.“
Dass er in einigen Chats gegen andere ausholte, begründet Schmid heute damit, dass das in der Kommunikation mit dem Bundeskanzleramt wichtig gewesen sei. Um zu zeigen, dass man eine klare Meinung habe. Dass diese öffentlich wurden, sei ungerecht. Bei den Vorschlägen für die ÖBAG-Spitzenfunktionen sei es „für die Leute im Kanzleramt wichtig, dass Leute nicht eigene Meinungen entwickeln, sondern der gemeinsamen Linie folgen“, sagt Schmid.
Verteidiger dürfen zuerst fragen
Als die inzwischen berühmte Nachricht von Blümel an Schmid - „Keine Sorge, du bist Familie“ - besprochen wird, will der Richter wissen, was er selbst darunter verstanden hat. „Passt eh alles. Das hat bedeutet: Thomas, du bist ja einer von uns“, sagt Schmid. Als der Richter mit seinen Fragen fertig ist, stellt Kurz‘ Verteidiger Dietrich den Antrag, dass die Anwälte mit ihren Fragen vor der Staatsanwaltschaft zu Wort kommen - im Sinne der Waffengleichheit. Die Staatsanwälte geben sich verwirrt, in 20 Jahren habe man eine solche Argumentation noch nie gehört, der Antrag möge abgewiesen werden. Doch Richter Radasztics gibt dem Antrag statt, die Staatsanwälte schauen überrascht. Nach einer kurzen Pause geht es mit den Fragen der Verteidigung weiter.
Dietrich will von Schmid wissen, wann er sich im U-Ausschuss entschlagen hat, ob und welche schriftlichen Unterlagen er verwendet hat und was in den Protokollen stand. Schmid zeigt sich bemüht, aber teils überfragt. „Sind Sie von der WKStA unter Druck gesetzt worden?“, fragt Dietrich. „Nein.“ Damals habe allgemeine Angst darüber geherrscht, abgehört zu werden, sagt Schmid. Der Anwalt will auf ein Foto hinaus, das er vorlegt: Demnach habe Schmid Kurz zu einem Auftritt in der Zib2 gratuliert, in dem dieser seine Involvierung in die ÖBAG-Bestellung bestritten hatte. Auf Nachfrage geht Schmid darauf kaum ein.
(Nicht) Gelöschte Nachrichten
Es geht weiter um Chatnachrichten von Schmid, der Richter lässt manche davon nicht zum Akt, weil Kurz‘ Anwalt die Herkunft nicht genau nennen kann. Dann geht es um die Frage, ob Schmid ÖBAG-Akten vernichten habe lassen, er verneint. Er habe damals aber geglaubt, dass er all seine Nachrichten am Handy gelöst habe und in der Einvernahme zugegeben, dies versucht zu haben. Weitere Nachfragen werden damit begründet, widersprüchliche Angaben von Schmid bzw. dessen Gesamtverhalten aufzeigen zu wollen.
Ein angestrebtes Einbringen von Aussagen zu einem Bewerbungsgespräch von Schmid wird vom Richter nicht zugelassen. Es gehe um die Glaubwürdigkeit, wiederholt Dietrich und ärgert sich, dass er im Gegensatz zur WKStA keine Fragen dazu stellen dürfe. Es gehe auch um die Kronzeugenregelung, die für Schmid im Raum stehe. Diese sei aber in diesem Verfahren gar nicht Thema, widerspricht der Staatsanwalt, so geht das eine Weile hin und her. Dann will Dietrich wissen, wie es dazu kam, dass die ÖBAG einen Betriebsrat bekam. Schmid zeigt sich irritiert, in seiner Wahrnehmung sei ein solcher nicht vorgesehen gewesen. Kurz zeigt sich offenbar verärgert darüber, dass keine konkreteren Antworten kamen.
Befragung abgebrochen und vertagt
Nach einer kurzen Pause ist Bonelli-Anwalt Werner Suppan an der Reihen, es ist bereits kurz vor 18 Uhr. Er will Details zu den angeblichen Schwächen der ÖBIB erfahren, dann geht es um das angebliche Kurz-Veto und um Besetzungsfragen. Nach einigen Detailfragen wäre um 18:30 die WKStA mit Fragen an der Reihe. Doch Oberstaatsanwalt Gregor Adamovic räumt ein, dass man viele Fragen habe und die Zeit schon fortgeschritten sei. Der Richter fragt Schmid, ob er „zu einem anderen Zeitpunkt“ fortsetzen wolle. Er bejaht, doch Supppan gibt zu bedenken, dass Schmid vor allen anderen Zeugen befragt werden sollte. Kurz zeigt sich empört über eine mögliche Unterbrechung, es folgt eine kurze Pause.
Dann die Entscheidung: Weil es spät ist, wird die Befragung abgebrochen, Schmid wird am kommenden Freitag weiter befragt. Der dafür ursprünglich geladene Ex-Finanzminister Blümel werde „verlegt“. Damit endet der Prozess nach mehr als neun Stunden.
Danke fürs Mitlesen.