Am dritten Verhandlungstag im Prozess gegen Sebastian Kurz (ÖVP) und anfänglich zwei Mitbeschuldigte wegen Falschaussage vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss stand die Befragung von Kurz‘ ehemaligem Kabinettschef und Vertrauten Bernhard Bonelli auf dem Programm. Neben Kurz wird auch ihm vorgeworfen, im Ibiza-Untersuchungsausschuss vor drei Jahren falsche Angaben in Zusammenhang mit der Besetzung der Öbag-Spitze gemacht zu haben.
Bonelli hatte dort angegeben, von der Besetzung gewusst zu haben. Laut Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) sei Bonelli darin jedoch direkt eingebunden gewesen und habe mit seinen falschen Angaben lediglich seinen Kanzler schützen wollen.
So verlief der dritte Prozesstag
Der Richter hat den dritten Verhandlungstag eröffnet, Kurz und Bonelli haben den Saal betreten, es geht los. Die WKStA beginnt mit einigen (komplexen) Klarstellungen, der Richter will darüber in den kommenden Tagen entscheiden. Die beiden Angeklagten hören den Ausführungen zu, sie sitzen heute mit einem leeren Sessel Abstand nebeneinander. Bonelli nimmt nun vor dem Richter Platz und beginnt mit einer vorbereiteten Erklärung, nachdem er sich „nicht schuldig“ bekennt.
Er sei nach dem Studium in die Privatwirtschaft gegangen, bis er bei Kurz in dessen Team eingestiegen sei. Er sei überzeugt gewesen, dass dieser etwas verändern könne. Bonelli habe sich engagiert, „das Gemeinsame vor das Trennende gestellt“ und sei trotz allem „sehr dankbar für diese Zeit“. Er war auch in die Medienarbeit eingebunden, die manche als „Message Control“ wahrgenommen haben, die aber schlicht koordiniert abgelaufen sei.
Bonelli: Kurz „einer der fleißigsten Menschen, die ich kenne“
Das Team im Kabinett habe „sehr gut gearbeitet“, bekräftigt Bonelli, Kurz sei „einer der fleißigsten Menschen, die ich kenne“. Der Angesprochene, der in Bonellis Rücken sitzt, macht sich eifrig Notizen. Die damalige Zeit des Ausschusses sei „extrem stressig“ gewesen, man habe damals mit der Beschaffung von Coronaimpfungen gerungen. Er habe „24/7“ mit Corona zu tun gehabt und sei nicht ausreichend auf den Ausschuss vorbereitet gewesen. Ähnlich hatte zuvor auch Kurz im Prozess argumentiert.
Video: Darum geht es im Kurz-Prozess
Wie dieser spricht nun auch Bonelli von gezieltem Bemühen der Ausschuss-Abgeordneten, Auskunftspersonen zu Falschaussagen zu bewegen. Zudem habe es Strichlisten gegeben, wie oft er angegeben habe, sich nicht erinnern zu können, er sei mehrfach unter Druck gesetzt worden. Er sei für manche Aussagen sogar ausgelacht worden. Die diversen Hausdurchsuchungen in seinem Umfeld seien für ihn damals auch „traumatisierend“ gewesen.
„Das geht sich in meinem Hirn nicht aus“
Vor dem Ausschuss habe er ausgesagt, dass der Öbag-Bestellungsprozess Sache des Finanzministers gewesen sei. Gegen ihn werde nun ein Verfahren wegen Falschaussage geführt, dabei habe der frühere Öbag-Chef und heutige zentrale Belastungszeuge, Thomas Schmid, genau dasselbe ausgesagt. „Das geht sich in meinem Hirn nicht aus“, sagt der Angeklagte. Er habe damals auch seine Antworten knapp gehalten – aus Angst vor strafrechtlicher Verfolgung, der Ausschuss sei „ein Minenfeld“. Inhaltlich würde er jedoch dabei bleiben, diese hätten „der objektiven Wahrheit“ entsprochen.
Einen Fehler habe er aber gemacht: Er habe damals versehentlich ein Positionspapier verschickt, indem eine Zerschlagung der WKStA gefordert wird. Damit erklärt sich Bonelli nun die Ermittlungen gehen ihn. Deshalb werde er die Fragen der Anklage im Verfahren auch nicht beantworten, sagt er – und beendet seine Erklärung. Nun ist der Richter mit seinen Fragen dran – und spielt Audioaufnahmen von Bonellis Befragung im Ausschuss ab. Dieser bekräftigt dazu erneut, dass seine Angaben der Wahrheit entsprochen haben.
Schmid nur an eigenem Fortkommen interessiert
Richter Michael Radasztics will wissen, warum sich Bonelli im Ausschuss so oft mit seiner Vertrauensperson beraten habe. Er habe sich der Gefahr der strafrechtlichen Verfolgung nicht aussetzen wollen. Nach einer kurzen Pause geht es weiter um die Bestellung des Öbag-Aufsichtsrates. Schmid sei damals nur an seinem eigenen Fortkommen interessiert gewesen, erinnert sich Bonelli, der mehrfach Chats von Schmid zitiert – als eine Art „Charakterstudie“. Auch er selbst habe einen Kandidaten für den Aufsichtsrat genannt, dazu sei es aber nicht gekommen. Er sei jedenfalls „kein großer Freund von Thomas Schmid“ gewesen.
Nach der Mittagspause setzt Richter Radasztics fort, er habe noch „ergänzende Fragen“. Er habe Schmid dennoch als „Player“ wahrgenommen, wenn er ihn in die Dinge eingebunden hat, oder? Er sei oft einfach zuständig gewesen, sagt Bonelli. Dennoch habe der Finanzminister entschieden, wer bei der Öbag das Sagen habe. Wenig später übergibt der Richter an die WKStA, auch wenn die Fragen von Oberstaatsanwalt Gregor Adamovic unbeantwortet bleiben. Er stellt sie dennoch, Bonelli sitzt mit verschränkten Armen da und schweigt.
Kurz erbittet Recherche-Pause
SMS werden vorgelegt und zitiert, es geht um Besetzungen, Entscheidungen, Vorschläge zur Öbag. Bonelli schaut auf den Bildschirm vor ihm und blickt wortlos auf die WKStA-Vorhalte. So geht das eine Weile. Die Befragung ist zu Ende, der ebenfalls anwesende Kurz muss noch einmal vor dem Richter Platz nehmen, während sich Bonelli wieder in die zweite Reihe setzen darf.
Er habe eine ergänzende Frage, sagt Richter Radasztics und hält dem Angeklagten einen Chatverlauf zwischen ihm und Thomas Schmid vor. Es geht um eine mögliche Bestellung, Kurz könne sich jedoch nicht genau erinnern und „müsste ein bisschen recherchieren“. Nach zehn Minuten Pause meldet sich Kurz mit einem „Okay“ zurück. Er liefert nun Kontext, es ging damals um den Generalrat der Österreichischen Nationalbank.
Als es wieder um Schmid geht, hält Kurz fest: „Es hat zwischen Thomas Schmid und mir immer ein gutes und freundschaftliches Verhältnis gegeben.“ Das heiße jedoch nicht, dass er nicht auch dessen „Eigeninteressen am Radar“ hatte. Man sei nicht mit allen in der Regierung immer super befreundet gewesen, es gebe immer Schwächen. Bei Schmid habe er immer gewusst, dass dieser „sein eigenes Spiel gespielt“ habe. „Wollte ich ihn in meiner engsten Runde haben? Nein.“
Schmid-Befragung wohl am 17. November
Der Richter hat genug gehört und verkündet die weitere Vorgehensweise. Am 17. November ist der vierte Verhandlungstag angesetzt – und da wird es spannend. Thomas Schmid, die ehemaligen Finanzminister Hartwig Löger und Gernot Blümel (beide ÖVP) sowie der Manager Arnold Schiefer sollen für diesen Termin geladen werden, Schmid dürfte zuerst befragt werden. Auch die WKStA will noch Zeugen laden, unter anderem Vizekanzler Heinz-Christian Strache und den Unternehmer Sigi Wolf. Auch Kurz‘ Anwalt will weitere Zeugen, der Richter will darüber später entscheiden und zuerst seine avisierten Zeugen befragen.
Damit endet der dritte Prozesstag. Am 17. November geht es weiter, wir werden wieder live berichten.
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Der Kurz-Prozess
Was bisher geschah
Am vergangenen Freitag war der frühere Bundeskanzler Kurz ausführlich zu Wort gekommen. In einem vorbereiteten Statement sowie in seiner Befragung durch den Richter beteuerte Kurz seine Unschuld und teilte gegen seinen früheren Vertrauten Thomas Schmid aus, der heute als zentraler Zeuge der WKStA gilt und den Kronzeugenstatus anstrebt. Eine ausführliche Zusammenfassung des zweiten Prozesstages lesen Sie hier.
Bereits am ersten Tag wurde das Verfahren gegen die Hauptangeklagte und frühere Casinos-Chefin Bettina Glatz-Kremsner ausgegliedert. Ihr wurde eine Diversion gewährt – vorausgesetzt, sie bringt die geforderten Geldmittel dafür auf und die WKStA erhebt keine Rechtsmittel dagegen. Mehr dazu lesen Sie hier.