Bei Versammlungen zum Gedenken an den in Haft verstorbenen Kreml-Kritiker Alexej Nawalny sind nach Angaben von Menschenrechtlern in Russland mittlerweile mehr als 400 Menschen festgenommen worden. Allein in St. Petersburg hätten die Behörden mindestens 200 Personen inhaftiert, teilt die Online-Bürgerrechtsplattform OVD-Info mit. Insgesamt habe es Festnahmen in 32 russischen Städten gegeben.
Blumen für Nawalny, Einschüchterungen gegen Trauernde
Die Menschen waren gekommen, um Blumen abzulegen im Gedenken an Nawalny, der offiziellen Angaben zufolge im Alter von 47 Jahren in einem Straflager im äußersten Norden Russlands ums Leben gekommen ist. Unter den Festgenommenen waren laut Medienberichten auch Journalisten.
In Moskau war bis in die Nacht hinein ein großes Polizeiaufgebot im Stadtzentrum, wie eine Reporterin der Deutschen Presse-Agentur von vor Ort berichtete. Zwischenzeitlich hatten Menschen dort in einer langen Schlange gewartet, um Blumen abzulegen am sogenannten Solowezki-Stein, der Opfern politischer Repressionen gewidmet ist. Viele wurden zwar zu dem Stein durchgelassen, jedoch von Polizisten eingeschüchtert und ständig ermahnt, den Ort schnell wieder zu verlassen.
Trotz Festnahmen und Drucks der Behörden hielten auch in Russland die öffentlichen Beileidsbekundungen für Nawalny an. In Moskau und anderen Städten räumten Männer in Zivil oder Mitarbeiter der Stadtreinigung spontan errichtete Erinnerungsstätten. Sie packten Blumen in Müllsäcke, sammelten Kerzen und Bilder ein. Medien in vielen Teilen Russlands berichteten am Samstag, dass trotzdem weiter frische Blumen niedergelegt, Kerzen angezündet und Bilder zur Erinnerung an Nawalny aufgestellt wurden. Bürgerrechtler gaben auch juristische Hinweise für das Niederlegen von Blumen und veröffentlichten die Nummer einer Telefon-Hotline für anwaltliche Hilfe. Viele Russen hatten nach dem Tod Nawalnys öffentlich ihre Wut geäußert.
„Wie groß doch selbst die Angst des Machtapparates vor einem Toten ist, wenn sogar das Ablegen von Blumen zu seinem Andenken als Verbrechen angesehen wird“, schrieb der russische Friedensnobelpreisträger und Gründer der kremlkritischen Zeitung „Nowaja Gaseta“, Dmitri Muratow, am Samstag im Nachrichtenkanal Telegram.
Proteste in London, Wien und anderen Städten
In London demonstrierten, wie in Wien und weiteren europäischen Städten, am Freitag dutzende Menschen vor der russischen Botschaft. Sie trugen Transparente mit Aufschriften auf Russisch und Englisch, auf denen Losungen standen wie „Stoppt Putin“, „Mörder“ und „Wir sind Nawalny“. Der prominente Kreml-Kritiker Nawalny, der als wichtigster innenpolitischer Widersacher Putins galt, war nach Angaben der Gefängnisbehörden am Freitag in einer Strafkolonie in der russischen Polarregion gestorben. Die Gründe für seinen Tod würden untersucht, hieß es. Der Tod des 47-Jährigen löste weltweit Bestürzung aus.
Nawalny-Team bestätigt Tod des Kremlgegners
Die Mutter des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny hat nach Angaben von dessen Sprecherin eine amtliche Bestätigung von seinem Tod erhalten. Der Leichnam müsse den Angehörigen unverzüglich übergeben werden, forderte Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch am Samstag auf der Kurznachrichtenplattform X. Die russische Zeitung „Nowaja Gaseta“ berichtete, Nawalnys Mutter Ljudmila Nawalnaja sei gemeinsam mit einem Rechtsanwalt ihres Sohnes auf dem Weg in das Straflager.
Nawalny war zu mehr als 30 Jahren Haft verurteilt worden. Zuletzt war er im Straflager „Polarwolf“ nahe der Ortschaft Charp im Autonomen Kreis der Jamal-Nenzen in Nordrussland inhaftiert. Jarmysch erklärte, Behördenangaben zufolge werde der Leichnam in die Kreishauptstadt Salechard überführt, um dort untersucht zu werden. Nawalny sei den Angaben zufolge um 14.17 Uhr Ortszeit gestorben.