Der Nationalrat startete heute mit der konstituierenden Sitzung in seine neue Gesetzgebungsperiode. Nach der Angelobung der 183 Abgeordneten wurde das Präsidium (geheim) gewählt. Mit Walter Rosenkranz erhielt erstmals ein Freiheitlicher das Amt des Parlamentschefs. Er wurde mit 100 Stimmen (61,7 Prozent) gewählt. Die Wahl von ÖVP-Mandatar Peter Haubner zum Zweiten Präsidenten und jene von Doris Bures (SPÖ) zur Dritten Präsidentin folgte im Anschluss. Sie stellen nun das neue Präsidium.
Erste Sitzung des neuen Nationalrats
Noch-Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka eröffnete – zum letzten Mal – um 12.30 Uhr die Sitzung. Diese begann mit der Bundeshymne, gefolgt von der Europahymne, die im Saal Sitzenden standen dafür auf. Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen ist anwesend. Dann wurden alle 183 Abgeordneten angelobt, die im Anschluss der Gelöbnisformel nach Aufruf ihres Namens (inklusive akademischer Titel) „ich gelobe“ riefen. Ex-FPÖ-Chef Nobert Hofer tat dies mit dem (rechtlich zulässigen Zusatz) „so wahr mir Gott helfe“.
Kommentar von Walter Hämmerle
Zwischenrufe bei Kickl-Rede
Im Anschluss folgte die Wahl des Präsidiums, zuvor war jedoch noch eine Debatte vorgesehen, 23 Minuten Redezeit pro Klub waren vorgesehen. Und da es nach Klubstärke geht, hatte FPÖ-Chef Kickl als erster das Wort. Er verspüre „Demut“ und sehe das Wahlergebnis als Zeichen für Veränderung. Während seiner Rede kam es immer wieder zu Zwischenrufen. Kickl lobt Bures und Haubner, beiden zollte er Respekt. Die FPÖ habe als „Erstplatzierte“ das Recht, den ersten Präsidenten vorzuschlagen und das sei Rosenkranz, der „niemals“ Zweifel an seiner Treue für die Republik oder den Rechtsstaat aufkommen lassen – wieder vereinzelte Zwischenrufe.
Anschließend war ÖVP-Chef Karl Nehammer am Wort. Er betonte, wie wichtig es ist, der Republik nun zu dienen. Nehammer warb für den türkisen Kandidaten Haubner und bedankte sich beim scheidenden Präsidenten Sobotka – „du hast dieses Haus vorbildlich geführt“. Auch Bures unterstütze man. Dann ergriff SPÖ-Chef Andreas Babler das Wort. Es sei ein besonderer Tag für ihn, er ziehe erstmals in Parlament ein, lege jedoch auch sein Amt als Traiskirchner Bürgermeister zurück, „nach 30 Jahren in der Kommunalpolitik“. Er rief zu Respekt „für die Lebensrealitäten der Menschen“ auf. Die FPÖ dürfe zwar den Nationalratspräsidenten vorschlagen, aber „für mich ist klar, dass der Nationalratspräsident keine Bezugspunkte zu Rechtsextremen haben darf“. Bures sei für das Amt hingegen „zweifelsfrei bestens geeignet“.
Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger hieß zu Beginn alle neuen Abgeordneten im Haus willkommen. Die Neos unterstützen die Usance der Nominierung, das heiße jedoch nicht, dass man die aufgestellte Kandidatinnen und Kandidaten auch so wählen müsse. Rosenkranz habe sich aber einem vertraulichen Gespräch gestellt, „also danke dafür“. Aus den FPÖ-Rängen kamen wiederum Zwischenrufe, als Meinl-Reisinger in den Raum stellte, dass die Partei zu „Krawallen“ auf den Straßen aufrufen könnte. Grünen-Chef Werner Kogler sorgte im Anschluss für noch mehr Empörung bei seinen Ausführungen, dass die Betonung der FPÖ eines „einheitlichen Volkes“ aus geschichtlicher Sicht einst zu einem „Führer“ geführt hätten. Er appelliere auch an andere Parteien, hier keinen „europafeindlichen Vertreter“ zu wählen. Die Grünen hatten bereits angekündigt, Rosenkranz nicht zu wählen. FPÖ-Mann Norbert Hofer konterte im Anschluss: „Du warst früher ein witziger Redner, ich hoffe, das findet sich wieder“. Es folgten Wortmeldungen weiterer Fraktionsvertreter.
Rosenkranz als Präsident gewählt
Der Wahlvorgang für das Präsidium erfolgte anonym und dauerte eine gute halbe Stunde. FPÖ-Mann Rosenkranz erhielt, wurde später verkündet, 100 Stimmen, 26 Nennungen erhielt FPÖ-Mann Hofer, 23 Stimmen nannten Bures, 13 entfielen auf andere Kandidaten. Nach der Verkündung hielt der scheidende Präsident Sobotka seine Abschiedsrede. Er gehe nicht mit Wehmut, sondern Dankbarkeit aus dem Hohen Haus. Er bedankte sich bei zahlreichen Wegbegleiterinnen und Wegbegleitern wie bei seiner Familie, die auch „einiges aushalten“ habe müssen. „Ich räume das Feld“, erklärte Sobotka, dann übergibt er an Rosenkranz. Alle im Plenum applaudierten, außer die Freiheitlichen.
Digitale Infografik
Rosenkranz beginnt seine Antrittsrede mit Worten an die Abgeordneten. Sie alle seien zu Volksvertretern gewählt worden. Sie seien nun dazu aufgerufen, „dass das Recht vom Volk ausgeht“. Die Debatte im Hohen Haus könne durchaus „kontrovers“ sein, man möge jedoch versuchen, ohne Beleidigungen auszukommen. Usancen seien ihm wichtig, er wolle „konstruktives Einvernehmen“ herstellen. Bei Untersuchungsausschüssen in Sachen Befangenheit wolle er bei entsprechendem Anschein auf Stellvertretungen setzen. Zudem würde eine Live-Übertragung „der Qualität der Ausschüsse sicher guttun“. Die Jugend wolle er mit einer „weiter starken Demokratiewerkstatt“ über die Arbeit der Politik informieren. „Ich bin ein Verfechter des guten Föderalismus“, erklärt Rosenkranz.
Im Vorfeld seiner Nominierung habe es Vorurteile und „sogar hier im Saal, Lügen“ gegeben. „Das muss ein Politiker aushalten.“ Aber die Unterstellung von IKG-Präsident Oskar Deutsch, wonach Rosenkranz als Präsident das jüdische Leben im Land gefährde, habe ihm tief getroffen. „Diese Unterstellung weise ich entschieden zurück.“ Er habe bereits viel für den Kampf gegen Antisemitismus getan und dieser werde auch weiter fortgesetzt, versichert Rosenkranz. „Es lebe die Republik Österreich“, erklärt der neue Präsident am Ende seiner Rede. SPÖ und Grüne applaudieren nicht.
Wenig später wurde Haubner mit 148 Stimmen zum Zweiten Nationalratspräsidenten gewählt. Er wurde in den Wortmeldungen zuvor mehrfach lobend erwähnt, er nahm die Wahl an und am Präsidium Platz. Im Anschluss wurde auch Doris Bures für das Amt der Dritten Nationalratspräsidentin gewählt, sie erhielt 131 Stimmen, 31 entfielen an den Abgeordneten Josef Muchitsch. Auch sie nahm im Anschluss auf dem Präsidium Platz. Im Anschluss wurden Fotos erstellt.
Zweifel an Rosenkranz, 73 neue Gesichter
Hinter der Wahl von Rosenkranz stand bis zuletzt ein kleines Fragezeichen, da der bisherige Volksanwalt die Unterstützung zumindest von Teilen von ÖVP und/oder SPÖ benötigt. Der geschäftsführende VP-Klubchef August Wöginger hat am Mittwoch klargestellt, dass der Freiheitliche aus seiner Sicht "wählbar" ist. Auch sein SPÖ-Pendant Philip Kucher hielt fest, dass man sich prinzipiell an die Usance halte, wonach die stärkste Partei auch den Präsidenten stellt.
Zu sehen gibt es heute im Hohen Haus viele neue Gesichter. 73 der gewählten Abgeordneten waren am Ende der vergangenen Gesetzgebungsperiode nicht im Nationalrat vertreten. Zu den bekanntesten Neulingen zählen bei der FPÖ neben Rosenkranz Manager Arnold Schiefer und die frühere ORF-Moderatorin Marie-Christine Giuliani-Sterrer, bei der SPÖ Parteichef Andreas Babler und GPA-Chefin Barbara Teiber, bei den Neos Medienmanager Veit Dengler sowie bei den bisherigen Koalitionsparteien die meisten Regierungsmitglieder von Karl Nehammer (ÖVP) und Werner Kogler (Grüne) abwärts.
Freiheitlichen stärkste Kraft
Stärkste Kraft in der 28. Gesetzgebungsperiode sind die Freiheitlichen mit 57 Mandaten, gefolgt von der ÖVP mit 51 und der SPÖ mit 41 Abgeordneten. Die Neos dürfen 18 Parlamentarier entsenden, die Grünen 16. Wie üblich schmücken sich die Abgeordneten am Tag ihrer Angelobung wieder mit parteispezifischen Ansteckern am Revers. Die ÖVP setzt auf weiße Rosen, die SPÖ wieder auf rote Nelken. Die Neos tragen pinke Sprechblasen-Pins, die Grünen brachten Topfpflanzen mit. Die FPÖ trägt ein rot-weiß-rotes Band mit einer Edelweiß-Brosche.