Morgen, Donnerstag, findet sich der frisch gewählte Nationalrat zu seiner konstituierenden Sitzung im Wiener Parlament zusammen. Neben der Angelobung der 183 Abgeordneten steht dabei auch die Wahl des neuen Nationalratspräsidiums auf dem Plan. Nachdem der Spitzenposten dabei traditionell an die stimmenstärkste Partei geht, stehen die Chancen für den von der FPÖ nominierten Kandidaten und früheren Volksanwalt Walter Rosenkranz gut, Nationalratspräsident zu werden.
Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG), Oskar Deutsch, warnt nun die Abgeordneten in einem offenen Brief vor der Wahl von Rosenkranz für das zweithöchste Amt im Staat. Die Bundesverfassung statte dieses mit „umfassenden Rechten und Aufgaben“ aus, erinnert Deutsch im Schreiben. „Wird ein Mitglied deutschnationaler Verbindungen dieser Verantwortung gerecht? Jemand, der Nazi-Verbrecher als burschenschaftliche ‚Leistungsträger‘ verharmlost und geradezu huldigt?“
Deutsch: „Brauner Wolf im blauen Schafspelz“
Der IKG-Präsident erinnert zudem, dass der Nationalratspräsident auch dem Kuratorium des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus sowie dem Friedhofsfonds vorstehe und damit auch „für jüdische Friedhöfe und wichtige Erinnerungsprojekte zuständig“ sei. Den Brief beendet Deutsch mit einer Frage: „Kann dieser Kampf gegen Judenhass, das Einstehen für eine aufrichtige Erinnerungskultur, die der Zukunft dienen muss, glaubwürdig durch einen Repräsentanten des revisionistischen deutschnationalen Lagers geführt werden? Sie entscheiden.“
FPÖ empört über Deutsch-Aussage
Es ist nicht das erste Mal, dass Deutsch seine Ablehnung für Rosenkranz kundtut. Im Bundespräsidentschaftswahlkampf vor zwei Jahren nannte Deutsch den damals kandidierenden FPÖ-Mann einen „braunen Wolf im blauen Schafspelz“. Die FPÖ gab sich empört und sprach von „skandalösen Aussagen“ und Rufschädigung. Auch nach dem jüngsten Wahlerfolg der Freiheitlichen bei der Nationalratswahl äußerte sich Deutsch kritisch, dieser wirke für viele „bedrohlich“.