Die Wende kam sperrig daher. „Außerdem haben wir nun ein Modell für europarechtskonforme Zurückweisungen entwickelt“, sagte Deutschlands Innenministerin Nancy Faeser (SPD). Zugleich kündigte sie Kontrollen an allen deutschen Außengrenzen an. Die sollen vom kommenden Montag an greifen. Ihr sei es „auch künftig sehr wichtig, eng abgestimmt mit unseren europäischen Partnern zu handeln“, ergänzte Faeser. Darüber herrschten nicht allein in Österreich Zweifel. Auch wenn hier schon seit 2015 stete Kontrollen gelten.

Merz will den Kurs verschärfen

In Deutschland reagierte die Union abwartend auf den Vorstoß. „Die Sache ist wichtiger als der Weg dahin“, sagte der CDU-Politiker Thorsten Frei zum Asylgipfel zwischen Bundesregierung, Opposition und Bundesländern am Dienstag in Berlin. Frei, Jurist aus Baden, ist Chefunterhändler der Union. Erst nach einem Telefonat konnte ihn Faeser von einer Teilnahme am Asyltreffen überzeugen. Doch wurden die Gespräche nach zwei Stunden abgebrochen. Endstation für Faeser.

Das passt ins Konzept von CDU-Chef Friedrich Merz. Er hatte der Ampel seit dem Anschlag von Solingen eingeheizt. Seine Taktik in Wahlkampfzeiten: Den Dissens in der Ampel vor allem zu den Grünen zu erhöhen. Am Dienstag präsentierte Faeser ihren Plan. Er sieht vor, was das Europarecht hergab: Wer ohne gültige Papiere aufgegriffen wird, dem kann an der Grenze die Einreise verwehrt werden. Für Asylfälle sollte eine Art Schnellverfahren kommen. Das reichte der Union nicht.

So interpretiert jeder in der EU das Recht auf seine Weise. Das gilt auch für die Union. Sie dringt auf strengere Maßnahmen. Die CDU will sich vor der Wahl in Brandenburg am 22. September kein wichtiges Thema aus der Hand nehmen lassen. Auch die SPD verschärft den Kurs, seit das Bündnis Sahra Wagenknecht mit restriktiven Migrationsforderungen auch im traditionellen sozialdemokratischen Milieu punktet. Selbst, wenn die Zahlen in Brandenburg anders aussehen als in Thüringen in Sachsen. Dort liegt die regierende SPD mit gut zwanzig Prozent annähernd gleich auf mit der AfD. Die Union kommt auf 18 Prozent, das BSW auf 15 Punkte. Könnte reichen für eine Fortsetzung von Rot-Schwarz. Auch, wenn die Migration für beide kein Gewinner-Thema ist.

So bleibt die Lage verzwickt. Das zeigt ein Blick auf die Zahlen. Im Vorjahr wurden an Deutschlands Grenzen 127.549 Menschen aufgegriffen, davon wies die Bundespolizei 35.618 zurück. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres 42.307 wurden unerlaubte Einreisen registriert, davon wurden 21.661 Menschen abgewiesen. Doch statt über Zahlen zu reden, imitierten Union und SPD die Wahlkampfrhetorik der AfD.

Erfolge – auch auf EU-Ebene - gehen da leicht unter. So fiel nach Angaben der EU-Grenzagentur Frontex die Zahl der illegalen Einreisen in die EU in den ersten sechs Monaten dieses Jahres um ein Drittel auf rund 90.000 Menschen, die riskanten Überfahrten übers Mittelmeer fielen um 61 Prozent auf 25.653 Geflüchtete. Doch ist mit diesen Zahlen schwer durchzudringen in Wahlkampfzeiten.

Doch vollzog Faeser selbst mit der Grenz-Ankündigung eine Umkehr. Auch von Angela Merkels Willkommenskultur. Lange hatten das vor allem Konservative in der EU gefordert. Doch wirkten in der EU viele überrascht vom neuen deutschen Alleingang. Und Bayerns-Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder legt schon mal nach. Er forderte, die Asylzahlen in Deutschland „auf weit unter 100.000“ zu senken. Das geht nur zu Lasten der Nachbarn. Ob er das mit Österreichs ÖVP besprochen habe, wurde Söder in der ARD gefragt. „Erstmal muss Deutschland für sich entscheiden“, stellte Söder klar und sprach von „Signal an die europäischen Nachbarländer senden, die eigenen Grenzen besser zu sichern“. Jeder kämpft für sich alleine. In den Niederlanden sprach sich Geert Wilders, Fraktionschef der stärksten Regierungspartei PVV, dafür aus, dem deutschen Beispiel der Grenzkontrollen zu folgen. Eine Kettenreaktion.