Der von der ÖVP eingesetzte Untersuchungsausschuss zum „rot-blauen Machtmissbrauch“ fokussierte am Donnerstag ganz auf die Freiheitlichen. Bundesparteichef Herbert Kickl wurde in das Ausschusslokal im Wiener Parlament zitiert, um zu seiner Zeit als Innenminister in der türkis-blauen Regierung befragt zu werden. Der FPÖ-Chef nahm mit mehr als drei Stunden Verspätung Platz, die Befragung seines damaligen Kommunikationschefs im Kabinett und eines Juristen im Innenministerium hatte – vor allem dank hitziger Debatten zwischen den Abgeordneten – zuvor viel Zeit gekostet.
Im Vorfeld erklärt Kickl, dass die ÖVP in diesem U-Ausschuss offenbar „auf Kriegsfuß mit der Wahrheit“ stehe. Zum Russland- und Spionage-Thema stellt Kickl fest: „Ich kenne diesen Herrn (Egisto, Anm.) Ott nicht“ und er habe auch kein Interesse, daran etwas zu ändern. Es sei also „eine glatte Lüge“, dass Ott unter Kickl „etwas werden“ sollte. Er habe allein unter ÖVP-Verantwortung im Innenministerium agiert.
Kommentar
Ob die auf ihn wartenden Abgeordneten Kickl zu seinen und den Kontakten seiner Partei zu Russland befragen dürfen, war fraglich. Verfahrensrichterin Christa Edwards hatte am Vortag entsprechende Fragen dazu nicht zugelassen, da weder Russland noch Spionage im Untersuchungsgegenstand festgeschrieben seien. Das bestätigt auch Kickl vor Befragungsbeginn. „Das ist das Problem der ÖVP, aber nicht meines.“ Er selbst habe auch „überhaupt keinen Bezug zu Russland“. ÖVP und SPÖ würden sich nun gegen die FPÖ verbünden, „der Feind bin ich“.
Nicht über „Problemfall Ott informiert“
„Der Feind“ nimmt daraufhin vor dem Ausschuss Platz, Verfahrensrichterin Edwards fragt „höflich“, wie er angesprochen werden will: „Herr Klubobmann? Herr Bundesminister AD?“ „So kurz wie möglich“, sagt Kickl. Ein Eingangsstatement will er auch nicht geben. Edwards wiederholt dabei ihre Einschränkung in Sachen Spionage, will jedoch von Kickl wissen, wann und wie Ott damals suspendiert und wieder aufgenommen wurde – abseits von Russland und Spionage. Er könne die Frage nicht beantworten, er habe als neu ins Haus kommender Minister nie eine Information über einen „Problemfall“ Ott erhalten, davon sei er erst im Herbst 2018 in Kenntnis gesetzt worden.
Er habe auch nicht in Erinnerung, zuvor von Ermittlungen erfahren zu haben. Solche Informationen dürften in einer Poststelle im Ministerium eingegangen, „der Minister macht ja nicht die Post auf.“ Wer trage dann die Verantwortung, wenn jemand wie Ott so agiert, fragt die Verfahrensrichterin „als Staatsbürgerin“. Es gebe entsprechende Vorgesetzte.
„Ich kenne den Herrn Ott bis zum heutigen Tag nicht“
Dann beginnen die Abgeordneten. Grünen-Fraktionsführerin Meri Disoski will wissen, wie eng die Zusammenarbeit zwischen Kickl und Hans-Jörg Jenewein gewesen sei. Zur Erinnerung: Dem früheren FPÖ-Mann werden nun enge Kontakte zu Ott nachgesagt. Kickl will auch im Ausschuss festhalten: „Ich kenne den Herrn Ott bis zum heutigen Tag nicht“. Und auch Jenewein sei „kein Mitarbeiter der Vollziehung“ gewesen und damit gehöre dies nicht zum Untersuchungsgegenstand. Doch die Frage wird zugelassen, er muss antworten und wiederholt, dass Jenewein in keinem Zusammenhang mit dem U-Ausschussthema stehe. Damit steht plötzlich eine Aussageverweigerung im Raum, die Sitzung wird unterbrochen.
Als es weiter geht, legt Disoski einen Artikel zu einem Jenewein-Chat mit Ott vor, wonach dieser Ott einen Posten in Aussicht stellt. Kickl will den Chat sehen, das wird abgelehnt, er wiederholt, dass er Ott nicht kennt. Und wieder wird festgehalten, dass Kickl die Frage nach der Beziehung beantworten muss. Ott sei nie eine Überlegung in der Organisationsreform des BVT geweseni sein, wiederholt der Klubobmann, die Vorlage sei zudem nicht ausreichend für eine Einschätzung. Jenewein sei Abgeordneter und zuständig für den Bereich innere Sicherheit, aber sicherlich keine „rechte Hand“ des Ex-Innenministers gewesen. Das habe man ihm bereits beim „tragischen Suizidversuch“ Jeneweins zu unterstellen versucht.
Abgeordnete sitzen im Dunkeln
Neos-Fraktionsführer Yannick Shetty moniert, dass sich Kickl über Erinnerungslücken von Ex-Finanzminister Gernot Blüml im Ausschuss beschwert habe, sich aber nun selbst teils nicht erinnern könne, sei traurig. „Herr Shetty, ich weiß nicht, ob Sie es irgendwann so weit bringen, an der Spitze eines Ministeriums zu stehen“, ätzt Kickl zurück, aber dann würde Shetty sich auch nicht an jedes Detail erinnern. Während einer Debatte geht plötzlich das Licht im Lokal aus. „Ist jetzt das russische Gas aus?“, ruft Hafenecker von der FPÖ. Er könne seinen Vorhalt auch im Dunklen machen, kontert Shetty.
„Das ist doch eine Riesenschweinerei, was Sie hier machen“, ruft Kickl später, als ihm Shetty einen Vorhalt in Zusammenhang mit eingestellten Ermittlung macht. Es wird wieder diskutiert, es geht um ein Logo, das eine Werbeagentur dem Innenministerium geschenkt haben soll. Er habe als Minister keine privatwirtschaftlichen Tätigkeiten gehabt, so Kickl.
Zustände „wie in einem Dritte-Welt-Land“
Später führt er aus, dass im Innenministerium Zustände „wie in einem Dritte-Welt-Land“ geherrscht habe, als er als Minister kam. Also sei die ÖVP damals „das Sicherheitsrisiko gewesen“, man habe mühsam aufgeräumt. Nach weiteren langen Debatten, abgelehnten Beweisanträgen und Streit um Zwischenrufen endet der U-Ausschusstag nach beinache 13 Stunden.
Der Mittwoch im U-Ausschuss
Kickls Ex-Kommunikationschef und BMI-Jurist sorgten für Debatten
Am Vormittag war Kickls ehemaliger Kommunikationschef im Kabinett des damaligen Innenministers an der Reihe, Alexander H., der gleich in seinem Eingangsstatement für aufgebrachtes Raunen bei den Abgeordneten sorgt. Er wolle sich, wie bereits der ehemalige Generalsekretär im Innenministerium, Peter Goldgruber, breit entschlagen, weil auch er die Verfassungsmäßigkeit des Ausschusses anzweifle. Er werde bei jeder Frage abwägen, ob er diese beantworte. In der Befragung zeigt sich H. dann doch kooperativer, es geht um Aufträge an sogenannte rechtsextremen Medien. Man habe dort „wegen der Reichweite“ inseriert.
Die ÖVP kritisiert ein „eingespieltes Theaterstück“ zwischen H. und FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker. H. sei doch von der ÖVP geladen worden und jetzt passe es nicht, dass dieser auch Antworten liefere, moniert Hafenecker. Heftige Debatten über die Geschäftsordnung sind die Folge, Rufe wie „letztklassig und „typisch FPÖ“ fallen. H. betont jedenfalls, in keinster Weise in seinen heutigen Aussagen beeinflusst worden zu sein.
„War Kickls Vorgesetzer im System“
H. darf gehen, den Anwesenden wir nur ein kurzes 15-Minuten-Päuschen gewehrt, nach Zwischenstatements der Fraktionsführer geht es mit Jurist E. weiter. Damit sind die Befragungen im Ausschuss bereits mehr als 2 Stunden im Verzug. Er beginnt mit seinem Eingangsstatement und will, im Gegensatz zu anderen Auskunftspersonen, über die Verfassungsmäßigkeit des Untersuchungsgegenstandes nicht urteilen. Bei den Fragen teilt er mit, nie in irgendwelchen Chatgruppen oder mit Inseraten oder Gutachten befasst gewesen zu sein. Dann dennoch Verwirrung um einen Auftrag für einen FPÖ-nahen PR-Mann, die Auskunftsperson reagiert ausweichend. Wieder wird debattiert.
Während der Befragung kommt es zu einem „amüsanten“ Detail, wie es die Auskunftsperson nennt. Im internen Zeiterfassungssystem sei E. der Vorgesetzte von Herbert Kickl gewesen. Das habe ihn damals selbst gewundert. Nachdem dieser als Minister keinen Vorgesetzten hatte, habe man wohl seinen Namen eingetragen im Zeiterfassungssystem. Dann darf auch E. gehen.