Hohe Kosten, langwierige Genehmigung und Errichtung sowie ein immer schwelendes Unfallrisiko: Es sind primär die Grundzutaten großer Atommeiler, die die seit Jahren beschworene Renaissance der Atomkraft – zumindest außerhalb Asiens – nicht recht Wirklichkeit werden lassen. Abseits der althergebrachten Kernkraftwerke mit ihren riesenhaften Kühltürmen haben sich über die vergangenen Jahre aber andere Ansätze in der Energiegewinnung aus Kernspaltung hervorgetan. Die Rede ist von Mini-Reaktoren mit einem elektrischen Leistungsvolumen von 30 bis 300 Megawatt, die günstiger, flexibler und sicherer zu sein versprechen als ihre großen Ahnen.

Die Internationale Atomagentur IAEA sieht diese „Small Modular Reactors“ (SMR) als mögliche Türöffner, um die Atomkraft weiteren Regierungen schmackhaft zu machen. Die Mini-Reaktoren werden, so zumindest die Theorie, in Fabriken gebaut und dann fix fertig zu ihren Betriebsstandorten transportiert. So hat etwa das Grazer Startup Emerald Horizon ein SMR-System in Containergröße entwickelt, das statt auf Uran auf das sicherere Thorium als Brennstoff setzt. Großbritannien lässt seit dem Vorjahr die besten Kleinreaktor-Designs prüfen, am tschechischen AKW-Standort Temelín werden bereits Vorbereitungen eines Genehmigungsverfahrens für einen ersten Mini-Reaktor getroffen.

Großes Atom-Stelldichein in Wien

Auf wachsendes Interesse stoßen die kleinen Kraftwerke auch bei den internationalen Technologie-Riesen. Google und Amazon kündigten jüngst an, ihre Rechenzentren künftig ebenfalls über SMR mit Energie versorgen zu wollen. Wie groß die Zukunft der Technologie tatsächlich ist, soll ab Montag in einer fünftägigen Konferenz ausgelotet werden, zu der die IAEA Teilnehmer aus aller Welt nach Wien lädt. Doch im Vorfeld der Veranstaltung bleibt Kritik nicht aus. Bei Global 2000 sieht man in den Bemühungen ein Manöver der Atomlobby, um ihr Geschäftsmodell am Köcheln zu halten. „Die meisten Dinge, die über SMRs behauptet werden, erfüllen sich bei näherer Betrachtung nicht“, sagt Patricia Lorenz, Atomexpertin der NGO.

Zu den Kritikern gehört auch Stephen Thomas, Professor für Energiepolitik der britischen Universität Greenwich. „Bisher existiert kein SMR-Design, das von einer glaubhaften Aufsichtsbehörde sicherheitstechnisch genehmigt worden wäre. Die kleinen Reaktoren sind auch nicht notwendigerweise sicherer, die Sicherheitsaspekte sind nur etwas anders gelagert.“ In Sachen radioaktiver Abfall würden die kleinen Einheiten die althergebrachten Großmeiler sogar um das Zwei- bis Dreißigfache übertreffen. „Und es ist völlig ungeklärt, wo die Abfälle hin sollen und was mit den vielen, verstrahlten Einheiten dann am Ende ihrer Laufzeit passieren soll“, sagt Thomas.

Kostenfaktor mit vielen Fragezeichen

Auch bei den Kosten ist der Brite skeptisch. „Die Massenfertigung der Reaktoren würde den Preis zwar drücken, aber muss erst teuer aufgebaut werden und ist danach auch nicht sehr flexibel. Das ist ein großes Glücksspiel, das noch viele Jahre in Anspruch nehmen wird und dessen Ausgang ungewiss ist.“ Um wirtschaftlich zu sein, müssten die SMR am Ende nicht nur günstiger als die großen AKW sein. „Sie müssen günstiger produzieren als alle anderen Erzeugungsformen“, sagt Thomas. Und das sei nicht abzusehen.

Einen Rückschlag erlitt die SMR-Technologie zuletzt im Vorjahr in den USA. In Idaho sollte eine erste Fabrik zur Massenproduktion von Mini-Reaktoren gebaut werden, doch die Investoren sprangen wegen Zweifeln an der tatsächlichen Wirtschaftlichkeit im letzten Moment ab. Die Kosten für die mit den Reaktoren erzeugte Megawattstunde Strom wären letzten Endes über den Erzeugungskosten der Wind-, Solar- und Wasserkraft gelegen.