Das Jahrhunderthochwasser hat Jahrhundertschäden an der Schieneninfrastruktur hinterlassen. Laut den ÖBB liegt der Schaden im dreistelligen Millionenbereich. Nach den heftigen Unwettern im September war bald klar, dass die „neue“ Weststrecke der Bahn im Abschnitt Wien - St. Pölten noch monatelang nicht benützbar sein wird. Aktuell wird über die alte Weststrecke ausgewichen, dort ist allerdings auch nur ein eingleisiger Betrieb möglich. Das Problem ist nicht nur der Bahnhof Tullnerfeld - er stand noch bis vor Kurzem unter Wasser -, sondern auch die Tunnel entlang der Strecke - Brandschutz- und Notrufeinrichtungen müssen erneuert werden. Die Reparatur wird mehrere Monate dauern. Ab 10. Oktober soll zumindest ein zweites Gleis auf der alten Weststrecke zur Verfügung stehen.

Weststrecke ab 15. Dezember wieder offen

Für Bahnkunden waren die letzten Wochen chaotisch, viele Passagiere sind genervt. Wann ist die schnelle neue Weststrecke wieder offen, wollte Armin Wolf von Andreas Matthä wissen? Die Neubau-Strecke soll laut Matthä ab 15. Dezember wieder in Betrieb genommen werden. „Der Weihnachtsverkehr ist gesichert“. Allerdings gebe es einen kleinen Wermutstropfen: Im Frühling oder Sommer muss die Strecke noch einmal für vier Wochen gesperrt werden, um technische Provisorien rückzubauen. Die Ersatzteile dafür kommen erst im April - deshalb kann dieser Umbau nicht vor den Feiertagen oder den Ferien angegangen werden. In dieser Zeit werde jedenfalls ausreichend Schienenersatzverkehr zur Verfügung gestellt, versicherte er. Gute Neuigkeiten auch für die Menschen, die von Tullnerfeld aus pendeln: Mit Ende der Herbstferien, ab 4. November, wird es einen Shuttleverkehr vom Tullnerfeld nach Wien West geben.

Ausfälle, Verspätungen, verpasste Anschlüsse

In den letzten Wochen wurden zahllose Bahnkunden durch fehlende Informationen, Zugausfälle und Verspätungen frustriert - Anschlusszüge haben nicht gewartet, auch wenn es sich nur um wenige Minuten handelte. Warum können Anschlusszüge nicht zwei, drei Minuten warten, fragten sich viele Bahnkunden. Die Bahn sei ein „hochkomplexes System, das ineinandergreift“, so Matthä. Wenn der Fahrplan nicht mehr existent ist, wie es während und nach der Katastrophe der Fall war, brechen die Systeme, die darauf aufbauen, zusammen. Der Fahrplan musste händisch nachbearbeitet werden. Seit 4. Oktober funktioniere jedoch das Fahrplansystem wieder, Züge werden wieder korrekt angezeigt.

Strecke im Hochwassergebiet

Ein zentrales Thema war die Frage, warum wichtige Infrastrukturprojekte wie Tunnelanlagen nicht auf größere Extremereignisse ausgelegt werden, wie es zum Beispiel beim Wien-Fluss der Fall ist. Die Streckenplanung sei die „physikalische Manifestation unserer Demokratie“, so Matthä. Die Trassenvarianten würden mit Bürgern und Anrainern diskutiert - um eine Variante zu finden, die den Konsens hat. Dabei spiele auch der Lärmschutz eine wichtige Rolle. So entstand die Unterflurtrasse, die bei der Flutkatastrophe überschwemmt wurde. Insgesamt bewege sich der Schaden der Infrastruktur um die 100 Millionen Euro, zuzüglich der Ausfälle im Güter- und Personenverkehr. Ob es eine Erhöhung der Ticketpreise im Dezember geben wird, beantwortete Matthä ausweichend: „Wir werden maßvoll an die Frage herangehen.“

Westbahn positiv gestimmt

Die Westbahn begrüßte die Ankündigung des ÖBB-Chefs am Mittwochabend. Man sei darüber „sehr positiv gestimmt“, dass der volle Bahnbetrieb auf der neuen Weststrecke zum Fahrplanwechsel am 15. Dezember wieder aufgenommen werden könne. Das Jahrhunderthochwasser habe für die gesamte kritische Infrastruktur und den Bahnbetrieb auf der Weststrecke eine noch nie da gewesene Situation dargestellt, betonte Geschäftsführer Thomas Posch in einer Aussendung.

ÖBB-Chef Matthä in der ZiB2