Der Ende März fest- und später in U-Haft genommene ehemalige Verfassungsschützer Egisto Ott ist wieder auf freiem Fuß. Das Oberlandesgericht (OLG) Wien gab am Mittwoch einer Haftbeschwerde des ehemaligen Beamten des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) Folge und ordnete die Enthaftung des mutmaßlichen Spions an.
Überraschende Wendung
„Er hat vor rund einer Stunde die Justizanstalt Josefstadt verlassen“, bestätigte der Sprecher des Wiener Landesgerichts für Strafsachen, Christoph Zonsics-Kral, zu Mittag auf APA-Anfrage. Das OLG begründete diese Entscheidung damit, dass zwar der dringende Tatverdacht „weitgehend“ bestünde, aber der Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nicht gegeben sei. „Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beschuldigte nach einer früheren Untersuchungshaft Anfang des Jahres 2021 weitere Straftaten verübt hat. Die Fakten, auf die sich der dringende Tatverdacht bezieht, liegen vor der seinerzeit verhängten Untersuchungshaft“, hieß es dort.
Eine bemerkenswerte Wendung im Fall jenes ehemaligen Verfassungsschützers, dem schwere Spionagetätigkeit gegen Österreich vorgeworfen wird. Der gebürtige Kärntner gilt als Schlüsselfigur in Spionagetätigkeiten zugunsten Russlands und zulasten Österreichs, die Affäre hat auch den jüngsten rot-blauen Untersuchungsausschuss überschattet. Damals hatten die Abgeordneten von einer Ladung Otts, die angedacht war, abgesehen, da vor einem möglichen Schaden für die Ermittlungen gewarnt wurde.
Handys, Laptops, Spionage
Die Ermittlungen gegen Ott laufen seit 2017, die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt wegen Amtsmissbrauchs, geheimen Nachrichtendiensts zum Nachteil Österreichs, Verletzung des Amtsgeheimnisses und weiterer Delikte. Ott soll unter anderem die Diensthandys von drei Kabinettsmitarbeitern des damaligen Innenministers Wolfgang Sobotka (ÖVP) an den russischen Inlandsgeheimdienst übergeben haben. Diese waren bei einem inzwischen einer breiteren Öffentlichkeit bekannten Bootsausflug im Sommer 2017 ins Wasser gefallen, als ein Kanu mit den Insassen kenterte.
Um die Daten auf den Geräten zu retten, wurden diese ins damalige BVT gebracht. Ott und der damals involvierte Forensiker, gegen den heute ebenfalls ermittelt wird, sollen den Mitarbeitern dann vorgemacht haben, dass ihre Handys nicht zu retten gewesen seien. Ein Teil sei jedoch auslesbar gewesen. Ott will davon nichts wissen, ihm seien die Handys „in einem Kuvert in den Briefkasten in meiner Wiener Wohnung gelegt“ worden. Er habe auch nichts weitergegeben, sondern die Telefone vernichtet und weggeworfen.
Ott laut Verteidiger ohne Auflagen entlassen
Ott soll außerdem einen extra geschützten Sicherheitslaptop mit Material an den russischen Geheimdienst verkauft haben, was Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek eingefädelt haben soll. Ott soll inzwischen eingestanden haben, von insgesamt fünf solcher Laptops zu wissen, wobei sich einer „im Ausland, aber nicht in Russland“ befinde. Einen hätte „einer seiner Mitarbeiter“, einen weiteren „ein Journalist in Österreich“. Für Egisto Ott gilt die Unschuldsvermutung.
Sein Verteidiger Jürgen Stephan Mertens sieht die Enthaftung im Gespräch mit „Kleinen Zeitung“ als überfällig an, es sei schlicht „kein ausreichendes Tatsachensubstrat“ vorhanden. Da Ott „im Verfahren immer zur Verfügung gestanden“ sei und deshalb auch keine Tatbegehungsgefahr vorliege, sei sein Mandant ohne Auflagen entlassen worden. Auf die Frage nach einer möglichen Flucht, die auch seinem ehemaligen BVT-Vorgesetzten Martin Weiss gelungen war, der in Dubai untergetaucht sein soll, entgegnet Mertens, dass Ott für solche Bedenken keinen Anlass gegeben habe. „Er ist von seiner Unschuld überzeugt und will diese auch vor dem Gericht dokumentieren.“ Kritik übte der Anwalt hingegen an Innenminister Gerhard Karner (ÖVP), der sich kritisch zur Enthaftung geäußert hatte. „Auch ein Innenminister hat eine Entscheidung der unabhängigen Justiz zu akzeptieren.“