Ich fand gut, dass Victor Orbán da war.

Ich fand es gut, vor aller Augen dargeboten zu bekommen, was geschieht; keine falsche Fassade, kein Maskenspiel, kein So-Tun-Als-Ob mehr; die Aufführung, die Walter Rosenkranz, der neue Hausherr gab, war echt, pur, so geht also „Privatbesuch“, so geht neue blaue „Höflichkeit“, wenn „jemand kommen und reden will“: der auf der Empore ausgelegte rote Teppich, über den sich der Gast genüsslich hinaufmühte. Die Balkonszene als Bild machtbewusster Erhabenheit, Balkon heißt immer, „Seht her!“, während unten die Empörten, laut genug für die Fernsehkameras, hilflos und schrill hinaufskandierten, hilflos und schrill genug, um vom Gast in den Sozialen Medien hinterher verlacht zu werden.

Die „Wiener Erklärung“ im Namen Österreichs, im Namen der Bundeshauptstadt, beides: arrogiert und gekapert. Macht beginnt immer beim Zeichenhaften. Das Posieren vor den Fahnen, der ungarischen und österreichischen, nicht der europäischen, die man aus dem Bild gerückt hatte, schließlich sei der Gast ja nicht als Ratsvorsitzender gekommen, sondern als Regierungschef. Vor allem aber: die Bilder im Empfangssaal des Parlaments mit den Delegationen an beiden Seiten des Tisches, am einen Ende die ungarische, am anderen die Delegation des Gastgebers, Österreichs, und Österreich, das hieß: fünf einberufene Funktionäre der FPÖ mit dem Bundesparteiobmann an der Spitze und in der Mitte der neue Präsident des Parlaments, der sanfte „Teamspieler“, der beteuert hatte, stets im Einklang mit den anderen handeln; einbezogen hat er selbstredend niemanden, nicht die Klubs und auch nicht die engsten Angehörigen des Präsidiums. Er muss jetzt nicht mehr, Schluss mit den weihevollen Worten, man ist gewählt und nicht mehr absetzbar.

Es war nicht der Gast, der bei diesem Treffen der Provokateure das Unbehagen auslöste; es war die Stilistik, das frivole, ungenierte, in aller Öffentlichkeit zur Schau gestellte Spiel mit den Symbolen der Republik an einer ihrer zentralen Stätten, im Parlament. Die Botschaft, die vom höflichen Privatbesuch ausging, war klar: Wir sind jetzt drin und Hausherr. Die Symbole, das sind wir.

Einen stillen Allerheiligentag, der sich all dem entzieht und dem wir in der Zeitung Rechnung tragen, wünscht

Hubert Patterer