Es ist ein Privatbesuch, der hohe innenpolitische Wellen schlägt. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán reiste eigentlich nach Wien, um am Donnerstag an einer Diskussionsveranstaltung der Schweizer Wochenzeitung Weltwoche teilzunehmen – verband diesen Termin allerdings mit einem Besuch bei Nationalratspräsident Walter Rosenkranz (FPÖ). Auch die FPÖ-Granden Herbert Kickl, Susanne Fürst und Harald Vilimsky trafen Orbán im Parlament und unterzeichneten eine gemeinsame Deklaration.

Dass ausgerechnet Orbán, ein Verfechter der von ihm so bezeichneten „illiberalen Demokratie“ Rosenkranzs erster Gast ist, stieß bei den anderen Parteien auf Missfallen. SPÖ, Neos und Grüne übten scharfe Kritik an Orbáns Besuch, der geschäftsführende ÖVP-Klubchef August Wöginger bemängelte, dass Vertreter anderer Parteien wohl nicht zu der Veranstaltung im Parlament eingeladen waren. Diese Aufregung sei ganz im Sinne Orbáns, sagt Paul Schmidt, Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik. „Er spielt natürlich damit. Er lebt von diesen Spannungen und Gegensätzen.“

Verbindungen zwischen FPÖ und Orbán-Partei

Dass der Regierungschef eines Nachbarlandes nach Wien kommt, sei prinzipiell „nichts Außergewöhnliches“, sagt Schmidt. Die Aufregung in Österreich sei aber „schon fast einzigartig“, hier würden auch andere Faktoren mit hineinspielen. So machen die Freiheitlichen kein Geheimnis aus ihrer Verbundenheit mit der Orbán-Partei. Im EU-Parlament sitzt man gemeinsam in der rechtspopulistischen Fraktion „Patrioten für Europa“, in der Vergangenheit bezeichnete Kickl Orbán etwa in Bezug auf dessen Haltung zur EU als Vorbild.

In der EU stehe der ungarische Regierungschef hingegen im „europäischen Out“, fast niemand wolle mit ihm kooperieren, sagt Schmidt. Stattdessen war Orbán in den letzten Monaten vor allem außerhalb der EU unterwegs. Egal ob in Georgien, wo Orbán den Sieg der Regierungspartei „Georgischer Traum“ bereits vor dem offiziellen Wahlergebnis ausgerufen hat, oder bei Donald Trump in den USA – hier gehe es vor allem um Aufregung.

Podiumsdiskussion im Stil eines Staatsbesuchs

Seit Ungarn im Juli den EU-Ratsvorsitz übernahm, nutze Orbán diese Rolle außerdem „als Sprungbrett, um seine eigenen bilateralen Termine“ wahrzunehmen. „Er tut so, als könnte er die EU vertreten. Diese Kompetenz hat er eigentlich nicht, aber wer weiß das schon. Wenn Bilder und Schlagzeilen produziert werden, ist das schon für sich eine Realität, die verkauft wird“, sagt Schmidt.

Der deutsche Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder, Weltwoche-Chefredaktor Roger Köppel und Ministerpräsident Viktor Orbán am Podium.
Der deutsche Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder, Weltwoche-Chefredaktor Roger Köppel und Ministerpräsident Viktor Orbán am Podium. © APA / Eva Manhart

Auch bei der Podiumsdiskussion am Donnerstagabend in Wien, bei der Orbán mit Deutschlands Altkanzler Gerhard Schröder über „Frieden in Europa“ diskutierte, wurde diese Realität abgebildet. Links und rechts von der Bühne standen – im Stil eines Staatsbesuches – die Flaggen Deutschlands, Ungarns und Österreichs, obwohl am Podium niemand aus Österreich saß. Orbán erzählte von seinen Bemühungen als Vermittler, der bereits 2022 versucht habe, einen Waffenstillstand zwischen der Ukraine und Russland zu erreichen und auch die Ratspräsidentschaft Ungarns hierfür nutze.

In weiten Teilen der EU wird allerdings befürchtet, dass Zugeständnisse an Russland das Ende einer unabhängigen Ukraine bedeuten würden. Doch in Orbáns Augen kann die Ukraine nicht gewinnen. Altkanzler Schröder, der enge Beziehungen zum russischen Präsidenten Wladimir Putin pflegt, sieht ebenfalls „die Vernünftigen der EU“ in der Pflicht, für Frieden in der Ukraine zu sorgen.