Anfang Juli stattete Ungarns Regierungschef Viktor Orbán Russlands Machthaber Wladimir Putin einen Besuch ab. Mit der Europäischen Union war diese „Friedensmission“, wie Orbán sie selbst bezeichnete, nicht abgesprochen. Die Empörung war dementsprechend groß, vor allem auch, weil Ungarn aktuell den Vorsitz im EU-Ministerrat hält. „Er erweckt den Eindruck, als würde er für die Europäische Union sprechen, tut es aber nicht“, kritisierte der langjährige EU-Abgeordnete Othmar Karas am Dienstag in der ZiB 2 das Vorgehen Orbáns. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ordnete jedenfalls einen Boykott der EU bei informellen Ministertreffen an. Vorerst sollen nur noch ranghohe Beamte daran teilnehmen und keine Kommissarinnen und Kommissare mehr.

Ob der Besuch eines EU-Regierungschefs beim Präsidenten eines Landes, das vor zwei Jahren eine andere Nation überfallen hat, einem künftigen Frieden dienlich oder doch ein Tabubruch ist, darüber scheiden sich die Geister. Nicht nur in der europäischen und österreichischen Politik, sondern auch im Forum der Kleinen Zeitung.

„Reiner Showman“

Etliche User sind der Meinung, dass ein derartiger Alleingang auf jeden Fall Konsequenzen nach sich ziehen muss. „Demokratiefeinde, wie Orbán, gehören proaktiv bekämpft. Deshalb ist der Boykott richtig“, meint etwa Thank you. jg4186 glaubt, dass der EU-Ratsvorsitzende eigene Interesse über jene der Union stellt: „[…] Die EU muss als Gemeinschaft auftreten, Alleingänge sind kontraproduktiv. Orbán denkt nur an sich und seinen Vorteil (billiges Öl aus Russland), Frieden wird es durch seinen Besuch nicht geben. […] Putin hofft auf Uneinigkeit der Europäer, Orbán fördert diese Hoffnung Putins und damit dessen Krieg. […]“

Auch Wertstoff sieht seine Nähe zum russischen Machthaber äußerst problematisch: „Eine richtige Entscheidung, Orbán ist nicht nur ein Quälgeist in der EU, sondern ein gefährliches Trojanisches Pferd der Russen.“

Und RonaldMessics kritisiert den ausbleibenden Erfolg der sogenannten „Friedensmission“: „Und wo ist der Frieden in der Ukraine? Versagt hat Orbán auch noch. Reiner Showman.

Kein Grund, um „Orbán eines auszuwischen“

Doch nicht all unsere User können die Empörung in der Europäischen Union und die daraus resultierenden Konsequenzen nachvollziehen. PiJo sagt: „Jetzt wird auch noch die Spaltung innerhalb der EU von von der Leyen weiter angeheizt, anstatt jeden Versuch eine Lösung zwischen Russland und der Ukraine zu finden zu unterstützen. Wer nur mit Waffen kommuniziert, wird nie einen Frieden zustande bringen.“

„Ganz ehrlich, bei diesem Boykott verstehe ich nicht so ganz den Sinn dahinter. Orbán eines auszuwischen, dafür gäbe es sicher einige Gründe. Aber deswegen? Er hat was versucht, und auch nichts erreicht“, meint vitruvius.

deCamps wittert hinter der Aktion taktisches Kalkül von Ursula von der Leyen: „Unglaublich, was hier die EU-Kommissionspräsidentin abzieht. Ihr ist anscheinend jedes Mittel recht, um für ihre Wiederwahl zu punkten. Wieso sollte Orbán keine ‚Friedensmission‘ zur Lösung des Ukraine-Konflikts anbieten dürfen? […]“

Für Atlantique muss die Gesprächsbereitschaft im Vordergrund stehen: „Ohne mit Orbáns Politik auch nur ansatzweise einverstanden zu sein, aber das sind Kindereien. Ohne Dialoge und Gespräche erreicht man nur das Gegenteil von dem, was man eigentlich will.“

„Herr Nehammer, es gibt nichts zu diskutieren“

Bundeskanzler Karl Nehammer kritisierte die Aktion seines ungarischen Kollegen zwar als „Tabubruch“, stellte aber gleichzeitig klar, dass er von einem Boykott nichts halte. Auch dazu hatte die Kleine-Zeitung-Community eine Meinung. UHBP glaubt, dass Nehammer bei dieser Aussage bereits die Nationalratswahl im Herbst im Fokus hat: „Es ist Wahlkampf und die ganz Rechten bekommt er mit einem Boykott sicher nicht, da muss man schon einmal beide Augen zudrücken.“

Für wiffzack1anwiffzack2 ist klar: „Herr Nehammer, über diesen Tabubruch gibt es nichts zu diskutieren. Da sind Maßnahmen gefragt, die den Demokratiezerstörer Orbán in die Schranken weisen.“