Bricht ein Mensch leblos auf der Straße zusammen, wissen wir – zumindest theoretisch – was zu tun ist: den Notruf wählen, mit der Herzdruckmassage beginnen, wenn vorhanden, einen Defibrillator nutzen. Was aber, wenn es sich um einen seelischen Notfall handelt? Wenn der Betroffene keinen Herzstillstand erlitten hat, sondern der seelische Schmerz so groß ist, dass es sich um eine echte Krisensituation handelt? Dann braucht es Erste Hilfe für die Seele –wie diese aussehen kann, erklärt Roger.

Hinter dieser Abkürzung verbergen sich die fünf wichtigsten Schritte, um einem Menschen in einer psychischen Notlage zu helfen.

  • R: Reagiere und sprich den Betroffenen an;
  • O: kommuniziere offen und wertfrei;
  • G: gib Unterstützung und Information;
  • E: ermutige dazu, Profis um Hilfe zu bitten;
  • R: reaktiviere, was schon früher geholfen hat.

Die Hemmschwelle überwinden

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„Das Wichtigste ist, die Person anzusprechen, wenn ich merke, sie oder er hat sich verändert und zeigt Verhaltensweisen, die auf eine psychische Krise hindeuten“, sagt Benedikta Möstl. Die Psychiaterin und Psychotherapeutin ist eine Instruktorin der ersten Stunde und gibt seit 2020 Seminare in „Erster Hilfe für die Seele“: Dieses Angebot von Promente Austria wurde mit dem Österreichischen Gesundheitskompetenz-Preis ausgezeichnet. Möstl weiß, dass die Hemmschwelle, über psychische Probleme zu sprechen, groß sein kann – „dabei ist jeder Vierte von einer psychischen Erkrankung betroffen. Das ist nichts, wofür man sich schämen müsste!“, unterstreicht Möstl.

Der erste Schritt, der auch im Seminar vermittelt wird, ist eine psychische Notlage zu erkennen: Eine Person hat sich verändert, ist ruhig geworden, zieht sich aus dem sozialen Leben zurück, die Mimik ist versteinert, die Stimme monoton, vielleicht wird auch die Körperpflege vernachlässigt. Durch solche Zeichen kann sich eine psychische Krise zeigen. „Bei einem Suchtproblem kann es zu Konzentrationsproblemen, zu Zuspätkommen, Unzuverlässigkeiten kommen“, sagt Möstl. Im nächsten Schritt gelte es, die beobachteten Veränderungen anzusprechen – und das wertfrei, ohne Vorwürfe zu machen. „Ja, das ist schwierig“, weiß Möstl, daher werde diese Situation im Seminar geübt. „Mir ist aufgefallen, dass du Schwierigkeiten hast, Termine einzuhalten“: Solche Ich-Botschaften sollten das Gespräch prägen. Möstl nimmt aber auch die Angst: „Falsch ist nur, nichts zu sagen. Auch wenn ich den Ton nicht treffe – die Betroffene weiß: Da ist jemand, dem ich nicht egal bin.“

Benedikta Möstl, Psychiaterin
Benedikta Möstl, Psychiaterin © Karin Bergmann

Angststörungen, Depressionen, Psychosen, Suchterkrankungen: Diese vier häufigen Krankheitsbilder werden im Seminar vorgestellt – und die zugehörigen Anlaufstellen. Ebenso wichtig ist für seelische Ersthelfer zu erkennen: Handelt es sich um eine echte Krisensituation, gibt es zum Beispiel Suizidgedanken? „In einer solchen Situation braucht es sofort professionelle Hilfe und der Betroffene darf nicht allein gelassen werden, bis diese Hilfe da ist“, sagt Möstl.

Neues Workshop-Angebot für junge Menschen

Je schneller ein Mensch in einer psychischen Ausnahmesituation Hilfe bekommt, umso besser, denn: „Je länger das Problem besteht, desto länger dauert die Therapie“, sagt Möstl. Ein ausgebildeter Ersthelfer für die Seele ist Martin Bruckner, der als Amtsleiter der Stadtgemeinde Seekirchen (Salzburg) für 240 Mitarbeiter zuständig ist. „Viele meiner Mitarbeiter sind in sozialen Berufen tätig, in der Kinderbetreuung oder im Pflegeheim – die mentale Belastung der Pandemie wirkt bei vielen nach.“ Er hatte sich für das Seminar angemeldet, um sensibler mit dem Thema psychische Belastung umzugehen – und kann es „jeder und jedem weiterempfehlen: Mir wurden die Augen dafür geöffnet, wie viele Menschen von psychischen Problemen betroffen sind“, sagt Bruckner.

Betroffen sind vor allem auch junge Menschen, die Psyche von Kindern und Jugendlichen hat auch im Zuge der Pandemiejahre einiges zu verarbeiten. Aus diesem Grund wurde mit „Erste Hilfe für die Seele Teens“ ein Workshop-Angebot speziell für Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren entwickelt. Dieses soll jungen Menschen helfen, Altersgenossen im Fall von psychischen Problemen beistehen zu können. Auch hier werden Symptome vermittelt, und aufgezeigt, wie man andere Jugendliche ermutigen kann, sich Hilfe zu holen.