Sogenannte Biomarker, mit welchen man Long Covid eindeutig diagnostizieren kann, fehlen bislang. Solche Parameter wären wichtig, um bei diesem diffusen sowie vielseitigem Krankheitsbild eine eindeutige Diagnose stellen zu können. Zahlreiche Forschungsgruppen sind aus diesem Grund auf der Suche nach solchen Biomarkern. So konnte zuletzt eine Gruppe der Med Uni Innsbruck charakteristische Muster in Urinproben von Long-Covid-Betroffenen entdecken, die bei gesunden Menschen nicht zu finden waren – wir haben hier berichtet.
Ein internationales Team unter der Leitung von Forschenden der Universität Zürich stellt nun im Fachjournal „Science” einen Biomarker für Long Covid vor, die bei der Diagnose der Erkrankung helfen sollen. Sie untersuchten über 6500 Proteine in den Blutseren von 113 Covid-19-Infizierten und 39 gesunden Personen. Bei den Infizierten, von denen 40 Long Covid entwickelten, erfolgte eine Folgemessung nach sechs und zwölf Monaten.
Veränderungen im Blut entdeckt
Die Blutserumproteine der Long-Covid-Betroffenen zeigten Veränderungen, die mit einer Störung des Komplementsystems – einem Teil der angeborenen Immunabwehr – einhergingen. Dieses System hilft normalerweise dabei, Infektionen zu bekämpfen und beschädigte und infizierte Körperzellen zu entfernen. „Bei den Patientinnen und Patienten mit Long Covid kehrt das Komplementsystem nicht, wie es sollte, wieder in den Ruhezustand zurück“, erklärte Studienleiter Onur Boyman, Direktor der Klinik für Immunologie am Universitätsspital Zürich.
Zudem zeigten die Long-Covid-Patientinnen und -Patienten erhöhte Blutwerte für Schäden an verschiedenen Körperzellen, einschließlich roter Blutkörperchen, Blutplättchen und Blutgefäßen. „Bleibt das Komplementsystem aktiviert, geht es auf gesunde Zellen in verschiedenen Organen los und schädigt oder zerstört sie“, so der Immunologe. „Mit dieser Erkenntnis haben wir ein weiteres Puzzleteil zu Long Covid gefunden, das auch erklärt, warum diese Erkrankung zu so vielfältigen Symptomen führen kann“, sagte Boyman.
Weitere, größere Studien notwendig
Diese Untersuchung zeige, dass „Post Covid kein eingebildetes Krankheitsbild ist“, sagt Andreas Stallmach, Leiter des Long-Covid-Zentrums der Uniklinik Jena. Er gibt aber zu bedenken, dass die Ergebnisse noch nicht in die tägliche Routine zu übertragen sind, denn einen schnell verfügbaren Test, der genau auf diese Proteine abzielt, gibt es bislang nicht. Auch brauche es weitere und größere Studien, welche die Erkenntnisse bestätigen. Denn die Probanden hatten überwiegend einen schweren Verlauf; Daten zu Patienten, die einen akut milden Verlauf hatten und danach Long Covid entwickelten, fehlen in dieser Studie.
Carmen Scheibenbogen, führende Long-Covid-Expertin Deutschlands und an der Berliner Charité tätig, bewertet die Studie positiv: „Sie fügt sich in das Bild ein, dass Gefäßentzündung, Gerinnungsaktivierung, Autoimmunität und Virusreaktivierung eine Rolle bei Long Covid spielen.“ Erste Therapiestudien, welche an diese Mechanismen anschließen, würden bereits laufen, so die Expertin.