1. Diese Faktoren treiben die Diabetes-Epidemie. „Es ist eine Mischung aus genetischer Vorbelastung, höherer Lebenserwartung und unserem Lebensstil, die zu dieser Diabetes-Epidemie geführt hat“, sagt Harald Sourij, Stoffwechselexperte der Med Uni Graz. Wir essen zu viel, wir sitzen zu viel, wir haben zu viel Gewicht und wir werden immer älter – all das hat dazu geführt, dass in Österreich rund 700.000 Menschen an Diabetes Typ 2 leiden.
  2. Diabetes Typ 2 liegt auch in den Genen. Leidet ein Elternteil an Diabetes, ist das Risiko, dass auch das Kind betroffen ist, eineinhalb bis zweifach erhöht. Sind gleich beide Eltern Typ-2-Diabetiker, steigt das Risiko des Nachwuchses gar um etwa das Dreifache, erklärt Sourij. „Bei Diabetes-Typ-2 ist die Insulinproduktion in der Bauchspeicheldrüse gestört, auch das Ansprechen des Körpers auf das Insulin funktioniert nicht richtig“, sagt Sourij – auf diese beiden Faktoren haben auch die Gene Einfluss.
  3. Wir leben in einem diabetogenen Umfeld. Hochkalorisches Essen ist überall und jederzeit verfügbar – in so einem Umfeld den Versuchungen zu widerstehen, ist besonders hart. „Schnell verfügbares Essen, immer weniger Selbstgekochtes, ein unregelmäßiges, stressiges Leben mit wenig Schlaf – all das begünstigt die Entstehung von Übergewicht und in der Folge Diabetes“, sagt Sourij. Schlechter Schlaf bzw. ein gestörter Tag-Nacht-Rhythmus seien ein Risikofaktor für Übergewicht.
  4. Unsere Geschmacksprägung auf süß beginnt schon vor der Geburt. Schon im Mutterleib nehmen Ungeborene Geschmäcker über das Fruchtwasser wahr – die ersten Lebensjahre sind dann entscheidend, um ein sogenanntes Geschmacksarchiv anzulegen. Werden in dieser Phase sehr oft sehr süße oder stark verarbeitete Lebensmittel angeboten, wird der Geschmack von klein an auf süß „programmiert“.
  5. Nicht nur der Zucker ist schuld. Diabetes bekommt, wer zu viel Zucker isst – so einfach ist es nicht, unterstreicht Experte Sourij: „Ein großer Faktor ist die allgemeine Kalorienzufuhr und in der Folge die Gewichtszunahme.“ Zucker sei per se nicht „böse“: Als Baustein von Kohlenhydraten brauchen wir ihn als Teil unserer Ernährung und nehmen ihn in Form von Nudeln, Brot oder Kartoffeln auf. „Was es aber zu vermeiden gilt, sind die Einfach- oder Zweifach-Zucker, die schnell ins Blut gehen und häufig in Süßigkeiten, Fertigprodukten oder zuckerhaltigen Getränken zu finden sind“, sagt Sourij. 
  6. Schneller Zucker ist besonders gefährlich. Gesüßte Getränke, klassische Süßigkeiten, aber auch Fruchtsäfte: Sie alle liefern „schnellen“ Zucker, der direkt ins Blut geht und zu Insulinspitzen im Blut führt. „Wir sehen, dass diese Blutzuckerspitzen besonders schädlich für die Gefäßgesundheit sind“, sagt Sourij.
  7. Die Vorstufe von Diabetes kann umgekehrt werden. Prä-Diabetes: Darunter versteht man eine Vorstufe der Diabetes-Erkrankung, die in der Altersgruppe ab 60 Jahren jeden Vierten betrifft. „Die Blutzuckerwerte sind noch nicht im Diabetes-Bereich, sie sind aber auch nicht mehr im gesunden Bereich“, sagt Sourij. Bereits mit Prä-Diabetes steigt das Risiko für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung an, aber es gibt auch gute Nachrichten: „Wenn Menschen mit Prä-Diabetes 150 Minuten Bewegung pro Woche machen und 5 bis 7 Prozent ihres Körpergewichts reduzieren, können sie zu 50 Prozent verhindern, dass sich ein manifester Diabetes entwickelt.“
  8. Der Bauchumfang zeigt das Diabetesrisiko an. 88 cm bei Frauen bzw. 102 cm bei Männern: Ab diesem Bauchumfang das Risiko für einen Diabetes bereits deutlich erhöht. Denn: Das Körpergewicht ist die eine Sache, entscheidender ist aber die Fettverteilung im Körper: „Das Fett im Bauchraum, das sich zwischen und in den Organen anlagert, verursacht negative Stoffwechselerscheinungen wie chronische Entzündungen – und das erhöht das Diabetesrisiko deutlich“, erklärt Sourij.
  9. Insulin spielt in der Therapie von Typ-2-Diabetes immer später eine Rolle. „Wir haben eine Vielzahl von gut wirksamen Diabetes-Medikamenten, sodass Insulin in der Therapie von Typ-2-Diabetes immer später eine Rolle spielt“, sagt Sourij. Das Problem allerdings: Durch den Hype rund um die sogenannten Abnehmspritzen, die eigentlich Diabetes-Medikament sind, gibt es einen fatalen Medikamenten-Engpass. Sourij: „Wir können momentan keine neuen Patienten auf diese Medikamente einstellen.“
  10. Kekse sind nicht völlig verboten. Wie übersteht ein Mensch mit Diabetes die süße Vorweihnachtszeit? „Wir halten nichts von völligen Verboten, man muss sich aber bewusst sein, dass Kekse große Mengen Fett und Zucker enthalten, was die Blutzucker-Einstellung nicht gerade fördert“, sagt Sourij. Das eine oder andere Kekserl dürfe man aber jedenfalls genießen.
Harald Sourij, Diabetesexperte der Med Uni Graz
Harald Sourij, Diabetesexperte der Med Uni Graz © Furgler