Semaglutid und Liraglutid, zwei Wirkstoff in den - umgangssprachlich so getauften - Abnehmspritzen. Diese ermöglichen eine Gewichtsreduktion von zehn bis 20 Prozent. „Es kommt aber auch das Tirzepatid, das teilweise schon diese 20 Prozent knackt“, sagte Internistin und Adipositas-Expertin Bianca Itariu vor wenigen Wochen gegenüber der Kleinen Zeitung. Doch was passiert, wenn man diesen neuen Wirkstoff, also Tirzepatid, wieder absetzt?

Grundsätzlich passiert, was bei fast jeder Diät auch passiert: Man nimmt wieder an Gewicht zu. In Studien mit Semaglutid wurde bereits untersucht, welchen Effekt das Absetzen nach 20 Wochen Therapie auf das Gewicht der Patientinnen und Patienten hat, die bis dahin kontinuierlich an Gewicht verloren hatten. Der Wechsel von Semaglutid auf ein Placebo führte dazu, dass die Probanden wieder an Gewicht zunahmen.

Jojo-Effekt

Einen vergleichbaren Effekt beobachteten nun die Autorinnen und Autoren des sogeannten SURMOUNT-4-Trials mit Tirzepatid: In einer klinischen Phase-III-Studie wurde getestet, inwiefern sich das Gewicht der Probanden verändert, wenn das Medikament nach 36 Behandlungswochen abgesetzt und gegen ein Placebo getauscht wird. Die Probanden nahmen nach dem Wechsel in weiteren 52 Untersuchungswochen wieder an Gewicht zu. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal „Jama“ veröffentlicht. „Das Ausmaß der Gewichtszunahme in der Placebo-Bedingung deutet darauf hin, dass Patienten, die neun Monate lang Tirzepatid erhalten haben, etwa zwei Jahre nach dem Absetzen wieder ihr Ausgangsgewicht erreichen werden“, sagt Anja Hilbert, Wissenschaftliche Co-Direktorin des Integrierten Forschungs- und Behandlungszentrums (IFB) Adipositas-Erkrankungen in Leipzig.

Aber bedeuten diese Erkenntnisse, dass man nach dem Absetzen des Präparats unausweichlich wieder an Gewicht zunimmt? Diese Frage sei aufgrund dieser Publikation nicht eindeutig beantwortbar, sagt Ruth Hanßen, Leiterin der Arbeitsgruppe Translationale Stoffwechselforschung der Uniklinik Köln. „16,6 Prozent der Teilnehmenden konnten jedoch auch eine mindestens 80-prozentige Gewichtsreduktion beibehalten trotz Absetzen der Medikation. Diese Zahlen decken sich mit den Zahlen zum erneuten Gewichtsanstieg nach diätetischer Gewichtsreduktion in der Literatur: Hier können auch nur 16 bis 20 Prozent der Betroffenen eine Gewichtsreduktion von mindestens zehn Prozent des Ausgangsgewichts längerfristig beibehalten.“

Die Spritze alleine reicht nicht

Das bedeutet, dass ohne eine Lebensstiländerung wohl auch der Effekt, den Adipositaspräparate haben können, auf Dauer nicht nachhaltig ist. Das bedeutet, zum einen auf eine ausgewogene Ernährung zu achten, nicht zu viele hochverarbeitete Lebensmittel zu sich zu nehmen. Zum anderen kann die Lebensstilumstellung nicht ohne Bewegung gelingen. „Jeder Schritt zählt, versuchen Sie langsam Ihre Bewegungsfreude wiederzuerlangen“, rät dazu Bianca Itariu im „Ist das gesund“-Podcast der Kleinen Zeitung.

Zudem stellt sich die Frage, wie lange diese Abnehmspritzen eingenommen werden müssen, sodass Patientinnen und Patienten auch langfristig vom positiven Effekt der Medikamente profitieren können. Ob diese aber für einen begrenzten Zeitraum oder lebenslang eingesetzt werden sollen, darüber wird unter Fachleuten aktuell diskutiert. In Großbritannien wurde bisher die Verschreibungsdauer für diese Arzneimittel mit zwei Jahren begrenzt. Der Präsident der Österreichischen Diabetes Gesellschaft, Martin Clodi, ist da anderer Meinung. „Die Abnehmspritze funktioniert, solange man sie anwendet.“