Im hypermodernen Hongkong lässt es sich leben wie Gott in Frankreich. Mal angenommen, der Kontostand stimmt. Für Margaret (Nicole Kidman: eine intensive Darbietung) und Ehemann Clarke (Brian Tee) sind Geldfragen nicht der Rede wert. Als amerikanische Expatriate – sprich Fachkräfte, die ins Ausland geschickt werden – werden die Verheirateten regelrecht vom Luxus verwöhnt. Während sich am Boden Protestierende der „Umbrella Revolution“ gegen chinesische Interferenz in der Stadtregierung auflehnen, hat sich hoch oben in den Edelapartments eine neue Parallelgesellschaft aus zugezogenen Schönen und Reichen gebildet.
Mit ihrer passend betitelten Miniserie nimmt Regisseurin Lulu Wang anhand von drei miteinander verwobener Geschichten die Kultur der sogenannten „Expats“ genauer unter die Lupe. Schon in ihrem gefeierten Filmdrama „The Farewell“ hat sich Wang, selbst die Tochter chinesischer Einwanderer, Fragen der kulturellen Identität gestellt. Einem ständigen Hin und Her zwischen zwei Welten, wobei man sich in keiner der beiden wirklich heimelig fühlt.
Die Ausgangslage von „Expats“ ist eine etwas andere. Hier wird Familienglück großgeschrieben, immerhin bis zum schicksalsträchtigen Tag, an dem die Gräuel der realen Welt die Wohlstandsblase zum Platzen bringen. Der Tag, an dem der eigene Sohn abhandenkommt – wegen mangelnder Aufsicht der Babysitterin (Newcomerin Ji-young Yoo: überzeugt mit starker Präsenz). Um diese Tragödie spannt Wang ein vielschichtiges Netz aus Affären, Paranoia und Beobachtungen abseits der oberen Zehntausend. So schmackhaft einem die neonlichtdurchfluteten Bilder die Kulisse machen können, auf ein romantisierendes Bild Hongkongs, wie man es mitunter aus dem Kino von Wong Kar-Wai kennt, wird verzichtet. Inszeniert wird die Stadt als Chaosmetropole im politischen Umbruch, die wohlhabende Zugewanderte als Oase der (Schein-)Dekadenz missbrauchen. Gerade wenn der Goldkäfig aber eng zu werden droht, lohnt manchmal der Schritt zurück in die normale Welt, ein Reflektieren über die eigenen Privilegien. Auch wenn man sich sprichwörtlich „Lost in Translation“ fühlt.
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Christian Pogatetz