Lange Zeit war nicht klar, welche wirtschaftliche Grundlage die einstige Römerstadt Aguntum in Dölsach bei Lienz eigentlich hatte. Die Innsbrucker Archäologen stellten in den vergangenen Jahrzehnten durch Grabungen Schritt für Schritt fest, dass es innerhalb der Stadtmauern ein Händlerforum, ein Handwerkerviertel, einen prächtigen Verwaltungspalast und zahlreiche Gebäude gegeben hat.

Erst im Vorjahr haben die Fachleute im Zuge der jährlichen Grabungen im Zentrum des Forums ein großes Wasserbecken im Ausmaß von sieben mal acht Metern freigelegt, und dazu im Inneren noch ein kleineres. Dabei stießen sie auf zahllose Bruchstücke von Bergkristallen. Grabungsleiter Martin Auer vom Institut für Archäologie der Universität in Innsbruck stellte deshalb Vermutungen an, dass der Reichtum der Römerstadt auf der Sammlung von Bergkristallen gefußt haben könnte.

Bergkristalle für Fußböden

Heuer haben die Archäologen beim Freilegen von historischen Mauern schichtweise den Bodenaufbau untersucht. Dabei kamen kiloschwere Bergkristalle zum Vorschein, die in Aguntum in solchem Überfluss vorhanden gewesen sein mussten, dass man sie kurzerhand als Unterbau für Fußböden eingrub. Denn nur die reinsten Edelsteine waren auch verwertbar.

Archäologe und Grabungsleiter Martin Auer zeigt den Schichtaufbau eines römischen Fußbodens in Aguntum
Archäologe und Grabungsleiter Martin Auer zeigt den Schichtaufbau eines römischen Fußbodens in Aguntum © Christoph Blassnig

Nachschub an Bodenschätzen eingebrochen

„In Aguntum dürfte eine Zeit lang alles an Bergkristallen zusammengetragen worden sein, was man in den Bergen in Osttirol und Oberkärnten finden konnte“, führte Auer bei der Präsentation der Ergebnisse der heurigen Grabung aus. „Nach ein bis zwei wirtschaftlich erfolgreichen Jahrhunderten dürfte dann der Nachschub an Bodenschätzen eingebrochen sein.“ Das könnte den Niedergang der zuvor prachtvollen römischen Stadt ausgelöst haben.

Über den Plöckenpass und Verkehrswege wie die Via Julia Augusta sind die Bergkristalle dann zur Verarbeitung nach Italien gebracht worden. „Es gibt in Italien Funde von kunstvoll verarbeiteten Bergkristallen“, berichtete der Innsbrucker Archäologe. Aguntum dürfte sich also rein auf die Sammlung und Auswahl der geborgenen Bergkristalle spezialisiert haben. Spuren von Werkzeugen oder halbfertige Werkstücke gibt es nämlich nicht. Daraus schließen die Archäologen, dass die Weiterverarbeitung nicht in Aguntum stattgefunden hat.

Aguntum wird ab 2026 ein Tiroler Landesmuseum sein

Aguntum schlüpft voraussichtlich am 1. Jänner 2026 unter das Dach der Tiroler Landesmuseen. „Die Verhandlungen laufen weiterhin und wir sind sehr zuversichtlich“, sagt dazu Leo Gomig, Obmann des Vereins Curatorium pro Agunto. Manfred Hainzl, Geschäftsführer in Aguntum, geht im nächsten Jahr in Pension. Hainzl legt bis Jahresende ein großes Konzept für die Neugestaltung des Museums vor. Zwei Millionen Euro soll die Aktualisierung kosten. Die Dauerausstellung der Römerstadt schlüpft in ein völlig neues Gewand. Vor allem sollen zukünftig Sonderausstellungen in Aguntum ausgerichtet werden können und neue Besucherschichten anziehen.

Leo Gomig, Martin Auer, Manfred Hainzl, Gabriele Lehner, Werner Lamprecht und Josef Mair haben die Grabungsergebnisse in Aguntum besichtigt
Leo Gomig, Martin Auer, Manfred Hainzl, Gabriele Lehner, Werner Lamprecht und Josef Mair haben die Grabungsergebnisse in Aguntum besichtigt © Christoph Blassnig