Gestiegene Mietpreise, internationale Konflikte und Krisen treiben die Energie- und somit die Betriebskosten in die Höhe, die Inflation nagt zusätzlich am mühsam angesparten Finanz-Polster. 17,5 Prozent der österreichischen Bevölkerung sind laut Volkshilfe armutsgefährdet. „Die Auswirkungen von Teuerung und Inflation sind auch in der Landeshauptstadt zu spüren. Die Anzahl der Stadtkartenbesitzer hat sich zum Beispiel von 2020 bis 2023 fast verdoppelt“, sagt Klagenfurts Bürgermeister und Sozialreferent Christian Scheider (Team Kärnten).
Doch die Hemmschwelle, um Hilfe anzusuchen, vorhandene Angebote zu nutzen, sei immer noch groß. „Ich bitte jene, die Unterstützung benötigen, sie auch abzurufen“, sagt Scheider, der auf die umfangreichen Hilfsleistungen der Stadt verweist. Mit der Klagenfurter Stadtkarte gibt es beispielsweise vergünstigte Mahlzeiten in der städtischen Volksküche, Nachlass beim Eintritt für die städtischen Strandbäder, vergünstigte Bus-Tickets bei den Stadtwerken (50 Prozent bei 24-Stunden-Karten oder einer Kurzstreckenkarte) sowie den Klagenfurter Energiescheck. 2020 beanspruchten 417 Bürgerinnen und Bürger die Stadtkarte, 2021 waren es 488 Personen, im Vorjahr schnellte die Zahl auf 739 hoch.
Vor allem in der Volksküche zeige sich deutlich, „dass bei vielen Menschen das Geld knapp ist“, sagt Scheider. Das Essen steht allen Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung, reguläre Mittagsmenüs gibt es um 5,50 Euro, Stadtkarten-Inhaber zahlen 1,18 Euro. Laut Sozialabteilung gibt es eine Steigerung von Essensausgaben über den Sozialtarif von 60 Prozent, bei den Vollzahlern um zwei Drittel. Pro Tag werden derzeit bis zu 200 Essen ausgegeben, in Vorkrisenzeiten waren es rund 70. „Im Vorjahr hat man in der Volksküche insgesamt mehr als 43.000 Mahlzeiten serviert“, so Scheider.
Drohen aufgrund von finanziellen Schwierigkeiten Probleme mit dem Stromanbieter, stellen Stadt Klagenfurt und Stadtwerke gemeinsam mit der Caritas Kärnten 50.000 Euro für Soforthilfe und eine professionelle Energieberatung zur Verfügung. Die Überprüfung der Bedürftigkeit übernimmt die Caritas, die in diesem Bereich neben der Klagenfurter Sozialabteilung auch Anlaufstelle für Hilfesuchende ist.
„Neben vielen weiteren Angeboten der öffentlichen Hand habe ich zudem die Möglichkeit, aus dem Hilfsfonds des Bürgermeisters bei Härtefällen rasch und unbürokratisch zu helfen“, sagt Scheider. Der Fonds ist grundsätzlich mit 15.000 Euro dotiert, 2021 wurden Auszahlungen daraus 27 Mal in Anspruch genommen, 2023 gab es schon 199 Fonds-Hilfsleistungen.
Die Gemeinschaft hilft sich
Wie schaut die Situation in Landgemeinden aus? Einen Sozialhilfefonds gibt es in der Gemeinde Grafenstein beispielsweise nicht. Unterstützung erhalten die, die sie brauchen, aber dennoch. Härtefällen greift Bürgermeister Stefan Deutschmann (Liste Deutschmann) unter die Arme. „Wir haben die Möglichkeit, vereinzelt zu helfen“, sagt Deutschmann. Einen Anstieg an Personen, die um Hilfe ansuchen, gibt es aber nicht.
Einzelne Leistungen werden gerne in Anspruch genommen. Die Gemeinde stellt zum Beispiel verstellbare Krankenbetten an ältere beziehungsweise erkrankten Personen. Förderungen gibt es zudem für Studierende, für PV-Anlagen und in der Landwirtschaft. Die Gemeinschaftshilfe deckt aber die größten Nöte ab. „Wir haben viele Vereine, die Spenden sammeln und helfen. Diese Art der Hilfe ist bei uns stark ausgeprägt“, sagt Deutschmann. Zusätzliche Mittel könne die Gemeinde kaum in die Hand nehmen. Heuer steuert sie eine Million Euro für Sozialleistungen des Landes zu - ein Drittel mehr, als in den Jahren zuvor. „Für den täglichen Betrieb müssen wir etwas aus den Rücklagen herausnehmen“, sagt Deutschmann.
Barriere ist hoch
Die rund 580 Bewohner der Gemeinde Zell dürften sich ebenfalls verhältnismäßig gut durch die derzeit für den Geldbeutel schweren Zeiten manövrieren. An Bürgermeister Heribert Kulmesch (SPÖ) habe sich kein Hilfesuchender gewandt. „Ich gehe jedoch nicht davon aus, dass es keinen Bedarf gibt“, sagt Kulmesch. Überlegungen, Abgabeerleichterungen für seine Gemeindebürger zu schaffen, wurden diskutiert, am Ende aber nicht als nötig befunden. „Anscheinend ist die Schmerzgrenze der Bürger noch nicht erreicht“, vermutet der Bürgermeister. Gleichzeitig streicht er einen in Kleingemeinden wichtigen Faktor heraus: Die Barriere, nach Hilfe zu suchen, ist aufgrund fehlender Anonymität hoch. „Sich hinzustellen und als hilfsbedürftig zu deklarieren, ist in einer Gemeinde, wo jeder jeden kennt, schwer.“