Dick eingepackt marschieren Nicole Koren und Katrin Schmacher am Villacher Ring los. An ihren Rucksäcken baumeln Anhänger, die den Grund ihres Spazierganges in eisiger Kälte erkenntlich machen: Sie sind Streetworker in Klagenfurt.
Gemeinsam mit fünf weiteren Kolleginnen und einem Kollegen sind sie für viele Hilfesuchende die allererste Anlaufstelle. Jeder, der auf irgendeine Art und Weise ein Problem hat, wird von ihnen beraten und unterstützt. „Unser Hilfsangebot ist so niederschwellig, dass wir sogar zu den Leuten kommen“, erzählt Schmacher. Rund 800 Personen nahmen im vergangenen Jahr das Angebot in Anspruch. Über 10.000 Kontakte mit Personen ab 13 Jahren haben sich daraus ergeben, zwei Drittel von ihnen waren Männer.
Hilfe kommt auf Klienten zu
Viele davon treffen sie auf Straßen, in Parks und auf öffentlichen Plätzen. Sie gehen auf Menschen zu - um zu plaudern oder zu helfen. „Wir machen so auf uns aufmerksam. Gezwungen wird von uns aber niemand zu etwas“, sagt Kerstin Fanzott, Leiterin des Bereichs. Wer ein Hilfsangebot in Anspruch nehmen möchte, wird im Streetwork-Büro am Villacher Ring aufgenommen. Hier gibt es Essen, Getränke, Duschen und einen Platz zum Ausruhen. „Bei uns können sie ein paar Stunden in Ruhe verbringen“, sagt Koren.
Obdachlosigkeit, Suchterkrankungen oder Differenzen im Familienverbund sind nur drei der vielen Probleme, mit denen Hunderte Personen seit 29 Jahren hier aufschlagen. Wer sich helfen lassen möchte, wird von Fanzotts Team wortwörtlich begleitet - am Weg zum Amt, zum Bewerbungsgespräch oder zur Suchtberatung. „Ich habe alle Dinge auch so hinbekommen, aber nicht mit dieser Effizienz“, erzählt Dominik. Der über 30-Jährige wird seit sechs Jahren von den Streetworkern begleitet. Den Wunsch, wieder als Maurer zu arbeiten, haben vier Bandscheibenvorfälle zunichtegemacht. Seine Drogenabhängigkeit warf ihn endgültig aus der Bahn. „,Der ist ein Junkie, der will nichts machen‘, sagen viele, selbst wenn man versucht, Arbeit zu finden“, erzählt er. Mittlerweile lebt Dominik in einer eigenen Wohnung und arbeitet geringfügig. „Mir wurde in meiner Wohnung der Strom abgedreht. Aus solchen Dingen boxen sie uns raus“, erzählt Matthias, Klient seit sieben Jahren. Auch er wird am Weg in die richtigen Bahnen an der Hand genommen.
Gemeinsame Aktivitäten
Der Zusammenhalt und die Gemeinschaft werden bei gemeinsamen Aktivitäten gestärkt. Im Sommer wird gewandert, im Winter gebacken. Die bunt bemalten Hydranten im Stadtgebiet sind Werke der Klienten. „Wir möchten damit Interessen, die verloren gegangen sind, wieder wecken“, sagt Fanzott. Gleichzeitig hält man sie somit von der Straße und ihren Gefahren fern.
Viele von ihnen sind oft am Bahnhof unterwegs. Mit der Hoffnung auf Ruhe verhängte die Stadt im April 2023 ein Alkoholverbot im Viertel. Ob das Verbot etwas zum Positiven dreht, ist unklar. Ergebnisse einer Evaluierung stehen noch aus. Fix ist: „Das Problem ist so nicht weg, sondern verlagert sich. Die Personen sind jetzt verteilt, was die Arbeit schwieriger für uns macht“, erzählt Schmacher am Weg Richtung Bahnhof. Geduld, Verständnis und die Gabe, nicht alles zu persönlich zu nehmen, bringen sie und ihre Kolleginnen mit. „Es ist oft erstaunlich, was unsere Klienten aushalten und dass sie trotzdem nicht aufgeben“, sagt Koren.
Schicksale von Jugendlichen machen besonders betroffen. Ein Fünftel der betreuten Klienten im Jahr 2022 waren jünger als 20 Jahre. Die Pandemie trieb bei Jugendlichen Sozialisierungsprobleme sowie die Handy- und PC-Sucht an. Sie werden zukünftig im Büro am Villacher Ring aufgenommen, für die „Älteren“ schafft die Stadt eine neue Anlaufstelle in der Bahnstraße, das Ziel des heutigen Rundgangs. Das unscheinbare Gebäude wird momentan noch fertig eingerichtet und in wenigen Wochen eröffnet. Damit soll auf die Bedürfnisse von Dominik, Matthias und den vielen weiteren Klienten genauer eingegangen werden. Fanzotts und das Ziel ihrer Abteilung ist klar: „Wir möchten den Klienten zu einem lebenswerten Leben verhelfen.“