Wenn Erik Schinegger in der Früh auf den Berg fährt, tut er das mit einem Lächeln im Gesicht. Die Freude am Skisport – das ist sein Erfolgsrezept und nebenbei auch das, was ihn die Torturen und Einsamkeit seiner Jugend überstehen ließ. Die Geschichte ist weltweit bekannt. Von der „New York Times“ über „France Soir“ bis zur „Corriere della Sera“ haben alle möglichen Zeitungen berichtet: Im Alter von 19 Jahren wurde aus der gefeierten Skiweltmeisterin Erika Schinegger nach einer operativen Geschlechtskorrektur der Mann, der er genetisch schon immer war.
„Das war natürlich ein harter Schlag für mich. Noch heute tut es weh, wenn ich darüber rede“, erzählt Schinegger. Damit meint er aber nicht unbedingt die Geschlechtsumwandlung, sondern die Reaktion seines Umfeldes darauf: „Niemand wollte mehr mit mir reden, ich war die Schande der gesamten Nation. Die Gemeinde hat mir das geschenkte Grundstück wieder weggenommen und der Skiverband hat mich zum Rücktritt gezwungen, obwohl ich sogar im Training der Herren die Bestzeit fuhr.“ Es habe lange gedauert, bis er sich wieder außer Haus traute.
Schinegger: „Ich war ein Außenseiter“
Ein Leben ohne Stock und Ski? Das konnte und wollte sich Schinegger nicht vorstellen. Und so fasste er mit 25 Jahren den Entschluss, die staatliche Skilehrerprüfung zu absolvieren. Mit Auszeichnung hatte er diese in der Saison 1972/73 in der Tasche, ein Jahr später – im Winter 1974/75 – eröffnete er seine Skischule auf der Simonhöhe, seinem Heimatskihang. „Die Gemeinde wollte mich nicht haben, denn ich war ein Außenseiter“, erinnert sich der ehemalige Skirennläufer aus St. Urban. Und dennoch setzte sich der junge Sportler durch.
50 Jahre Skischule Schinegger
Mittlerweile ist er seit genau 50 Jahren als Skilehrer tätig: „Das Jubiläum erstreckt sich über zwei Jahre. Wir feiern den Beginn meiner Skilehrertätigkeit und die Eröffnung der Skischule im Herbst“, erklärt er.
Über die Landesgrenzen hinaus sei seine Skischule bekannt, wohl auch wegen des Namens „Schinegger“. Aber nicht nur: „Ich sage meinen Skilehrern immer: Seid fröhlich!“, verrät er sein Geheimnis: „Ich habe selbst immer den Clown gemacht und die Kinder lieben das. Sie sollen Spaß haben, wenn sie Skifahren lernen.“
Auch heute tummeln sich wieder Hunderte von Kindern am Berg. Motiviert und in Skimontur steigen die Schülerinnen und Schüler der VS Hörtendorf aus dem Bus aus und verteilen sich in viele kleine Gruppen. Rund 30 Skilehrerinnen und Skilehrer zeigen den Kindern die Übungen vor. Inzwischen bereitet Schinegger die Pokale und Urkunden für das Abschlussrennen vor. Jedes Kind bekommt einen Pokal und neben der Urkunde auch Einzelfotos und Fotos der Skigruppe. So werden sie ihr Skiabenteuer niemals vergessen. „Natürlich kostet mich das mehr, aber es zahlt sich aus. Denn wenn die Kinder die Simonhöhe gut in Erinnerung behalten, kommen sie wieder.“
In einer Saison wird circa 3000 Kindern das Skifahren beigebracht. Schineggers Frau Christa kümmert sich um die Anmeldungen: „So einen Stress wie heuer hatten wir noch nie. Es boomt mehr denn je und wir schaffen es kaum noch, alle Anfragen abzudecken“, sagt sie. Grund dafür sei auch, dass der 75-Jährige immer noch selbst vor Ort ist, um den Betrieb zu managen: „Er hat ein Händchen dafür.“
Simonhöhe lebt von Skischule
Dass an der Skischule Schinegger die Existenz der Simonhöhe als Skigebiet hängt, weiß der Liftbetreiber Paul Kogler: „Er hat mir gesagt, dass es ohne die Skischule nicht mehr geht.“ Wie lange Schinegger weitermachen wird, weiß er jedoch nicht. Seine Tochter lebt in Deutschland und hat den Kontakt abgebrochen. Hoffnungen für eine mögliche Übernahme werden deshalb in den Neffen gesetzt, der bei Schinegger schon lange als Skilehrer arbeitet und denselben Namen trägt: „Aber er muss zuerst die staatliche Skilehrerprüfung schaffen. Und die ist nicht leicht.“
Derweil mache Schinegger weiter, denn bei der Freude der Kinder am Skifahren gehe ihm das Herz auf. „Ich bin noch gut im Saft“, lacht der St. Urbaner, dessen Leben bereits in zwei Filmen und zwei Büchern aufgearbeitet wurde. Die Leidenschaft für den Skisport brennt nach wie vor in ihm. Schinegger: „Ich stecke all meine Liebe und 100 Prozent Einsatz in die Skischule.“